Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Frage, wann eine Entscheidung des FG im Sinne des § 116 Abs. 1 Nr. 5 FGO nicht mit Gründen versehen ist

 

Leitsatz (NV)

Die Behauptung des Revisionsklägers, die Kostenentscheidung des FG sei nicht mit Gründen versehen und das FG habe nicht über die Anwendbarkeit des § 137 Satz 2 FGO befunden, genügt nicht den Voraussetzungen einer zulassungsfreien Revision nach § 116 Abs. 1 Nr. 5 FGO.

 

Normenkette

FGO § 116 Abs. 1 Nr. 5, § 119 Nr. 6, § 137

 

Verfahrensgang

Niedersächsisches FG

 

Tatbestand

Die Kläger sind im November 1981 von K nach H umgezogen. Der Umzug beruhte darauf, daß der Kläger ab 1. Mai 1981 in H arbeitete. Für den Umzug von K nach H machten die Kläger Umzugskosten als Werbungskosten geltend. Sie wurden vom FA in der Einspruchsentscheidung nur teilweise anerkannt.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage teilweise statt. Es führte aus, es könnten folgende Aufwendungen nicht als Werbungskosten berücksichtigt werden:

a) Kosten der Renovierung der früheren Wohnung in K in Höhe von 2 460,14 DM. Nach Abschn. 26 Abs. 1 Sätze 4 und 5 LStR i. V. m. § 4 der Verordnung zu § 10 BUKG seien zwar grundsätzlich Kosten für Renovierung der bisherigen Wohnung als Werbungskosten berücksichtigungsfähig. Die letztgenannte Vorschrift setze jedoch voraus, daß für die Berechnung der Renovierungskosten der Zeitpunkt der letzten Renovierung der Wohnung genannt würde. Hierzu hätten die Kläger jedoch trotz mehrfacher Aufforderung keine Angaben gemacht.

b) Aufwendungen für die Anschaffung von Küchenmöbeln und einer Dunstabzugshaube in der neuen Wohnung in Höhe von 3 952 DM. Sie seien außer Ansatz zu lassen, da sie nach dem BUKG nicht erstattungsfähig seien. Sie könnten auch nicht als sonstige Werbungskosten nach § 9 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) berücksichtigt werden, da solche Aufwendungen dem privaten Bereich der Steuerpflichtigen zuzuordnen seien.

c) Aufwendungen von 778 DM für das Arbeitszimmer in der bisherigen Wohnung in K. Sie seien für die Zeit vom 1. Mai bis 30. November 1981 nicht abziehbar, da das Arbeitszimmer in dieser Zeit nicht so gut wie ausschließlich für berufliche Zwecke genutzt worden sei. Denn während dieser Zeitspanne sei der Kläger in H tätig gewesen.

Das FG legte die Kosten des gesamten Verfahrens nach § 137 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) den Klägern auf, da sie der Beleganforderung durch das FA erst im Klageverfahren nachgekommen seien.

Gegen diese Entscheidung legten die Kläger Revision und zugleich ,,- vorsorglich und hilfsweise -" Nichtzulassungsbeschwerde ein. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist beim Senat unter Az. VI B 54/86 anhängig. Im vorliegenden Verfahren ist über die Revision der Kläger zu befinden.

Die Kläger rügen die ,,Verletzung des § 119 Ziff. 6 FGO". Sie sind der Ansicht, die Vorentscheidung sei nicht mit Gründen versehen. Sie führen hierzu aus, die Begründung der auf § 137 Satz 1 FGO gestützten Kostenentscheidung werde durch die tatbestandlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils nicht gedeckt. Da sie, die Kläger, die entsprechenden Belege dem FA bereits im Veranlagungsverfahren vorgelegt hätten, hätte eine auf § 137 Satz 1 FGO gestützte Kostenentscheidung gegen sie nur ergehen dürfen, wenn sie im Einspruchsverfahren verpflichtet gewesen wären, die Belege dem FA erneut vorzulegen. Eine solche Verpflichtung habe nicht bestanden und sei von ihnen im Klageverfahren bestritten worden. Über diesen wesentlichen Streitpunkt des Klageverfahrens hätte das FG nicht mit dem begründungslosen Hinweis auf die Nichterfüllung entsprechender Forderungen des FA im Einspruchsverfahren nach § 137 Satz 1 FGO entscheiden dürfen.

Die Kostenentscheidung enthalte darüber hinaus auch deshalb keine Entscheidungsgründe, weil das FG nicht über die Anwendbarkeit des § 137 Satz 2 FGO entschieden habe. Hierzu sei es verpflichtet gewesen. Denn die Erhebung der Klage habe allein darauf beruht, daß das FA den Klägern grundlegende Verfahrensrechte im Einspruchsverfahren verweigert habe. Deshalb hätten sie, die Kläger, im letzten beim FG eingereichten Schriftsatz vom 5. Dezember 1984 ausdrücklich die Verurteilung des FA in alle Verfahrenskosten beantragt. Einem solchen, nach § 137 Satz 2 FGO gestellten Antrag hätte das FG nachgehen müssen.

Die Rüge fehlender Entscheidungsgründe werde auch darauf gestützt, daß das FG ihnen die Berücksichtigung von Renovierungskosten der von ihnen in K genutzten Wohnung als Werbungskosten versagt habe. Das FA habe auch insoweit die Vorlage von Belegen im Einspruchsverfahren gefordert. Im Hinblick auf die von ihnen bestrittene Pflicht zur erneuten Vorlage von Belegen hätte das FG sich auch hier mit einer solchen Belegvorlagepflicht befassen müssen. Dies habe es unterlassen.

Im übrigen weiche die Vorentscheidung von der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Frage der Berücksichtigung von Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer als Werbungskosten ab. Das FG habe zudem § 76 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 FGO verletzt. Denn es hätte sie, die Kläger, auf die Notwendigkeit der Angabe des letzten Renovierungszeitraums bei der bisherigen Wohnung hinweisen müssen, wenn es diese Angabe für unerläßlich halte. Dies habe das FG unterlassen. Die Vorentscheidung verstoße zudem gegen den Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung. Wäre er, der Kläger, Angehöriger des öffentlichen Dienstes, so wären ihm nachweislich entstandene Aufwendungen für Gardinen und Zubehör mit netto 2 270 DM erstattet worden. Das FG habe den Erstattungsbetrag - unzutreffend - mit nur 1 400 DM ermittelt und nur in dieser Höhe einen Werbungskostenabzug zugelassen. Ohne diesen Abzug wäre die Steuerbelastung um 698 DM höher gewesen.

Die Kläger beantragen, die Vorentscheidung aufzuheben und der Klage stattzugeben.

Das FA beantragt, die Revision als unzulässig zu verwerfen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unzulässig.

Nach Art. 1 Nr. 5 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs (BFHEntlG) findet abweichend von § 115 Abs. 1 FGO die Revision nur statt, wenn das FG oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der BFH sie zugelassen hat. Der Zulassung der Revision bedarf es nach § 116 FGO allerdings nicht, wenn von den Klägern die dort angeführten wesentlichen Mängel des Verfahrens gerügt werden. Hierauf wurden die Kläger in der dem finanzgerichtlichen Urteil beigefügten Rechtsmittelbelehrung hingewiesen.

Im Streitfall hat das FG die Revision nicht zugelassen. Die von den Klägern hilfsweise eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde hat der Senat durch Beschluß vom heutigen Tage zu Az. VI B 54/86 als unzulässig verworfen. Die Kläger haben unter Berufung auf § 119 Nr. 6 FGO gerügt, daß die Entscheidung nicht mit Gründen versehen sei. Der Senat legt dieses Vorbringen zugunsten der Kläger dahin aus, daß sie mit dieser Begründung eine zulassungsfreie Revision nach § 116 Abs. 1 Nr. 5 FGO haben einlegen wollen. Denn nach dieser Vorschrift bedarf es einer Zulassung zur Einlegung der Revision nicht, wenn als wesentlicher Mangel des Verfahrens gerügt wird, daß die Entscheidung nicht mit Gründen versehen sei. Die Verfahrensrüge ist insoweit mit der des § 119 Nr. 6 FGO identisch.

Die auf § 116 Abs. 1 Nr. 5 FGO gestützte Revision ist jedoch unzulässig, weil die Rüge eines Verfahrensmangels im Sinne dieser Vorschrift nicht schlüssig begründet wurde.

Wie der BFH im Urteil vom 23. Januar 1985 I R 292/81 (BFHE 143, 325, BStBl II 1985, 417, Abschn. II A 1 der Entscheidungsgründe) befunden hat, liegt ein Fehlen von Entscheidungsgründen im Sinne des § 119 Nr. 6 FGO (§ 116 Abs. 1 Nr. 5 FGO) nur vor, wenn den Beteiligten die Möglichkeit entzogen ist, die getroffene Entscheidung auf ihre Richtigkeit und Rechtmäßigkeit hin zu überprüfen. Dies ist z. B. der Fall, wenn jegliche Begründung fehlt, oder wenn nicht erkennbar ist, welcher Sachverhalt der Entscheidung zugrunde liegt bzw. auf welche rechtlichen Erwägungen sich die Entscheidung stützt. Das ist nach dem Beschluß des BFH vom 9. Februar 1977 I R 136/76 (BFHE 121, 298, BStBl II 1977, 351) insbesondere dann der Fall, wenn das FG einen selbständigen Anspruch oder ein selbständiges Angriffs- oder Verteidigungsmittel mit Stillschweigen übergangen hat, das Urteil mithin bezüglich eines wesentlichen Streitpunkts nicht mit Gründen versehen wurde (vgl. hierzu auch Urteile vom 11. Juni 1969 I R 27/68, BFHE 95, 529, BStBl II 1969, 492, und vom 3. März 1970 VII R 43/68, BFHE 98, 525, BStBl II 1970, 494). Eine Rüge nach § 116 Abs. 1 Nr. 5 FGO ist hingegen nicht schlüssig begründet, wenn der Kläger rügt, das FG habe zu einer Frage, wie z. B. zur Bewertungsfreiheit geringwertiger Wirtschaftsgüter, nur unvollständig Stellung genommen; denn eine lückenhafte Begründung fällt nicht unter die vorgenannte Vorschrift (vgl. Beschluß in BFHE 121, 298, BStBl II 1977, 351 und die dort genannte Literatur). Eine Rüge im Sinne des § 116 Abs. 1 Nr. 5 FGO ist ebenfalls nicht schlüssig begründet, soweit der Kläger behauptet, die Kostenentscheidung eines finanzgerichtlichen Urteils sei nicht mit Gründen versehen. Denn unter Entscheidungen im Sinne dieser Vorschrift sind nur solche zu verstehen, die das sachliche Begehren des Klägers und die einzelnen damit zusammenhängenden selbständigen Angriffs- und Verteidigungsmittel berühren, nicht dagegen fällt darunter eine an die Sachentscheidung anknüpfende und von Amts wegen zu treffende Kostenfolge (BFH-Urteil vom 26. Oktober 1983 IV R 89/82, nicht veröffentlicht).

Die im Streitfall auf § 116 Abs. 1 Nr. 5 FGO gestützte Revision entspricht nicht den vorgenannten Voraussetzungen. Soweit sie sich dagegen wendet, die Kostenentscheidung nach § 137 Satz 1 FGO werde durch die tatbestandlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils nicht gedeckt, richtet sie sich nicht gegen eine Entscheidung im Sinne des § 116 Abs. 1 Nr. 5 FGO. Das gleiche gilt für die von den Klägern erhobene Rüge, die Kostenentscheidung enthalte keine Entscheidungsgründe, weil das FG nicht über die Anwendbarkeit des § 137 Satz 2 FGO entschieden habe, wonach die Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, diesem auferlegt werden können. Eine zur Anwendung des § 116 Abs. 1 Nr. 5 FGO schlüssige Begründung enthält auch nicht das Vorbringen der Kläger, das FG hätte im Hinblick auf die von ihnen bestrittene Pflicht zur erneuten Vorlage von Belegen sich mit der Existenz einer solchen Belegvorlagepflicht befassen müssen. Selbst wenn die Entscheidungsgründe des FG bezüglich der Nichtanerkennung von Renovierungskosten der früher genutzten Wohnung als Werbungskosten insoweit lückenhaft sein sollten, so würde dies nach dem vorgenannten Beschluß des BFH in BFHE 121, 298, BStBl II 1977, 351 nicht unter § 116 Abs. 1 Nr. 5 FGO fallen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 414908

BFH/NV 1987, 175

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