Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsätzliche Bedeutung; Klärbarkeit von Rechtsfragen

 

Leitsatz (NV)

Die Zulassung der Revision setzt neben der Klärungsbedürftigkeit der Rechtsfrage deren Klärbarkeit im Revisionsverfahren voraus. An der Klärbarkeit fehlt es, wenn sich die Vorentscheidung aus anderen Gründen als richtig erweist (vgl. § 126 Abs. 4 FGO). Die Beantwortung der als grundsätzlich angesehenen Rechtsfrage ist dann nicht entscheidungserheblich.

 

Normenkette

FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1

 

Verfahrensgang

FG Berlin

 

Tatbestand

Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) ist nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) selbständig als Publizist tätig. Im Streitjahr betrieb er ein Unternehmen für " ... ". Da er aus Österreich kam und in Ostberlin zunächst keine Wohnung hatte, mietete er ab dem 6. Juli 1990 ein Zimmer im ... -Hotel, wo er wohnte und zugleich seine Geschäfte betrieb.

Der Kläger erklärte in seiner Umsatzsteuererklärung für das 2. Halbjahr 1990 steuerpflichtige Umsätze in Höhe von ... DM. Von der darauf entfallenden Umsatzsteuer ( ... DM) zog er Vorsteuerbeträge in Höhe von ... DM und Kürzungsbeträge nach § 1 Abs. 6 und § 13 des Berlinförderungsgesetzes (BerlinFG) ab und errechnete einen Erstattungsbetrag von ... DM.

Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt -- FA --) stimmte der Steuer anmeldung nicht zu und setzte die Umsatzsteuer 1990 des Klägers auf einen Erstattungsbetrag von ... DM fest. Während des Einspruchsverfahrens wurde der Erstattungsbetrag auf ... DM erhöht. Das FA ließ den Abzug von Vorsteuer (mit Ausnahme unstreitiger Kürzungen) wie vom Kläger beantragt zu. Jedoch verneinte es die Voraussetzungen für die Kürzungsbeträge nach dem BerlinFG und behandelte Bewirtungsaufwendungen des Klägers für seine Mutter bzw. für seine Eigenbewirtung in Höhe von ... DM sowie Aufwendungen des Klägers für Hotel ( ... DM) und Telefon ( ... DM) nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c des Umsatzsteuergesetzes der Deutschen Demokratischen Republik vom 22. Juni 1990 -- UStG DDR -- (Gesetzblatt der Deutschen Demokratischen Republik -- GBL DDR -- Sonderdruck Nr. 1432) als steuerpflichtigen Eigenverbrauch.

Das FG wies die gegen die Einspruchsentscheidung vom 21. Januar 1994 gerichtete Klage ab.

Der Kläger stützt die hiergegen gerichtete Nichtzulassungsbeschwerde auf das Vorliegen grundsätzlicher Bedeutung, Divergenz und eines Verfahrensmangels (§ 115 Abs. 2 Nr. 1, 2 und 3 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --).

Das FA ist der Beschwerde entgegenge treten.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

1. Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen.

Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung i. S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO, wenn die für die Beurteilung des Streitfalles maßgebliche Rechtsfrage das Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Die Zulassung der Revision setzt neben der Klärungsbedürftigkeit der Rechtsfrage deren Klärbarkeit im Revisionsverfahren voraus (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., § 115 Rz. 10). An der Klärbarkeit fehlt es, wenn sich die Vorentscheidung aus anderen Gründen als richtig erweist (vgl. § 126 Abs. 4 FGO). Die Beantwortung der als grundsätzlich angesehenen Rechtsfrage ist dann nicht entscheidungserheblich (Beschluß des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 22. Januar 1988 III B 134/86, BFHE 152, 212, BStBl II 1988, 484).

Im Streitfall kommt es auf die Entscheidung der vom Kläger als grundsätzlich bezeichneten Rechtsfrage zu den Kriterien für eine typisierende Betrachtungsweise im Rahmen des § 1 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c UStG DDR i. V. m. § 12 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes vom 18. September 1970 (GBl DDR, Sonderdruck Nr. 670) i. d. F. des Gesetzes zur Änderung und Ergänzung steuerlicher Rechtsvorschriften bei Einführung der Währungsunion mit der Bundesrepublik Deutschland vom 22. Juni 1990 -- EStG DDR 1970/1990 -- (GBl DDR, Sonderdruck Nr. 1427) nicht an. Die Vorentscheidung erweist sich schon deshalb als richtig, weil der Kläger keinen Anspruch auf Abzug der entsprechenden Vorsteuerbeträge hat (vgl. § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG DDR). Denn der Kläger konnte nach der Rechtsprechung des Senats die von ihm bezogenen Leistungen für Hotel (einschließlich Telefon) und Bewirtung nicht seiner unternehmerischen Sphäre zuordnen.

Nach den für den Senat bindenden und insoweit vom Kläger nicht angegriffenen (vgl. § 118 Abs. 2 FGO) Feststellungen des FG kam der Kläger aus Österreich. Er mietete ab dem 6. Juli 1990 ein Zimmer im ... -Hotel, wo er wohnte und zugleich seine Geschäfte betrieb. Der Schwerpunkt der betrieblichen Tätigkeit des Klägers lag ab Juli 1990 in B. Ab September 1990 wurden Wohnung und Geschäftssitz des Klägers ganz nach B verlegt. Anhaltspunkte für eine doppelte Haushaltsführung des Klägers sind von diesem mit der Beschwerde nicht vorgetragen und auch nach Aktenlage nicht ersichtlich. Bei dieser Sachlage sind die in B entstandenen Aufwendungen des Klägers für Wohnen und Ernährung entgegen der Auffassung des Klägers keine Reisekosten. Diese Aufwendungen -- wie auch die Aufwendungen für die Bewirtung der Mutter, die nach den Feststellungen des FG im Streitjahr nicht dessen Arbeitnehmerin war -- sind vielmehr der privaten Lebensführung zuzurechnen. Sie sind nicht betrieblich veranlaßt und deshalb nach ertragsteuerrechtlichen Grundsätzen nicht als Betriebsausgaben abziehbar (§ 4 Abs. 5 Satz 3 i. V. m. § 12 Nr. 1 EStG DDR 1970/1990).

Die gleiche Beurteilung gilt für die Umsatzsteuer. Der Senat hat in seinem Urteil vom 15. Juli 1993 V R 61/89 (BFHE 172, 183, BStBl II 1993, 810) ausgeführt, die unternehmerische Sphäre im Sinne des Umsatzsteuergesetzes werde durch die Tätigkeiten gebildet, die die Merkmale des § 2 Abs. 1 i. V. m. § 1 Abs. 1 Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG 1980) erfüllen. Die davon nicht erfaßten Tätigkeiten gehörten zur nichtunternehmerischen bzw. privaten Sphäre. Zur privaten Sphäre einer natürlichen Person rechneten jedenfalls Kleider, Wohnen, Essen und Trinken. Derartige Leistungen beziehe die Person auch dann für ihre Privatsphäre, wenn sie Unternehmer sei und wenn die Leistungen unumgängliche Voraussetzung für die unternehmerische Betätigung seien. Die Ausführungen des Senats gelten ebenso für die insoweit inhaltsgleichen Vorschriften des § 2 Abs. 1 i. V. m. § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG DDR.

Nach den vorstehenden Grundsätzen ist der Abzug der auf die Hotelunterbringung und Bewirtung des Klägers entfallenden Vorsteuerbeträge ausgeschlossen. Zu den nicht zum Vorsteuerabzug berechtigenden Leistungen für Wohnen gehören auch die Aufwendungen für das dort befindliche Telefon. Die Leistungen für die Bewirtung der Mutter sind ebenfalls der privaten Sphäre zuzuordnen. Das FG hat festgestellt, daß die Mutter des Klägers im Streitjahr nicht dessen Arbeitnehmerin war. Der Kläger dagegen war ihr gegenüber grundsätzlich zum Unterhalt verpflichtet (vgl. § 1601 des Bürgerlichen Gesetzbuches).

2. Die Revision ist nicht wegen Abweichung der Vorentscheidung zuzulassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO). Dabei kann der Senat unerörtert lassen, ob das Vorbringen des Klägers die formalen Anforderungen des § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO erfüllt.

Denn die Vorentscheidung weicht nicht von den vom Kläger bezeichneten Urteilen des BFH vom 28. Oktober 1964 IV 168/63 S (BFHE 81, 45, BStBl III 1965, 16) und vom 18. Februar 1965 IV 209/63 U (BFHE 82, 96, BStBl III 1965, 282) ab, weil über nicht vergleichbare Sachverhalte entschieden worden ist. Im übrigen fehlt es, wie oben unter 1. ausgeführt, im Streitfall an der Klärbarkeit der Rechtsfragen, derentwegen Divergenz geltend gemacht wurde.

3. Die Revision ist nicht wegen Verfahrensmangels zuzulassen. Insoweit genügt die Beschwerdeschrift nicht den formalen Anforderungen (§ 115 Abs. 3 Satz 3 FGO).

Wird als Verfahrensmangel unzureichende Sachaufklärung (Verstoß gegen § 76 FGO) wegen Nichterhebung angebotener Beweise geltend gemacht, so sind darzulegen (vgl. BFH-Beschluß vom 27. Dezember 1993 V B 82/92, BFH/NV 1995, 398, m. w. N.):

-- die ermittlungsbedürftigen Tatsachen,

-- die angebotenen Beweismittel und die dazu angegebenen Beweisthemen,

-- die genauen Fundstellen (Schriftsatz mit Datum und Seitenzahl, Terminprotokoll), in denen die Beweismittel und Beweisthemen angeführt worden sind,

-- das voraussichtliche Ergebnis der Beweisaufnahme,

-- inwiefern das Urteil des FG aufgrund dessen sachlich-rechtlicher Auffassung auf der unterbliebenen Beweisaufnahme beruhen kann,

-- daß die Nichterhebung der Beweise vor dem FG rechtzeitig gerügt worden ist oder aufgrund des Verhaltens des FG nicht mehr vor diesem gerügt werden konnte.

Diese Anforderungen an eine ordnungsgemäße Verfahrensrüge erfüllt die Beschwerdeschrift nicht.

 

Fundstellen

Haufe-Index 422290

BFH/NV 1997, 863

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