Entscheidungsstichwort (Thema)

Streitwert bei Verlustrück- und Vortrag

 

Leitsatz (NV)

Sind bei der Einkommensteuer-Veranlagung Abzugsbeträge streitig, deren Anerkennung in einem anderen als dem streitigen Veranlagungszeitraum zu einem rück- oder vortragsfähigen Verlust führt, bemißt sich der Streitwert nur nach den Auswirkungen im Streitjahr.

 

Normenkette

FGO § 155; ZPO § 3; GKG § 13; EStG § 10d; BFHEntlG Art. 1 Nr. 5

 

Verfahrensgang

FG Köln

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war zu 90 v. H. am Stammkapital einer 1971 gegründeten GmbH beteiligt. Die Gewinn- und Verlustrechnung der GmbH wies in den Jahren 1971 bis 1973 Verluste, 1974 und 1975 jedoch Gewinne aus. Für 1976 wurde ein Jahresabschluß nicht mehr erstellt. Ein Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens wurde im Jahre 1977 mangels Masse abgelehnt. Darauf wurde die GmbH in 1979 im Handelsregister gelöscht.

Der Kläger war alleiniger Geschäftsführer der GmbH. Im Jahre 1975 verbürgten sich der Kläger und der einzige Mitgesellschafter G gegenüber einer Bank selbstschuldnerisch für deren Forderungen gegen die GmbH. Im Streitjahr 1977 wurde der Kläger aus der Bürgschaft einschließlich Zinsen in Höhe von 90 000 DM in Anspruch genommen. Diesen Betrag machte der Kläger als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geltend. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) erkannte den Abzug nicht an. Auf den Einspruch wurde die Einkommensteuerschuld auf 4 389 DM herabgesetzt; der Einspruch hatte im Streitpunkt jedoch keinen Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab.

Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts. Zur Zulässigkeit der Revision trägt der Kläger vor, bei zutreffender Streitwertberechnung seien ein Verlustrücktrag und -vortrag gemäß § 10d des Einkommensteuergesetzes (EStG) zu berücksichtigen, wonach sich ein Streitwert von 27 617 DM ergäbe.

Der Kläger beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und nach den in der Vorinstanz zuletzt gestellten Anträgen zu erkennen. In der mündlichen Verhandlung vor dem FG hatte der Kläger beantragt, unter Abänderung des angefochtenen Bescheides bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit weitere Werbungskosten in Höhe von 90 000 DM zu berücksichtigen und demzufolge die Einkommensteuer auf 0 DM festzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht zulässig.

Nach Art. 1 Nr. 5 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs (BFHEntlG) in der Fassung vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Beschleunigung verwaltungsgerichtlicher und finanzgerichtlicher Verfahren (Beschleunigungsgesetz) vom 4. Juli 1985 (BGBl I 1985, 1274, BStBl I 1985, 496) steht den Beteiligten die Revision, sofern sie nicht zugelassen ist, nur zu, wenn der Wert des Streitgegenstandes 10 000 DM übersteigt. Im Streitfall liegt der Streitwert des Revisionsverfahrens unter 10 000 DM.

1. Der Streitwert für die Zulässigkeit einer Revision richtet sich nach § 155 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i. V. m. §§ 3 bis 9 der Zivilprozeßordnung (ZPO). Gemäß § 3 ZPO wird dieser Wert vom Gericht - im Rahmen des Antrags des Revisionsklägers im Revisionsverfahren - nach freiem Ermessen festgesetzt.

In Einkommensteuersachen kommt es auf die Differenz zwischen der festgesetzten und der angestrebten Steuer an. Dabei ist regelmäßig allein auf den unmittelbar umstrittenen Einkommensteuerbetrag abzustellen, nicht auf das geldwerte Interesse des Revisionsklägers schlechthin und in seiner Gesamtheit (Zwischenurteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 24. November 1982 I R 195/82, BFHE 137, 390, BStBl II 1983, 331, und Beschluß vom 13. September 1985 III R 21/85, BFHE 144, 341, BStBl II 1985, 707).

Sind Abzugsbeträge streitig, bei deren Anerkennung ein rück- oder vortragsfähiger Verlust entstehen würde, so wird über diese Abzugsbeträge - von hier nicht interessierenden Ausnahmen abgesehen - im Entstehungsjahr nur insoweit entschieden, als sie zu einer Steuerermäßigung auf 0 DM führen. Im Entstehungsjahr nicht verbrauchte Abzugsbeträge nehmen an der Bestandskraft der Steuerfestsetzung des Entstehungsjahres nicht teil, da die Höhe der Steuer durch sie nicht berührt wird. Es handelt sich um Besteuerungsgrundlagen, die, soweit sie nicht gesondert festgestellt werden, einen mit Rechtsbehelfen nicht selbständig anfechtbaren Teil des Steuerbescheides bilden (§ 157 Abs. 2 der Abgabenordnung - AO 1977 -). Bindend entschieden wird über derartige Verluste erst bei der Veranlagung des Jahres, in dem sich der Verlust auswirkt (ständige Rechtsprechung, BFH-Urteile vom 19. Februar 1974 VIII R 118/69, BFHE 111, 494, BStBl II 1974, 336, und vom 28. Oktober 1981 I R 115/78, BFHE 135, 1, BStBl II 1982, 485). Das gilt auch für den Verlustabzug nach § 10d EStG in der Neufassung durch das Gesetz zur Änderung des Einkommensteuergesetzes vom 20. April 1976 - BGBl I 1976, 1054, BStBl I 1976, 282 - (BFH-Urteil vom 8. Dezember 1982 VIII R 53/82, BFHE 139, 28, BStBl II 1983, 710). Ein im Entstehungsjahr bei einer Steuerfestsetzung mit 0 DM gleichwohl erhobener Rechtsbehelf zur Festsetzung eines Verlustes ist deshalb mangels Beschwer als unzulässig zu verwerfen (vgl. BFH-Urteile vom 12. Januar 1966 I 184/63, BFHE 85, 161, BStBl III 1966, 270, und vom 22. April 1971 I R 16/71, BFHE 102, 214, BStBl II 1971, 586).

2. Im Streitfall hat der Kläger im Revisionsverfahren wie bereits im Klageverfahren beantragt, weitere Werbungskosten in Höhe von 90 000 DM zu berücksichtigen und die Einkommensteuer demzufolge auf 0 DM festzusetzen. Die Auslegung des Klageantrags, insbesondere wegen der Verknüpfung der scheinbar zwei Begehren mit dem Wort ,,demzufolge", ergibt, daß der Kläger eine Herabsetzung der Steuer auf 0 DM erstrebte und die Erwähnung des zusätzlichen Werbungskostenbetrages nur zur Begründung seines Antrags diente. Der so verstandene Antrag trägt dem Umstand Rechnung, daß ein weitergehendes Begehren auf Feststellung eines Verlustbetrages unzulässig gewesen wäre. Daß der Kläger sein Klagebegehren ebenfalls so aufgefaßt hat, zeigt sein mit der Klagebegründung gestellter Antrag, den Streitwert auf 4 389 DM festzusetzen. Diesen Antrag hat der Kläger allerdings in der mündlichen Verhandlung nicht mehr weiterverfolgt, nachdem er zwischenzeitlich mit Schriftsatz vom 10. Januar 1984 noch Ausführungen zur Streitwertberechnung angekündigt hatte. Er hat andererseits aber auch nicht neben der Herabsetzung der Einkommensteuer auf 0 DM die Feststellung eines Verlustes in bezifferter Höhe beantragt.

Im Revisionsverfahren hat der Kläger sein Klagebegehren nicht erweitert. Abgesehen davon, daß eine Erweiterung des Klageantrags im Revisionsverfahren nicht zulässig gewesen wäre (BFH-Urteil vom 4. April 1974 IV R 7/71, BFHE 112, 331, BStBl II 1974, 522), hat der Kläger mit der Revision ausdrücklich beantragt, nach den zuletzt - also vor dem FG - gestellten Anträgen zu erkennen. Der gleichzeitige Hinweis auf die Berechnung des Streitwerts im selben Schriftsatz ändert hieran nichts. Die - wie ausgeführt unzutreffende - Rechtsansicht, bei Berechnung des Streitwerts müßten Auswirkungen, die sich durch § 10d EStG in anderen Streitjahren ergeben, berücksichtigt werden, läßt den Revisionsantrag und damit auch den für die Statthaftigkeit der Revision maßgebenden Streitwert unberührt.

 

Fundstellen

Haufe-Index 415023

BFH/NV 1987, 456

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