Leitsatz (amtlich)

Der Unterschiedsbetrag zwischen der vom Unternehmer berechneten und vom FA festgesetzten Steuer i. S. des § 18 Abs. 4 Satz 3 UStG 1967 kann auch eine betragsmäßig geringere negative Steuerzahlungsschuld sein. Ist dieser Unterschiedsbetrag während des Voranmeldungsverfahrens als sog. Überschuß i. S. des § 18 Abs. 2 Satz 5 UStG 1967 an den Unternehmer ausgezahlt worden, so entsteht kraft § 18 Abs. 4 Satz 3 UStG 1967 eine (Rück-) Zahlungsverpflichtung, in deren Höhe eine Aussetzung der Vollziehung unter den -Voraussetzungen des § 69 Abs. 2 und 3 FGO statthaft ist (Fortführung von BFH-Beschluß vom 28. November 1974 V B 52/73, BFHE 114, 169, BStBl II 1975, 239).

 

Normenkette

FGO § 69 Abs. 3; UStG 1967 § 18 Abs. 2, 4

 

Tatbestand

Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist eine Beteiligungsgesellschaft in der Rechtsform einer KG. Die zur Erreichung ihres Gesellschaftszwecks notwendige Beschaffung von Kapital übernahm die A-GmbH. Sie verpflichtete sich gegenüber der Klägerin, deren Zeichnungskapital von 40 Mio. DM am Kapitalmarkt gegen Zahlung einer Vergütung zuzüglich Umsatzsteuer zu placieren. Die A-GmbH stellte der Klägerin wegen dieser Tätigkeit neben ihrem eigentlichen Honorar Umsatzsteuer gesondert in Rechnung. Im Umsatzsteuer-Voranmeldungsverfahren wurden diese Steuerbeträge im Rahmen der Steuerberechnung nach § 16 UStG 1967 als abziehbare Vorsteuerbeträge behandelt, was eine Auszahlung des Überschusses durch den Beklagten und Beschwerdegegner (FA) zur Folge hatte. Bei der Jahresveranlagung für 1971 lehnte es das FA jedoch unter Berufung auf § 15 Abs. 2 UStG 1967 ab, die von der A-GmbH für ihre Leistungen gesondert in Rechnung gestellten Umsatzsteuern bei der Klägerin als abziehbare Vorsteuerbeträge anzuerkennen. Das FA vertrat die Auffassung, daß die Klägerin die Leistungen der A-GmbH ihrerseits zur Ausführung von Leistungen verwendet habe (Ausgabe von KG-Anteilen), die nach § 4 Nr. 8 UStG 1967 steuerfrei seien. Unter Berücksichtigung dieser Rechtsauffassung setzte es die Umsatzsteuer 1971 auf eine negative Steuerzahlungsschuld von 11 060,27 DM fest. Dies hatte zur Folge, daß der Klägerin für das Kalenderjahr 1971 ein vom FA als Überschuß angesehener Betrag von 442 371,11 DM zuviel ausgezahlt worden war. Nach erfolglosem Abschluß des Einspruchsverfahrens wurde eine nach § 242 AO gewährte Aussetzung der Vollziehung aufgehoben und vom FA die Rückzahlung des vorbezeichneten Betrages gefordert.

Mit der zum FG erhobenen Klage, über die noch nicht entschieden ist, stellte die Klägerin zugleich beim FG den Antrag, die Vollziehung des Umsatzsteuerbescheides 1971 auszusetzen. Das FG hat diesem Antrag durch Aussetzung der Vollziehung des Betrages von 442 371,11 DM zwar entsprochen, aber die Aussetzung der Vollziehung gemäß einem Antrag des FA von der Beibringung einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde der Klägerin. Sie hält die Anordnung der Sicherheitsleistung nicht für gerechtfertigt, weil ein für sie günstiger Ausgang des Verfahrens in der Hauptsache unzweifelhaft sei. Dazu habe sie im Hauptsacheverfahren eingehende Ausführungen gemacht, auf die sie Bezug nimmt.

Die Klägerin beantragt, die Nebenbestimmung der Anordnung von Sicherheitsleistung zu streichen.

Das FA beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist nicht begründet.

1. Der von der Klägerin gestellte Antrag auf Aussetzung der Vollziehung, den sie wegen teilweiser Ablehnung in der Vorinstanz jetzt vor dem BFH als dem Beschwerdegericht weiterverfolgt, ist statthaft. Der Jahressteuerbescheid 1971 lautet zwar auf eine negative Steuerzahlungsschuld. Gleichwohl kann durch den Erlaß eines solchen Steuerbescheides, der für sich allein betrachtet dem Steuerpflichtigen eine Leistungspflicht nicht auferlegt, eine schutzwürdige Situation eintreten (vgl. BFH-Beschluß vom 28. November 1974 V B 52/73, BFHE 114, 169, BStBl II 1975, 239). Sie ist jedoch im vorliegenden Fall nicht dadurch bedingt, daß auf einen erstmaligen (vorläufigen oder endgültigen) Steuerbescheid ein weiterer (endgültiger oder berichtigter) Steuerbescheid folgt, der die Rechtsposition des Steuerpflichtigen verschlechtert (vgl. Anm. in HFR 1975, 242). Hier wird die schutzwürdige Situation bereits durch einen erstmaligen, auf eine negative Steuerschuld lautenden Steuerbescheid ausgelöst, weil die ihm vom FA zugrunde gelegte rechtliche Beurteilung von der im Voranmeldungsverfahren gehandhabten, der die Klägerin in ihrer Jahressteuererklärung gefolgt war, abweicht. Die für den Veranlagungszeitraum vorgenommene Steuerfestsetzung des FA ergibt eine höhere als die vom Unternehmer in der Jahressteuererklärung berechnete Steuer; dies kann im neuen Recht auch darin seinen Ausdruck finden, daß das FA eine betragsmäßig geringere negative Steuerzahlungsschuld festsetzt als der Unternehmer berechnet hat. Ist dies der Fall, so trifft den Unternehmer insoweit eine Nachentrichtungspflicht aus § 18 Abs. 4 Satz 3 UStG 1967. Beruht sie darauf, daß das FA Vorsteuerbeträge nicht für abzugsfähig hält, die im Rahmen des Umsatzsteuervoranmeldungsverfahrens als abzugsfähig behandelt wurden, so kann dies - wie im vorliegenden Fall - im Ergebnis dazu führen, daß gemäß § 18 Abs. 2 Satz 5 UStG 1967 ausgezahlte Überschüsse zurückgezahlt werden müssen. Ein erstmaliger Steuerbescheid, der eine solche - sich aus der Vorläufigkeit des Umsatzsteuervoranmeldungsverfahrens ergebende - Nachentrichtungsverpflichtung auslöst, ist jedenfalls in Höhe des Unterschiedsbetrages im Sinne des § 18 Abs. 4 Satz 3 UStG 1967 einer Aussetzung der Vollziehung zugänglich.

2. Der danach statthaft gestellte Antrag der Klägerin auf Aussetzung der Vollziehung des Umsatzsteuerbescheides 1971 ist jedoch der Sache nach nicht begründet. Der Senat hat durch Urteil vom 18. Dezember 1975 V R 131/73 (BFHE 117, 501, BStBl II 1976, 265) für einen gleichgelagerten Fall entschieden, daß in der Ausgabe von KG-Anteilen eine nach § 4 Nr. 8 UStG 1967 steuerfreie Leistung zu sehen sei, woraus folge, daß die auf den Werbeprovisionen ruhende Umsatzsteuer bei der KG nicht als Vorsteuerbetrag abziehbar ist (§ 15 Abs. 2 UStG 1967). Bei dieser Sachlage sind im vorliegenden Fall ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Steuerbescheids nicht erkennbar.

3. Der Senat sieht sich jedoch nicht in der Lage, dieser Erkenntnis im vorliegenden Verfahren Rechnung zu tragen. Die Beteiligten des Verfahrens sind bisher übereinstimmend davon ausgegangen, daß eine Aussetzung der Vollziehung des angefochtenen Umsatzsteuerbescheides 1971 gerechtfertigt sei. Sie streiten lediglich über die Rechtmäßigkeit der Anordnung von Sicherheitsleistungen. Das FA hält infolgedessen die Entscheidung der Vorinstanz, die auf Aussetzung der Vollziehung gegen Sicherheitsleistung lautet, für zutreffend; es hat deshalb gegen diese Entscheidung keine Beschwerde eingelegt, sondern sich auf den Antrag beschränkt, die Beschwerde der Klägerin zurückzuweisen. Bei dieser Sachlage kann der BFH als Beschwerdegericht keine Änderung der Vorentscheidung vornehmen, die diese zum Nachteil der Klägerin ändern würde (Beschluß vom 4. Juli 1969 III B 6/69, BFHE 96, 337, BStBl II 1969, 657). Eine solche Änderungsbefugnis steht nach § 69 Abs. 3 Satz 5 FGO nur dem Gericht zu, das den Aussetzungsbeschluß erlassen hat, sofern der Rechtsstreit in der Hauptsache bei ihm noch anhängig ist. Wegen des Senatsurteils V R 131/73 wird die Vorinstanz von Amts wegen oder auf Antrag des FA zu prüfen haben, ob die angeordnete Aussetzung der Vollziehung aufrechterhalten bleiben kann.

4. Eine Aufhebung der Anordnung über die Beibringung einer Sicherheitsleistung, wie sie die Klägerin mit ihrer Beschwerde erstrebt, kann nicht in Betracht kommen. Die Klägerin wendet sich gegen diese Entscheidung der Vorinstanz, die mit einer Gefährdung des Abgabenanspruchs begründet ist und eine rechtsfehlerhafte Beurteilung nicht erkennen läßt, allein mit dem Hinweis auf den Senatsbeschluß vom 22. Dezember 1969 V B 115-116/69 (BFHE 97, 240, BStBl II 1970, 127). Auf diese Entscheidung, die letztlich durch erhebliche Zweifel an der Rechtsgültigkeit einer Verordnung ausgelöst wurde, kann sich die Klägerin schon deshalb nicht berufen, weil ein für sie günstiger Prozeßausgang weder gewiß noch sehr wahrscheinlich ist. Es bedarf daher keines Eingehens auf die Frage, ob der Klägerin in diesem Verfahren - und zwar in Ansehung einer durch die Entwicklung überholten Aussetzung der Vollziehung - bezüglich einer Nebenfolge überhaupt noch etwas zugesprochen werden könnte.

 

Fundstellen

BStBl II 1976, 435

BFHE 1976, 149

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