Entscheidungsstichwort (Thema)

Unbeschränkte Zulassung der Revision; Anforderungen an die Feststellung der Besteuerungsgrundlagen (hier: Vorliegen von steuerpflichtigen Leistungen)

 

Leitsatz (NV)

1. Die im Tenor des Finanzgerichtsurteils ohne jede Einschränkung ausgesprochene Zulassung der Revision ist nicht auf das Streitjahr beschränkt, auf das sich die Zulassungsgründe beziehen.

2. Aus einer überhöhten Gegenleistung für eine (steuerfreie) Bürgschaftsübernahme kann nicht ohne weiteres auf eine zweite (steuerpflichtige) Leistung geschlossen werden.

 

Normenkette

FGO § 115 Abs. 1; UStG 1973 § 1 Abs. 1 Nr. 1

 

Verfahrensgang

FG Köln

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) war in den Streitjahren (1973 und 1974) Komplementärin der X GmbH & Co. KG (im folgenden: KG). Durch Ausscheiden des Kommanditisten zum 31. Dezember 1979 ist die Klägerin Gesamtrechtsnachfolgerin der KG geworden.

Die KG gehörte der Y-Gruppe an. Gegenstand ihres Unternehmens war der Vertrieb von Gesellschaftsanteilen, die Konzeptionsberatung im Zusammenhang mit der Planung und dem Absatz von Objekten sowie die Übernahme von Verwaltungen, Finanzierungsvermittlung und die Übernahme von Vermietungsgarantien und Bürgschaften für Bauherrengemeinschaften.

Derartige Vermietungsgarantien und Bürgschaften übernahm sie auch in den Streitjahren (1973 und 1974), die Vermietungsgarantien allerdings nur im Streitjahr 1974.

Die KG verpflichtete sich den Bauherren, für deren Schulden gegenüber der die Zwischenfinanzierungsmittel zur Verfügung stellenden Bank die selbstschuldnerische Bürgschaft zu übernehmen. Als Entgelt wurde eine Bürgschaftsprovision in Höhe von 3% des Zwischenfinanzierungsvolumens vereinbart.

Aufgrund von Außenprüfungen kam der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) zu der Überzeugung, daß mit den vereinbarten Bürgschaftsprovisionen auch andere Leistungen der KG abgegolten worden seien. Bei einer Besprechung am 11.April 1978, in der es um den Werbungskostenabzug der Bürgschaftsprovisionen für die Ertragsbesteuerung der Bauherren ging, waren nämlich die Finanzverwaltung und die ebenfalls zur Y-Gruppe gehörende Z Aktiengesellschaft (im folgenden: Z) als Vertreterin der Bauherren übereingekommen, daß die Bürgschaftsgebühr mit 0,6% der Zwischenkredite anzusetzen sei. Aufgrund dieser Vereinbarungen ging das FA auch bei der Umsatzsteuerveranlagung der KG davon aus, daß die restlichen Bürgschaftsprovisionen kein Entgelt für die nach § 4 Nr. 8 des Umsatzsteuergesetzes 1973 (UStG 1973) steuerfreie Übernahme von Bürgschaften, sondern das Entgelt für sonstige steuerpflichtige Leistungen seien. Außerdem behandelte es die im Jahre 1974 erbrachten Vermietungsgarantieleistungen als steuerpflichtig (nach § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung - AO 1977 - geänderte Umsatzsteuerbescheide vom 26. Juli 1982).

Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte aus, die Klägerin habe die von der Finanzverwaltung im Einvernehmen mit der Z getroffenen Feststellungen nicht substantiiert bestritten. Es sei heute ausgeschlossen, die damaligen Verhältnisse aufzuklären. Die Leistungen seien auch nicht nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG 1973 steuerfrei, da die Klägerin in keiner Weise an dem grunderwerbsteuerrechtlich relevanten Vorgang der Verschaffung der Verfügungsmacht an den Grundstücken beteiligt gewesen sei.

Das FG ließ die Revision gegen sein Urteil mit der Begründung zu, es bedürfe der höchstricherlichen Klärung, ob die Mietgarantie eine der Bürgschaft ,,ähnliche Sicherheit" i.S. des § 4 Nr. 8 UStG 1973 sei.

Nach Einlegung der Revision hat das FA dem Klagebegehren in diesem Punkt durch nach § 172 AO 1977 geänderten Umsatzsteuerbescheid für 1974 vom 15. Juni 1982 abgeholfen.

Die Klägerin hat diesen Änderungsbescheid gemäß § 68 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zum Gegenstand des Verfahrens gemacht und wendet sich nunmehr nur noch gegen die Besteuerung der Bürgschaftsprovisionen.

Die Klägerin behauptet, sie habe im Zusammenhang mit den hier betroffenen Bauherrenmodellen lediglich Bürgschaften und Vermietungsgarantien übernommen. Andere (steuerpflichtige) Leistungen habe sie in diesem Zusammenhang nicht erbracht. Im übrigen binde die Vereinbarung vom 11.April 1978 nur die Bauherren, um deren Werbungskosten es gegangen sei, und nicht sie (die Klägerin).

Das FA ist der Revision entgegengetreten. Es meint, das FG habe die Revision lediglich wegen der Mietgarantie zugelassen. Da diese nur für das Jahr 1974 streitig gewesen sei, sei die Revision für 1973 gar nicht zugelassen worden. Im übrigen versuche die Klägerin, den Tatbestand des finanzgerichtlichen Urteils anzufechten. Dies sei unzulässig.

 

Entscheidungsgründe

1. Die Revision ist zulässig.

Das FG hat die Revision gegen sein Urteil im Urteilstenor ohne jede Einschränkung zugelassen. Aus den Urteilsgründen ergibt sich zwar, daß die Revision lediglich wegen der steuerlichen Behandlung der Mietgarantien zugelassen wurde; es ist auch richtig, daß diese nur im Streitjahr 1974 eine Rolle spielten. Die Zulassungsgründe können jedoch die im Urteilstenor ausgesprochene unbeschränkte Zulassung der Revision nicht auf nur ein Streitjahr beschränken.

2. Die Revision ist auch begründet.

Der Senat kann aufgrund des vom FG festgestellten Sachverhalts nicht beurteilen, ob die KG im Zusammenhang mit den Zahlungen der Bauherren, um die es hier geht, außer den steuerfreien Mietgarantien und Bürgschaftsübernahmen noch andere Leistungen erbracht hat, die den Tatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1973 erfüllen. Dies gilt auch insoweit, als das FG auf die Verständigung vom 11.April 1978 Bezug genommen hat. Selbst wenn die Bürgschaftsprovisionen außer Verhältnis zum Wert der Bürgschaftsübernahmen standen und insoweit für die Bauherren Anschaffungskosten der Immobilien waren, besagt dies nicht, daß sie zum Teil das Entgelt für steuerpflichtige Leistungen der KG waren (vgl. zur Korrektur der vereinbarten Gegenleistungen bei Bündelung von Verträgen im Rahmen eines Bauherrenmodells Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 10. Februar 1988 X R 16/82, BFHE 153, 150, BStBl II 1988, 640).

Mangels hinreichender Feststellungen war das Urteil aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).

 

Fundstellen

Haufe-Index 418885

BFH/NV 1993, 758

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