Entscheidungsstichwort (Thema)

Erweiterung des Prüfungszeitraums einer Außenprüfung

 

Leitsatz (NV)

Im Streit um die Erweiterung einer Außenprüfung über den Zeitraum von 3 Jahren hinaus (§4 Abs. 3 Satz 2 BpO) lassen Rechtsfragen, die auf eine endgültige oder umfassende Klärung der Frage möglicher Mehrsteuern abzielen, keine zur Zulassung der Revision führende grundsätzliche Bedeutung erkennen. Für die Erweiterung einer Außenprüfung genügt eine Prognoseentscheidung.

 

Normenkette

FGO § 115 Abs. 2, 3 S. 3; ZPO § 295; AO 1977 §§ 160, 196; BpO § 4 Abs. 3 S. 2

 

Verfahrensgang

FG Baden-Württemberg

 

Gründe

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision ist unzulässig.

Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) hat weder die behauptete grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --) ausreichend i. S. des §115 Abs. 3 Satz 3 FGO "dargelegt" noch eine Abweichung des erstinstanzlichen Urteils von einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs -- BFH -- (§115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) oder einen Verfahrensmangel (§115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) im erforderlichen Umfang "bezeichnet".

1. Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde auf grundsätzliche Bedeutung gestützt, bedeutet das Erfordernis einer Darlegung nach ständiger Rechtsprechung, daß der Kläger konkret darauf eingehen muß, inwieweit die als grundsätzlich angesehene, im zu entscheidenden Fall klärungsfähige Rechtsfrage im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig und ggf. in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen sie umstritten ist (vgl. BFH-Beschlüsse vom 30. März 1983 I B 9/83, BFHE 138, 152, BStBl II 1983, 479; vom 9. Mai 1995 VIII B 109/94, BFH/NV 1995, 1075, und vom 29. Januar 1996 X B 73/95, BFH/NV 1996, 593). Hat der BFH bereits früher über die strittige Rechtsfrage entschieden, so ist darzulegen, weshalb der Kläger gleichwohl eine erneute Entscheidung des BFH im Interesse der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung für erforderlich hält. Die Beschwerdeschrift muß in solchen Fällen eine eingehende Auseinandersetzung mit der Rechtsfrage enthalten (BFH- Beschlüsse in BFHE 138, 152, BStBl II 1983, 479; vom 27. Mai 1988 V B 82/86, BFH/NV 1989, 179, und vom 16. Mai 1995 III B 119/94, BFH/NV 1996, 9).

Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdeschrift nicht. Die Klägerin hält die Frage für grundsätzlich bedeutend, ob das Verlangen gerechtfertigt ist, den Empfänger von Zahlungen zu benennen (§160 der Abgabenordnung -- AO 1977 --), obwohl der Sachverhalt durch eine Betriebsprüfung für frühere Jahre beanstandungsfrei geklärt worden ist und dies dem Betriebsprüfer bekannt war. Indes läßt die Beschwerdeschrift weder eine grundsätzliche Bedeutung noch die Klärungsfähigkeit im Streitfall erkennen.

Ausführungen zur Klärungsfähigkeit (s. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., §115 Rz. 59) waren erforderlich, da sich der Sachverhalt, von dem die Rechtsfrage ausgeht, aus den für den Senat bindenden Feststellungen des Finanzgerichts -- FG -- (§118 Abs. 2 FGO) nicht ergibt. Das FG hat nicht festgestellt, daß der Sachverhalt durch die frühere Betriebsprüfung umfassend und zweifelsfrei aufgeklärt worden ist. Es hat vielmehr im Urteil ausdrücklich ausgeführt, daß trotz der Ergebnisse der Betriebsprüfung für die Jahre 1980 bis 1983 weiterhin tatsächliche Zweifel verbleiben, die eine erneute Prüfung rechtfertigen. Des weiteren läßt die Beschwerde nicht erkennen, daß es bei der Überprüfung der Ermessensentscheidung über den Umfang der Außenprüfung gemäß §196 AO 1977 auf die detaillierte Klärung von Fragen der Anwendung des §160 AO 1977 ankommen kann. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt) hat die Prüfungsanordnung darauf gestützt, daß mit erheblichen Mehrsteuern zu rechnen ist (§4 Abs. 3 Satz 2 der Betriebsprüfungsordnung). Diese Ermessensabwägung verlangt eine Prognoseentscheidung, nicht aber eine endgültige oder umfassende Aufklärung, ob Mehrsteuern tatsächlich anfallen.

Zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtsfrage fehlen jegliche nähere Ausführungen. Allein der Vortrag, der BFH habe sich mit der Frage bisher nicht befaßt, genügt nicht (ständige Rechtsprechung; z. B. BFH-Beschlüsse vom 10. November 1994 XI B 36/94, BFH/NV 1995, 531, 532, und vom 15. September 1994 V B 181/93, BFH/NV 1995, 978). Auch hat sich die Beschwerde nicht mit der Rechtsprechung des BFH zu dem Grundsatz der Abschnittsbesteuerung auseinandergesetzt, nach dem in jedem Veranlagungsverfahren grundsätzlich ohne Bindung an frühere Veranlagungen zu prüfen und zu entscheiden ist (BFH- Urteil vom 15. Dezember 1988 IV R 36/84, BFHE 155, 538, BStBl II 1989, 363).

2. Die "Bezeichnung" der Abweichung von einer Entscheidung des BFH (§115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) erfordert, daß einander widersprechende abstrakte Rechtssätze aus einer Entscheidung des BFH und der angefochtenen Vorentscheidung gegenübergestellt werden (z. B. BFH-Beschlüsse vom 16. September 1994 V B 14/94, BFH/NV 1995, 525, und vom 22. Januar 1997 X B 128/96, BFH/NV 1997, 371).

Die Klägerin macht zwar geltend, das FG sei von den BFH-Entscheidungen vom 9. Juli 1986 I B 36/86 (BFHE 149, 375, BStBl II 1987, 487) und vom 15. März 1995 I R 46/94 (BFHE 178, 99, BStBl II 1996, 51) abgewichen. Dem Vorbringen kann indessen nicht entnommen werden, welchen Rechtssatz das FG seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat, der mit der angeführten Rechtsprechung des BFH nicht übereinstimmt. Mit der Rüge, das FG hätte bei richtiger Anwendung der BFH-Rechtsprechung zu einem anderen Ergebnis kommen müssen, wird nur in der Art einer Revisionsbegründung die unrichtige Rechtsanwendung im Einzelfall behauptet.

3. Die Beschwerde bezeichnet auch keinen Verfahrensmangel.

Ein Verfahrensmangel kann nicht mehr geltend gemacht werden, wenn der betroffene Beteiligte auf die Befolgung der Verfahrensvorschrift verzichtet oder den Mangel in der nächsten mündlichen Verhandlung nicht gerügt hat (§155 FGO i. V. m. §295 der Zivilprozeßordnung). Dies gilt auch für Anträge auf Erhebung von Beweisen (vgl. Gräber/Ruban, a. a. O., §120 Rz. 40). Zur Begründung der behaupteten Verletzung der Aufklärungspflicht hätte die durch einen sachkundigen Prozeßvertreter in der mündlichen Verhandlung vertretene Klägerin daher vortragen müssen, warum sie nicht von sich aus in der mündlichen Verhandlung einen entsprechenden Antrag auf Beiziehung der Akten gestellt hat. Die Beschwerde trägt dazu nichts vor. Auch aus dem Sitzungsprotokoll des FG über die mündliche Verhandlung ergibt sich weder, daß die Frage der Aktenbeiziehung erörtert noch daß ein entsprechender Antrag gestellt worden ist.

Im übrigen wird gemäß Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs von einer Begründung abgesehen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 66395

BFH/NV 1998, 192

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