Entscheidungsstichwort (Thema)

Ausscheiden des stillen Gesellschafters aus einer atypisch stillen Gesellschaft gegen Abfindung

 

Leitsatz (NV)

1. Die an den ausscheidenden atypisch stillen Gesellschafter geleistete Abfindung ist wie die Abfindung für die Übertragung des Anteils an einer Personengesellschaft mit Gesamthandsvermögen zu behandeln.

2. Die Beendigung einer zweigliedrigen atypisch stillen Gesellschaft während eines Wirtschaftsjahres führt zur Bildung eines Rumpfwirtschaftsjahres.

 

Normenkette

EStG § 4a Abs. 2 Nr. 2, § 15 Abs. 1 Nr. 2, § 16 Abs. 1 Nr. 2

 

Verfahrensgang

FG Baden-Württemberg

 

Gründe

Die Beschwerde der Klägerinnen und Beschwerdeführerinnen (Klägerinnen) ist nicht begründet.

1. Das Urteil des Finanzgerichts weicht nicht von der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ab.

Es trifft zwar zu, daß der Senat in seinem Urteil vom 12. November 1985 VIII R 364/83 (BFHE 145, 408, BStBl II 1986, 311) die Ansicht vertreten hat, daß eine gewerblich tätige atypisch stille Gesellschaft nicht selbständiges "Subjekt der Gewinnerzielung, Gewinnermittlung und Einkünftequalifikation" sei; er hat diese Ansicht jedoch inzwischen aufgegeben (BFH-Urteil vom 26. November 1996 VIII R 42/94, Deutsches Steuerrecht 1997, 815). Eine Abweichung vom Urteil des Senats vom 28. November 1989 VIII R 40/84 (BFHE 159, 410, BStBl II 1990, 561) liegt nicht vor. Die Entscheidung betrifft die Fortführung einer mehrgliedrigen Gesellschaft bürgerlichen Rechts als atypisch stille Gesellschaft, also die Fortsetzung der bisherigen Mitunternehmerschaft in anderer Rechtsform. Die Identität der Mitunternehmerschaft blieb in diesem Fall also erhalten. Bei der Beendigung einer zweigliedrigen atypisch stillen Gesellschaft -- wie sie im Streitfall vorliegt -- ist dies nicht der Fall; mit ihrer gesellschaftsrechtlichen Auflösung endet die atypisch stille Gesellschaft auch als "Subjekt der Gewinnerzielung, Gewinnermittlung und Einkünftequalifikation" (s. unter 2. b der Gründe).

2. Die Rechtsfragen

-- ob die an den ausscheidenden atypisch stillen Gesellschafter geleistete Abfindung wie die Abfindung für die Übertragung des Anteils an einer Gesellschaft mit Gesamthandsvermögen zu behandeln ist und

ob die Beendigung einer zweigliedrigen atypisch stillen Gesellschaft während eines (abweichenden) Wirtschaftsjahres zu einem Rumpfwirtschaftsjahr führt

haben keine grundsätzliche Bedeutung mehr. Sie können ohne weiteres aufgrund der nunmehr vorliegenden Rechtsprechung zur Auslegung des § 15 Abs. 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) beantwortet werden.

a) Danach ist die erste Frage nach den allgemeinen Grundsätzen zur Geschäftsübernahme durch einen Gesellschafter bei zwei gliedrigen Personengesellschaften mit Gesamthandsvermögen zu beurteilen (dazu grundlegend BFH-Urteil vom 24. Mai 1973 IV R 64/70, BFHE 109, 438, BStBl II 1973, 655, und die weiteren Rechtsprechungsnachweise bei Reiß in Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, § 16 Rdnrn. C 98 und C 103 ff., sowie BFH-Urteil vom 15. April 1993 IV R 66/92, BFHE 171, 440, BStBl II 1994, 227; Schmidt, Einkommensteuergesetz, 15. Aufl., § 16 Rdnr. 412). Rechtlich liegt in der Anwachsung des Gesellschaftsanteils beim verbleibenden Gesellschafter eine Veräußerung des Mitunternehmeranteils. Was unter dem "Anteil eines Gesellschafters" i. S. von § 16 Abs. 1 Nr. 2 EStG zu verstehen ist, ergibt sich aus § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG (vgl. den dortigen Klammerzusatz). Werden von dieser Vorschrift auch Innengesellschaften ohne Gesamthandsvermögen erfaßt, dann ist auch der Begriff des Gesellschaftsanteils entsprechend auszulegen. Er umfaßt deshalb bei der atypisch stillen Gesellschaft auch den schuldrechtlichen Anspruch auf Rückzahlung der stillen Einlage und auf Teilhabe an den stillen Reserven und am Geschäftswert des Gewerbebetriebs des tätigen Gesellschafters (so u. a. auch Hörger in Littmann/Bitz/Hellwig, Das Einkommensteuerrecht, 15. Aufl., § 16 EStG Rdnr. 145; Reiß in Kirchhof/Söhn, a. a. O., § 16 Rz. C 69; Schmidt, a. a. O., § 15 Rz. 420, 421).

b) Die zweite Frage ist nach den Grundsätzen der BFH-Urteile vom 10. Februar 1989 III R 11/86 (BFHE 156, 315, BStBl II 1989, 519, und vom 14. Oktober 1987 I R 381/83, BFH/NV 1989, 141) zu beurteilen. Mit der Anwachsung des Anteils des ausgeschiedenen stillen Gesellschafters beim verbleibenden Gesellschafter erlischt bei einer zwei gliedrigen atypisch stillen Gesellschaft notwendigerweise auch die Gesellschaft selbst (vgl. -- allgemein für zweigliedrige Personengesellschaften -- BFH-Urteil vom 30. März 1978 IV R 72/74, BFHE 125, 116, BStBl II 1978, 503). Eine Liquidation findet nicht statt (dazu -- für atypisch stille Gesellschafter -- BFH-Urteil vom 2. Mai 1984 VIII R 276/81, BFHE 141, 498, BStBl II 1984, 820, unter I. der Gründe, m. w. N.). Die Beendigung der atypisch stillen Gesellschaft während eines laufenden Wirtschaftsjahres und die Fortführung des Unternehmens durch den verbleibenden Gesellschafter als Einzelunternehmer hat die Bildung eines Rumpfwirtschaftsjahres zur Folge (BFH-Urteil in BFHE 156, 315, BStBl II 1989, 519; Heinicke in Schmidt, a. a. O., § 4 a Rz. 10; Weber-Grellet in Kirchhof/Söhn, a. a. O., § 4 a Rdnr. A 55). Endet ein Wirtschaftsjahr und ein Rumpfwirtschaftsjahr in einem Kalenderjahr, sind die Ergebnisse beider Jahre zusammenzurechnen (§ 4 a Abs. 2 Nr. 2 EStG und dazu BFH-Urteil in BFH/NV 1989, 141).

3. Einer weiteren Begründung bedarf der Beschluß nicht (Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs).

 

Fundstellen

Haufe-Index 422338

BFH/NV 1997, 838

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