Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur ordnungsgemäßen Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung und des Verfahrensmangels mangelnder Sachaufklärung bei einer NZB; keine Nachholung einer bei Ablauf der Beschwerdefrist fehlenden ordnungsgemäßen Darlegung von Zulassungsgründen

 

Leitsatz (NV)

1. Zur ordnungsgemäßen Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache gehören Angaben darüber, ob zu der strittigen Rechtsfrage etwa im Schrifttum oder in der Rechtsprechung unterschiedliche Auffassungen vertreten werden.

2. Eine Verfahrensrüge mangelnder Sachaufklärung wird nur ordnungsgemäß erhoben, wenn genau angegeben wird (mündliche Verhandlung oder Datum des Schriftsatzes), wo Tatsachen vorgetragen worden sind, denen das FG auch ohne Beweisantritt hätte nachgehen müssen. Außerdem ist eine genaue Angabe der Beweismittel erforderlich, die das FG hätte erheben müssen.

3. Nach Ablauf der Frist für die Nichtzu lassungsbeschwerde sind nur noch Erläu terungen und Vervollständigungen von solchen Zulassungsgründen möglich, die innerhalb der Frist mit einem Mindestmaß der Anforderungen an eine ordnungsgemäße Darlegung geltend gemacht woden sind.

 

Normenkette

FGO § 115 Abs. 3 S. 3

 

Tatbestand

Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) beantragte für das Streitjahr (1990) Investitionszulage u. a. für vermietete Telekommunikationsanlagen. Die Telekommunikationsanlagen hatte die Klägerin in ihrer Bilanz für 1990 als Anlagevermögen ausgewiesen.

Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt -- FA --) lehnte die Gewährung von Investitionszulage u. a. für die Telekommunikationsanlagen ab. Die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage blieb erfolglos.

Zur Begründung führte das Finanzgericht (FG) hinsichtlich der Telekommunikationsanlagen aus, daß die Investitionszulage für angeschaffte oder hergestellte Wirtschaftsgüter bei Auseinanderfallen von bürgerlich- rechtlichem Eigentum und wirtschaftlichem Eigentum dem Investor zustehe, der wirtschaftliches Eigentum an den Wirtschaftsgütern erworben habe. Im Streitfall seien die Mieter der Telekommunikationsanlagen wirtschaftliche Eigentümer geworden. Dies ergebe sich daraus, daß die für beide Vertragspartner unkündbare Mietdauer so bemessen sei, daß nach deren Ablauf die Telekommunikationsanlagen technisch oder wirtschaftlich abgenutzt seien. Die Mietverträge erstreckten sich nämlich auf das bei der Betriebsbereitschaft der Anlage laufende Kalenderjahr und die sich anschließenden zehn Kalenderjahre als Mindestvertragsdauer. Während der Vertragsdauer seien alle wesentlichen Leistungen für die Wartung und den Ersatz der durch natürlichen Verschleiß unbrauchbar gewordenen Kleinteile von den Mietern selbst zu tragen. Die Mieter seien auch verpflichtet, die Betriebsbereitschaft der jeweiligen Anlage auf eigene Kosten wieder herzustellen, falls diese vor Ablauf der Mindestvertragsdauer technisch abgenutzt sein sollte. Die amtlichen Tabellen der Absetzung für Abnutzung (AfA) des Bundesministers der Finanzen (BMF) gingen davon aus, daß Telekommunikationsanlagen, wie sie die Klägerin vermietet habe, nach spätestens zehn Jahren abgeschrieben seien. Daraus folge die Vermutung, daß diese Anlagen nach diesem Zeitraum auch technisch und wirtschaftlich verbraucht seien. Die Klägerin habe nichts vorgetragen, was im Streitfall zur Annahme einer längeren als zehnjährigen betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer der Anlagen berechtige. Sie sei vielmehr selbst in ihrer Handelsbilanz von einer durchschnittlichen Nutzungsdauer von zehn Jahren ausgegangen. Die Mieter übten daher die tatsächliche Herrschaft über die Telekommunikationsanlagen in einer Weise aus, daß sie die Klägerin im Regelfall für die gewöhnliche Nutzungsdauer von der Einwirkung auf das Wirtschaftsgut wirtschaftlich ausschließen könnten.

Das FG ließ die Revision nicht zu.

Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin. In der Beschwerdeschrift wurde keine Begründung abgegeben, sondern für einen späteren Zeitpunkt angekündigt. Es ging dann aber keine Begründung beim FG in der Beschwerdefrist ein.

Nachdem der Vorsitzende des erkennenden Senats die Prozeßbevollmächtigten der Klägerin auf die fehlende Begründung hingewiesen hatte, teilt einer der Prozeßbevollmächtigten mit, daß einer seiner Partner die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde rechtzeitig innerhalb der Frist beim FG eingereicht habe. Der Nachweis könne durch das Postausgangsbuch geführt werden, das auf Wunsch des Senats vorgelegt werden könne. Der Prozeßbevollmächtigte fügte diesem Schriftsatz eine Kopie der Begründung bei, die nach seiner Behauptung rechtzeitig an das FG abgesandt worden ist.

Die Klägerin beantragt durch ihre Prozeßbevollmächtigten, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Frist für die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde zu gewähren.

Zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde berufen sich die Prozeßbevollmächtigten in dem in Abdruck vorgelegten Schriftsatz, der nach ihrer Behauptung innerhalb der Frist für die Einlegung und Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde beim FG eingereicht worden ist, auf grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache und auf den Verfahrensfehler der mangelnden Sachaufklärung durch das FG. Das FG habe aus den amtlichen AfA-Tabellen keine Vermutung herleiten dürfen, daß die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer der Telekommunikationsanlagen nicht länger als zehn Jahre betrage. Bei den AfA-Tabellen gehe es nur um Schätzungswerte, die im Streitfall nicht zutreffend seien. Aus der Tatsache, daß in der Handelsbilanz entsprechend den amtlichen AfA-Tabellen eine durchschnittliche Nutzungsdauer von zehn Jahren angesetzt worden sei und auch ertragsteuerlich die Abschreibung auf diese Nutzungsdauer in Anspruch genommen werde, ergebe sich keine Selbstbindung in der Weise, daß auch bei der Investitionszulage von dieser Nutzungsdauer auszugehen sei. Eine entsprechende gesetzliche Grundlage sei nicht zu erkennen. Das FG habe daher eigene Ermittlungen darüber anstellen müssen, ob die tatsächliche betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer im Streitfall über den Schätzungswerten der AfA-Tabellen liege, wie es von der Klägerin im Klageverfahren dezidiert vorgetragen sei.

Die Klägerin beantragt, die Revision zuzulassen.

Das FA beantragt, die Nichtzulassungsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen.

 

Entscheidungsgründe

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig.

1. Der Senat kann offenlassen, ob dies schon daraus folgt, daß innerhalb der Beschwerdefrist keine Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde beim FG eingegangen ist. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist schon aus anderen Gründen unzulässig, unabhängig davon, ob der Klägerin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand für die Fristversäumung zu gewähren wäre. Unerheblich ist daher auch, ob die Beifügung eines Abdrucks der angeblich rechtzeitig bei Gericht eingereichten Beschwerdebegründung den Anforderungen des § 56 Abs. 2 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) an die Nachholung der versäumten Rechtshandlung innerhalb der Frist für die Wiedereinsetzung genügt.

2. Nach § 115 Abs. 2 FGO ist die Revision nur zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder das Urteil von einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder bei einem geltend gemachten Verfahrensmangel die angefochtene Entscheidung auf dem Verfahrensmangel beruhen kann. Diese Gründe für die Zulassung der Revision sind nach § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO in der Beschwerdeschrift darzulegen.

Diesen Anforderungen wird der dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in Abdruck beigefügte Schriftsatz der Prozeßbevollmächtigten der Klägerin nicht gerecht. Die Prozeßbevollmächtigten berufen sich in diesem Schriftsatz nur formal auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache und auf den Verfahrensfehler der mangelnden Sachaufklärung durch das FG. Diese Zulassungsgründe werden aber nicht ordnungsgemäß dargelegt.

a) Die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung erfordert, daß der jeweilige Beschwerdeführer konkret auf die Rechtsfrage und ihre Bedeutung für die Allgemeinheit eingeht (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., § 115 Rdnr. 61, mit ausführlichen Rechtsprechungsnachweisen). Dazu muß der Beschwerdeführer auf die Bedeutung der Rechtsfragen -- über den Einzelfall hinaus -- für die Rechtsklarheit, die Rechtseinheitlichkeit und/oder die Rechtsentwicklung eingehen (vgl. z. B. BFH-Beschluß vom 27. Juni 1985 I B 27/85, BFHE 144, 137, BStBl II 1985, 625). Es sind Ausführungen darüber erforderlich, inwieweit die geltend gemachte Rechtsfrage von angeblich grundsätzlicher Bedeutung im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig ist und ggf. in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen sie umstritten ist. Diese Anforderungen erfüllt der in Abdruck dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beigefügte Schriftsatz der Prozeßbevollmächtigten der Klägerin nicht. Es fehlen insbesondere jegliche Angaben darüber, ob zu der strittigen Rechtsfrage etwa im Schrifttum oder in der Rechtsprechung (z. B. der FG) unterschiedliche Auffassungen vertreten werden. Die Prozeßbevollmächtigten legen nur ihre von der Auffassung des FG abweichende Rechtsauffassung dar, daß die amtlichen ertragsteuerlichen AfA-Tabellen nicht auf die Ermittlung der Nutzungsdauer eines Wirtschaftsguts im Investitionszulagenrecht übertragbar seien. Damit wird keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung dargelegt.

b) Da die Prozeßbevollmächtigten der Klägerin in ihrem, dem Wiedereinsetzungsantrag beigefügten Schriftsatz nicht rügen, das FG habe einen von ihnen gestellten Beweisantrag übergangen, kann die von ihnen erhobene Rüge mangelnder Sachaufklärung nur so verstanden werden, daß sie geltend machen wollen, das FG habe auch ohne entsprechenden Beweisantritt von Amts wegen den Sachverhalt weiter auf klären müssen. Eine solche Rüge wird nur ordnungsgemäß erhoben, wenn genau angegeben wird (mündliche Verhandlung oder Datum des Schriftsatzes), wo Tat sachen vorgetragen worden sind, denen das FG auch ohne Beweisantritt hätte nachgehen müssen (vgl. Gräber/Ruban, a.a.O., § 120 Rdnr. 40). Im Streitfall wird dagegen nur allgemein ohne genaue Angaben vor getragen, im Klageverfahren sei dezidiert dargelegt worden, daß die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer der Telekommunikationsanlagen deutlich länger als zehn Jahre betrage.

Außerdem ist für die ordnungsgemäße Rüge einer Verletzung der von Amts wegen bestehenden Sachaufklärungspflicht die genaue Angabe der Beweismittel erforderlich, die das FG nicht erhoben hat, deren Erhebung sich ihm aber ohne besonderen Antrag als noch erforderlich hätte aufdrängen müssen (BFH-Beschluß vom 24. Mai 1977 IV R 45/76, BFHE 122, 396, BStBl II 1977, 694). Auch solche Angaben fehlen im Streitfall. Es wird lediglich allgemein geltend gemacht, das FG habe den Sachverhalt weiter aufklären müssen. Ein solcher allgemeiner Hinweis reicht für eine ordnungsgemäße Rüge der Verletzung der Sachaufklärungspflicht nicht aus (Klein/Ruban, Der Zugang zum Bundesfinanzhof, Tz. 172).

c) An der Unzulässigkeit der Nichtzulassungsbeschwerde vermag auch der nachgereichte Schriftsatz der Klägerin vom 1. September 1994 nichts zu ändern. Zwar kann eine rechtzeitig in der Beschwerdefrist abgegebene Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde auch nach Ablauf der Beschwerdefrist erläutert und vervollständigt werden (vgl. Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rdnr. 55). Es sind aber nur noch Erläuterungen und Vervollständigungen von solchen Zulassungsgründen möglich, die rechtzeitig (also innerhalb der Beschwerdefrist) wenigstens mit einem Mindestmaß der Anforderungen an eine ordnungsgemäße Darlegung geltend gemacht worden sind. Diese Voraussetzungen sind nach obigen Ausführungen im Streitfall nicht erfüllt. Eine am Fristende fehlende ordnungsgemäße Darlegung i. S. des § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO kann später nicht mehr mit einer die gesetzliche Form der Begründung wahrenden Wirkung nachgeholt werden (vgl. BFH-Beschluß vom 16. Januar 1989 V B 4/88, BFH/NV 1989, 791).

 

Fundstellen

Haufe-Index 420421

BFH/NV 1995, 980

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