Entscheidungsstichwort (Thema)

Nichterscheinen in der mündlichen Verhandlung und Sachaufklärungsrüge

 

Leitsatz (NV)

Wer zur mündlichen Verhandlung trotz ordnungsgemäßer Ladung unentschuldigt nicht erscheint, kann anschließend regelmäßig die Verletzung der Sachaufklärungspflicht des Gerichts im Sinne des § 76 Abs. 2 FGO nicht mehr rügen (ständige Rechtsprechung).

 

Normenkette

FGO §§ 66, 76 Abs. 2, §§ 90, 92, 115 Abs. 2 Nr. 3, § 116 Abs. 3 S. 3, Abs. 5 S. 2, § 155

 

Verfahrensgang

FG Köln (Urteil vom 09.09.2005; Aktenzeichen 5 K 2740/02)

 

Tatbestand

I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) ist Rechtsanwalt. Aufgrund erheblicher Steuernachforderungen und vergeblicher Vollstreckungsversuche erwirkte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) einen Durchsuchungsbeschluss für die Kanzleiräume wegen vollstreckbarer Ansprüche in Höhe von 74 899,76 DM zuzüglich Säumniszuschlägen und Kosten. Der Kläger wendete die Durchsuchung am 13. März 2002 ab, indem er dem Vollziehungsbeamten den im Durchsuchungsbeschluss ausgewiesenen Betrag in Euro bar übergab. Am 15. März 2002 erhob der Kläger gegen die Zwangsvollstreckungsmaßnahme vom 13. März 2002 Anfechtungsklage (Az. 5 K 1415/02) und unter dem 21. März 2002 Einspruch, den das FA unter dem 19. April 2002 als unzulässig verwarf.

Gegen diese Einspruchsentscheidung erhob der Kläger am 21. Mai 2002 ausdrücklich Klage mit dem Antrag, "das Zwangsvollstreckungsverfahren vom 13.03.2002 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 19.04.2002 … aufzuheben" (Az. 5 K 2740/02). Das Finanzgericht (FG) wies den Kläger u.a. darauf hin, dass dieses Verfahren unzulässig sei, weil der Streitgegenstand identisch sei mit dem des Verfahrens 5 K 1415/02 und in derselben Sache nicht zweimal Klage erhoben werden könne.

Zu dem auf Antrag des Klägers verlegten Termin zur mündlichen Verhandlung, auf dessen Durchführung trotz erneuten Verlegungsantrags der Kläger schriftlich ausdrücklich hingewiesen worden ist, ist der Kläger nicht erschienen. Dem Verhandlungsprotokoll ist zu entnehmen, dass mit dem Vertreter des FA die Unzulässigkeit der Klage wegen doppelter Rechtshängigkeit erörtert worden ist.

Das FG hat die --im Hinblick auf die von einem Rechtsanwalt gewählte Formulierung im Schriftsatz vom 21. Mai 2002 eindeutig erhobene-- Klage wegen doppelter Rechtshängigkeit abgewiesen. Einem Aussetzungsantrag des Klägers wegen einer Verfassungsbeschwerde gegen ein weiteres Urteil des FG und dazu ergangener Beschlüsse des Bundesfinanzhofs (BFH) entsprach es u.a. wegen der Unzulässigkeit der vorliegenden Klage und der fehlenden Zustimmung des FA nicht.

Mit der Nichtzulassungsbeschwerde rügt der Kläger einen Verstoß gegen § 66 und §§ 90, 92, 93, 155 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 137 der Zivilprozessordnung als Verfahrensmangel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO, weil das FG das Verfahren 5 K 1415/02 nicht zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht habe. Nur durch die Beiziehung der Akten hätte sich aufgrund einer Erörterung auch dem erstinstanzlichen Gericht offenbart, dass keine anderweitige Rechtshängigkeit existiere.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Beschwerde ist unzulässig. Der Kläger hat den behaupteten Verfahrensmangel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) nicht in der nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO gebotenen Weise dargelegt. Das Vorbringen ist nicht schlüssig.

1. Der Senat hat wiederholt entschieden, dass derjenige, der zur mündlichen Verhandlung trotz ordnungsgemäßer Ladung unentschuldigt nicht erscheint, regelmäßig anschließend nicht die Verletzung der Sachaufklärungspflicht i.S. des § 76 Abs. 2 FGO rügen kann (Senatsbeschluss vom 2. März 2005 VII B 142/04, BFH/NV 2005, 1576, m.w.N.). So verhält es sich im Streitfall. Der Kläger bringt selbst vor, dass sich dem FG "aufgrund einer Erörterung … offenbart" hätte, dass "keine anderweitige Rechtshängigkeit existiert". Einer solchen Erörterung hat sich der Kläger indes entzogen, in dem er nicht an der mündlichen Verhandlung vor dem FG teilnahm.

2. Im Übrigen geht der Einwand, das FG habe das Verfahren 5 K 1415/02 nicht zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht, offensichtlich fehl. Dem Protokoll der mündlichen Verhandlung ist zu entnehmen, dass mit dem Vertreter des FA die doppelte Rechtshängigkeit erörtert worden ist. Außerdem hatte das FG den Kläger mit Verfügung vom 31. Mai 2005 ausdrücklich unter Bezeichnung des Verfahrens 5 K 1415/02 auf diese Problematik hingewiesen.

3. Der Einwand richtet sich im Kern gegen die rechtliche Beurteilung des FG, dass die vorliegende Klage unzulässig sei. Mit Ausführungen zur angeblichen Fehlerhaftigkeit der Entscheidung des FG wird allenfalls ein Korrekturinteresse im Einzelfall dargelegt, das regelmäßig nicht den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO genügt (BFH-Beschlüsse vom 18. März 2004 VII B 53/03, BFH/NV 2004, 978, und vom 26. August 2004 II B 117/03, BFH/NV 2004, 1625, je m.w.N.).

4. Auf Ausführungen zum Einwand der Verfassungswidrigkeit der angefochtenen Entscheidung verzichtet der Senat, zumal der Kläger diese Rüge in keiner Weise substantiiert hat, § 116 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 FGO (BFH-Beschlüsse vom 26. September 2002 VII B 270/01, BFH/NV 2003, 480, und vom 3. April 2001 VI B 224/99, BFH/NV 2001, 1138).

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1587732

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