Entscheidungsstichwort (Thema)

Abzugsverbot für Adoptionskosten

 

Leitsatz (NV)

Die Fragen, ob Ehegatten untereinander sittlich verpflichtet sind, ihren Kinderwunsch durch Adoption zu erfüllen, und ob das Abzugsverbot für Adoptionskosten im Hinblick auf die Abziehbarkeit von Entbindungskosten den Gleichheitsgrundsatz verletzt, sind nicht von grundsätzlicher Bedeutung.

 

Normenkette

GG Art. 3 Abs. 1; EStG 1985 § 33; FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3

 

Verfahrensgang

Niedersächsisches FG

 

Tatbestand

Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger), zur Einkommensteuer zusammenveranlagte Eheleute, beantragten in ihrer Einkommensteuererklärung 1985, die ihnen durch die Adoption eines koreanischen Kindes entstandenen Aufwendungen von 14 800 DM als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen. Es handelte sich um Reisekosten der Kläger und sonstige Auslagen für Übersetzungsarbeiten und Telefonate; die Flugkosten für das Kind wurden zum Abzug zugelassen, blieben aber unter der zumutbaren Belastung.

Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt - FA -) versagte den Abzug der Aufwendungen als außergewöhnliche Belastungen wegen fehlender Zwangsläufigkeit.

Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) lehnte eine zwischen den Klägern bestehende sittliche Verpflichtung zur Adoption eines Kindes ab; der Wunsch nach Kindern führe bei kinderlosen Ehepaaren nicht zu einer auf Adoption gerichteten Sittenpflicht eines Ehegatten dem anderen gegenüber.

Das FG hat die Revision gegen seine Entscheidung nicht zugelassen und der dagegen gerichteten Beschwerde nicht abgeholfen.

Mit ihrer Beschwerde machen die Kläger geltend, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung, denn es würden wesentliche neue Gesichtspunkte gegen die bisherige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) vorgetragen, so daß von einer erneuten Entscheidung des BFH eine weitere Klärung zu erwarten sei. In den bisher zu Adoptionskosten ergangenen Entscheidungen des BFH seien zwei wesentliche Gesichtspunkte nicht behandelt worden: Einmal sei bislang die Frage einer sittlichen Verpflichtung der Ehegatten untereinander nicht gewürdigt worden und zum anderen verstoße es gegen den Gleichheitsgrundsatz, daß Entbindungskosten abziehbar seien, Adoptionskosten aber nicht berücksichtigt würden.

Die Kläger beantragen, die Revision zuzulassen.

Das FA beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung sind im Streitfall nicht gegeben.

1. Der Senat kann offenlassen, ob die Kläger die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache in einer den Anforderungen des § 115 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) entsprechenden Weise dargelegt haben. Dazu hätten die Kläger ausführen müssen, daß nach ihrer Auffassung die Entscheidung des BFH aus Gründen der Rechtssicherheit, der Rechtseinheitlichkeit oder der Rechtsentwicklung im allgemeinen Interesse liegt (vgl. z. B. Beschluß des BFH vom 27. Juni 1985 I B 27/85, BFHE 144, 137, BStBl II 1985, 625). Die Kläger haben weder ausgeführt, ob und in welchem Umfang die von ihnen angesprochene Rechtsfrage umstritten ist (vgl. Herrmann, Die Zulassung der Revision und die Nichtzulassungsbeschwerde im Steuerprozeß, Rdnr. 153), noch haben sie das allgemeine Interesse an der Klärung dieser Frage über den entschiedenen Einzelfall hinaus dargelegt.

2. Die Beschwerde ist jedenfalls unbegründet.

Ein im allgemeinen Interesse liegendes Bedürfnis nach Klärung einer Rechtsfrage ist gegeben, wenn sich diese Frage nicht ohne weiteres aus dem Gesetz beantworten läßt, eine höchstrichterliche Entscheidung zu dieser Frage noch nicht vorliegt und hinsichtlich ihrer Beantwortung eine Unsicherheit besteht (vgl. Gräber / Ruban, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl., § 115 Anm. 9).

a) Die Kläger sind der Auffassung, der Frage, ob Ehegatten untereinander sittlich verpflichtet seien, ihren Kinderwunsch durch Adoption zu erfüllen, komme grundsätzliche Bedeutung zu. Der Senat hat die Frage, wann eine Zwangsläufigkeit aus sittlichen Gründen i. S. des § 33 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) anzunehmen ist, indessen mehrfach entschieden (Urteile vom 27. Februar 1987 III R 209/81, BFHE 149, 240, BStBl II 1987, 432; vom 3. Juni 1987 III R 141/86, BFHE 150, 424, BStBl II 1987, 779, und vom 24. Juli 1987 III R 208/82, BFHE 150, 351, BStBl II 1987, 715) und die dabei entwickelten Grundsätze auch auf die Fälle der Adoption fremdländischer Kinder angewandt (Urteile vom 13. März 1987 III R 301/84, BFHE 149, 245, BStBl II 1987, 495; vom 20. März 1987 III R 150/86, BFHE 149, 539, BStBl II 1987, 596, und vom 3. Juni 1987 III R 6/87, BFH / NV 1987, 710).

b) Es ist den Klägern zwar zuzugeben, daß der Senat die Frage, ob kinderlose Ehegatten untereinander eine sittliche Verpflichtung zur Adoption eines Kindes trifft, ausdrücklich noch nicht entschieden hat; diese Frage läßt sich jedoch ohne weiteres aus den allgemeinen, zur Zwangsläufigkeit aus sittlichen Gründen entwickelten Grundsätzen der Rechtsprechung beantworten und verneinen.

Im übrigen hat sich der Senat in seinem Urteil in BFHE 149, 539, BStBl II 1987, 596 mit Nachdruck gegen eine einseitige, nur die Interessen der Adoptiveltern berücksichtigende Sicht des Adoptionsvorgangs ausgesprochen und ausgeführt, bei der Auslegung des § 33 EStG sei das Grundrecht auf Unantastbarkeit der Menschenwürde zu beachten; dies aber verbiete es, das Adoptivkind zum Objekt, zu einem bloßen Mittel herabzuwürdigen. Diese Erwägungen treffen in gleichem Maße auf die Kläger zu, soweit sie der Auffassung sind, durch den Kinderwunsch eines Ehegatten werde der andere Ehegatte einem derartigen Zwang ausgesetzt, daß die Ehe gefährdet werde und nur noch das Mittel der Adoption helfe. Entgegen dieser Auffassung stellt die Ablehnung eines solchen Adoptionswunsches auch keine Eheverfehlung dar, die den Bestand einer Ehe gefährden könnte, denn eine kinderlos bleibende Ehe ist nicht minderwertig (Wacke in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, § 1353 Anm. 31). Zwar ist es im Ehe- und Familienrecht umstritten, ob die Kinderzeugung eine Rechtspflicht der Ehegatten ist (Wacke, a.a.O., m. w. N.); selbst wenn man jedoch von einer solchen Rechtspflicht ausginge, folgt daraus noch nicht, daß im Falle der Unmöglichkeit von Zeugung oder Empfängnis eine Rechts- oder Sittenpflicht zur Adoption besteht. Denn ebenso wie das moderne Eherecht auf ein gesetzliches Eheleitbild verzichtet hat (vgl. auch Gernhuber, Lehrbuch des Familienrechts, 3. Aufl., 1980 S. 181), wird die kinderlose Ehe auch in der Gesellschaft nicht abgelehnt. Versagt sich daher ein Ehegatte dem Kinderwunsch des anderen, so hat dies nicht die gesellschaftliche Mißachtung zur Folge. Eine Sittenpflicht zur Adoption kann daraus nicht hergeleitet werden.

3. Soweit sich die Kläger auf eine Verletzung des Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes) berufen und darauf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache stützen, ist die Beschwerde ebenfalls unbegründet. In seinem Urteil in BFHE 149, 245, BStBl II 1987, 495 hat der erkennende Senat bereits die Unterschiede zwischen der steuerlichen Behandlung von Entbindungskosten und Adoptionskosten herausgestellt. Da danach die Zwangsläufigkeit aus tatsächlichen Gründen von anderen Voraussetzungen als die Zwangsläufigkeit aus sittlichen Gründen abhängt, folgt bereits aus dieser Entscheidung, daß ein Gleichheitsverstoß nicht vorliegen kann; auch insoweit ist eine Klärung durch eine erneute Entscheidung des BFH nicht zu erwarten.

 

Fundstellen

Haufe-Index 416858

BFH/NV 1990, 430

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