Leitsatz (amtlich)

1. Es ist ernstlich zweifelhaft, ob der Grundsatz der isolierenden Betrachtungsweise durch § 49 Abs. 2 EStG In der Fassung des 2. StÄndG 1973 vom 18. Jull 1974 (BGBl I, 1489, BStBl I, 521) geändert worden ist.

2. Zur beschränkten Steuerpflicht von Vergütungen aus zeitlich begrenzter Überlassung von Im Inland verwerteten Rechten.

 

Normenkette

EStG 1974 § 49 Abs. 1 Nrn. 3, 6, Abs. 2, § 50a Abs. 4-5

 

Verfahrensgang

FG München

 

Tatbestand

Die Antragstellerin und Beschwerdegegnerin (Antragstellerin) -- eine inländische GmbH -- erwarb durch "Urheber- und Verwertungsvertrag" von der ...N.V. im Zusammenhang mit der Verwirklichung des Filmvorhabens"..." sämtliche urheberrechtlichen Nutzungs-, Leistungs- und sonstigen Schutzrechte am Drehbuch. Die übertragenen Rechte umfassen insbesondere die Idee, die einzelnen Drehbuchfassungen und Überarbeitungen sowie die Übersetzungen, in welcher Sprache auch immer. Die N.V. verpflichtete sich, die Antragstellerin von sämtlichen tatsächlichen und vermeintlichen Rechten Dritter am Drehbuch freizuhalten. Die Antragstellerin ist berechtigt, die Rechte ganz oder teilweise Dritten zu übertragen und zur Auswertung zu überlassen. Als Vergütung für die Übertragung der Rechte war ein Betrag von 700 000 US-$ (1 680 000 DM) vereinbart. Der Vertrag wurde "unter der Voraussetzung geschlossen, daß der Produktionsvertrag ... nicht zur Auflösung kommt". Der Vereinbarung liegt deutsches Recht zugrunde.

Der Antragsgegner und Beschwerdeführer (das Finanzamt -- FA --) erließ einen Haftungsbescheid gegen die Antragstellerin über einen Betrag von 420 000 DM. Das FA stützte den Haftungsanspruch auf §§ 49 Abs. 1 Nr. 3, 49 Abs. 2 i. V. m. § 50a Abs. 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Über den Einspruch der Antragstellerin hat das FA bisher noch nicht entschieden.

Nachdem das FA einen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz abgelehnt hatte, begehrte die Antragstellerin beim Finanzgericht (FG), die Vollziehung des Haftungsbescheides auszusetzen. Das FG gab dem Antrag statt.

Das FG, dessen Beschluß in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1982, 351, veröffentlicht ist, hat die Beschwerde zugelassen.

Mit seiner Beschwerde rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts. Das FG habe die Vorschriften des § 49 EStG unzutreffend ausgelegt.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist begründet.

An der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Haftungsbescheides bestehen -- entgegen der Ansicht des FG -- keine ernstlichen Zweifel i. S. von § 69 Abs. 3 i.V. m. Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO).

Zutreffend ist das FG davon ausgegangen, daß eine Inanspruchnahme der Antragstellerin als Haftungsschuldnerin gemäß § 50 a Abs. 4 Satz 1 Buchst. b i.V. m. Abs. 5 und § 73g der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) nur dann in Betracht kommt, wenn die N.V. mit der von der Antragstellerin bezogenen Vergütung der beschränkten Steuerpflicht nach § 49 Abs. 1 EStG i. V. m. § 8 Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes 1977 (KStG 1977) unterliegt.

1. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, daß die Voraussetzungen für eine Steuerpflicht der N.V. nach § 49 Abs. 1 Nr. 2 EStG nicht erfüllt sind.

2. Das FG hat es zu Recht als ernstlich zweifelhaft angesehen, ob eine Steuerpflicht der N.V. hinsichtlich der strittigen Vergütung aus § 49 Abs. 1 Nr. 3 EStG hergeleitet werden kann.

a) Es hat zutreffend darauf hingewiesen, daß ausländische Kapitalgesellschaften bis zum Inkrafttreten des Zweiten Steueränderungsgesetzes 1973 vom 18. Juli 1974 -- 2. StÄndG 1973 -- (BGBl I, 1489) mit Vergütungen, die sie aus der Überlassung von Rechten an inländischen Unternehmen bezogen, nicht nach §§ 6 Abs. 1 KStG, 49 Abs. 1 Nr. 3 EStG beschränkt steuerpflichtig waren (vgl. Entscheidungen des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 4. März 1970 I R 140/66, BFHE 98, 420, BStBl II 1970, 428; vom 16. Dezember 1970 I R 137/68, BFHE 101, 73, BStBl II 1971, 200; vom 7. Juli 1971 I R 41/70, BFHE 103, 153, BStBl II 1971, 771; vom 23. Mai 1973 I R 163/71, BFHE 111, 29, BStBl II 1974, 287, und vom 20. Februar 1974 I R 217/71, BFHE 111, 503, BStBl II 1974, 511).

Das galt nach dieser Rechtsprechung auch bei Anwendung der sog. isolierenden Betrachtungsweise.

b) Ob diese Rechtsprechung -- wie das FA meint -- durch die Regelung des § 49 Abs. 2 i. d. F. des 2. StÄndG 1973 obsolet geworden ist, erscheint zweifelhaft. Nach § 49 Abs. 2 EStG n. F. bleiben im Ausland gegebene Besteuerungsmerkmale außer Betracht, soweit bei ihrer Berücksichtigung inländische Einkünfte im Sinne des Absatzes 1 nicht angenommen werden könnten. Entgegen der Ansicht des FA ist der mögliche Wortsinn der Vorschrift nicht eindeutig. Er läßt die vom FG vertretene Auslegung zu, daß die Zuordnung von Einkünften, die ein beschränkt Steuerpflichtiger aus inländischen Quellen bezogen hat, allein nach den im Inland gegebenen Besteuerungsmerkmalen vorzunehmen ist, und zwar auch dann, wenn ein Teil des gesetzlichen Tatbestandes im Ausland verwirklicht wurde (so auch Klein in Klein/Flockermann/Kühr, Einkommensteuergesetz, 3. Aufl., Anm. 11 zu § 49; Scholtz in Hartmann/Böttcher/Bordewin/Nissen, Einkommensteuergesetz, Anm. 80a zu § 49; Tullius in Betriebs-Berater -- BB -- 1974, 314; vgl. ferner Abschn. 223 der Einkommensteuer-Richtlinien -- EStR --). Möglich ist aber auch die im Schrifttum überwiegend vertretene Auslegung, daß durch § 49 Abs. 2 EStG n. F. die isolierende Betrachtungsweise im Sinne der oben dargestellten BFH-Rechtsprechung gesetzlich verankert werden sollte (vgl. Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, 19. Aufl., Anm. 1 zu § 49 am Ende; Blümich/Falk, Einkommensteuergesetz, 11. Aufl., Anm. 32 zu § 49; Littmann, Einkommensteuergesetz, 13. Aufl., Anm. 5 zu §§ 49 bis 50 a; Birkholz in Lademann/Söffing/Brockhoff, Einkommensteuergesetz, Anm. 1 zu § 49; Schmidt/Heinicke, Einkommensteuergesetz, Anm. 8 b zu § 49; Söffing in Finanz-Rundschau -- FR -- 1974, 281, 284; Clausen in Deutsche Steuer-Zeitung/Ausgabe A -- DStZ A -- 1974, 315f.).

Für die Auffassung der herrschenden Meinung spricht der Sinnzusammenhang, in den die Vorschrift hineingestellt ist. Nach § 49 Abs. 2 dürfen im Ausland gegebene Besteuerungsmerkmale nicht beachtet werden, soweit bei ihrer Berücksichtigung "inländische Einkünfte im Sinne des Absatzes 1" nicht angenommen werden könnten. Inländische Einkünfte i. S. des § 49 Abs. 1 EStG sind aber nur dann gegeben, wenn alle tatbestandsmäßigen Voraussetzungen einer der in §§ 49 Abs. 1 Nrn. 1 bis 9, 13ff. EStG aufgeführten Einkunftsarten in der Person des Steuerpflichtigen vorliegen. Dabei enthalten die Nrn. 1 bis 9 des § 49 Abs. 1 EStG lediglich Einschränkungen der für unbeschränkt Steuerpflichtige geltenden Steuertatbestände. In keinem Fall werden die durch die beschränkte Steuerpflicht erfaßten Einkünfte gegenüber der unbeschränkten Steuerpflicht erweitert oder ihrem Wesen nach verändert (Debatin in BB 1960, 1015). Inländische Einkünfte i. S. des § 49 Abs. 1 Nr. 3 EStG erzielt deshalb ein beschränkt Steuerpflichtiger nur dann, wenn er selbst im Inland eine selbständige Tätigkeit ausübt oder das von ihm selbst bewirkte Ergebnis selbständiger Arbeit im Inland verwertet (BFHE 101, 73, BStBl II 1971, 200).

Bei summarischer Beurteilung ist § 49 Abs. 2 EStG somit dahin zu verstehen, daß nur die Priorität des inländischen Sachverhalts bei der Bestimmung der Einkunftsart sichergestellt werden soll: Ausländische Besteuerungsmerkmale sind nur insoweit unbeachtlich, als ihre Berücksichtigung eine nach den Verhältnissen im Inland begründete Steuerpflicht ausschließen würde (vgl. insbesondere Tullius, a. a. O., S. 315f.).

3. Die Vorentscheidung kann jedoch im Ergebnis keinen Bestand haben, weil die N. V. bei summarischer Prüfung mit der von der Antragstellerin bezogenen Vergütung nach § 49 Abs. 1 Nr. 6, § 21 Abs. 1 Nr. 3 EStG i. V. m. § 8 Abs. 1 KStG 1977 beschränkt steuerpflichtig ist. Der für die Überlassung der ausschließlichen Nutzungsrechte am Drehbuch bezahlte Betrag ist eine Vergütung für die "zeitlich begrenzte Überlassung von Rechten", die in einer inländischen Betriebsstätte -- der der Antragstellerin -- verwertet worden sind (vgl. zu dieser Voraussetzung des § 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG die BFH-Entscheidung vom 23. Mai 1973 I R 163/71, BFHE 111, 29, BStBl II 1974, 287).

Der Zuordnung der strittigen Vergütung zu den Einkünften i. S. des § 21 Abs. 1 Nr. 3 EStG steht nicht entgegen, daß es sich bei dem hier vereinbarten ausschließlichen Nutzungsrecht nach § 31 Abs. 3 des Urheberrechtsgesetzes (UrhG) um ein dingliches Recht handelt (vgl. v. Gamm, Urheberrechtsgesetz, 1968, Rdz. 11 zu § 31; Fromm/Nordemann, Urheberrecht, 4. Aufl., Anm. 4 vor § 31 UrhG). Die Vorschrift des § 21 Abs. 1 Nr. 3 EStG unterscheidet nicht, ob die Benutzungsrechte oder Nutzungsrechte schuldrechtlicher oder dinglicher Art sind. Entscheidend ist vielmehr, daß das Nutzungsrecht zeitlich begrenzt überlassen wird (vgl. BFH-Urteil vom 23. Mai 1979 I R 163/77, BFHE 128, 213, BStBl II 1979, 757). Eine solche zeitliche Begrenzung liegt nicht vor, wenn das Nutzungsrecht dem durch Vertrag Berechtigten endgültig verbleibt (BFH-Urteil vom 27. Februar 1975 III R 64/74, BFHE 119, 77, BStBl II 1976, 529) oder ein Rückfall des Rechts kraft Gesetzes (vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs -- RFH -- vom 7. Juli 1927 Vl A 217/27, RStBl 1927, 200) oder kraft Vertrages nicht in Betracht kommt. Eine zeitlich begrenzte Übertragung von Rechten ist jedoch dann zu bejahen, wenn bei Abschluß des Vertrages ungewiß ist, ob und wann die Überlassung zur Nutzung endet (BFH-Urteil vom 7. Dezember 1977 I R 54/75, BFHE 124, 175, BStBl II 1978, 355). Diese Voraussetzung ist im Streitfall schon im Hinblick auf die in § 6 des Urheber- und Verwertungsvertrages getroffene Vereinbarung erfüllt. Nach dieser Vertragsbestimmung ist die Überlassung der in § 1 des Vertrages bezeichneten Rechte davon abhängig, daß der Produktionsvertrag zwischen der Antragstellerin, der N.V. und der ... nicht zur Auflösung kommt. Es handelt sich um die Vereinbarung einer auflösenden Bedingung i. S. des § 158 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Nach dem Akteninhalt ist mit der Verfilmung des Drehbuchs "..." erst im November 1977 -- also nach Abschluß des Urheber- und Verwertungsvertrages -- begonnen worden. Im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses war somit ungewiß, ob die Bedingung eintreten und damit die Überlassung der eingeräumten Nutzungsrechte enden werde.

Eine zeitlich begrenzte Überlassung der Rechte dürfte im Streitfall auch deshalb zu bejahen sein, weil dem Urheber ein gesetzliches Rückrufsrecht zusteht, wenn der Inhaber eines ausschließlichen Nutzungsrechts das überlassene Recht nicht oder nur unzureichend ausübt (§ 41 Abs. 1 UrhG). Auf das Rückrufsrecht kann nicht im voraus verzichtet werden (§ 41 Abs. 4 UrhG). Das gesetzliche Rückrufsrecht steht dem Urheber gegenüber jedem Rechtsinhaber zu, also auch gegenüber einem Verwerter, der nicht sein Vertragspartner ist (Fromm/Nordemann, a.a. O., Anm. 2 zu § 41 UrhG). Die Ausübung des Rückrufsrechts führt zur einseitigen rückwirkenden Auflösung des (obligatorischen) Vertragsverhältnisses und zum Erlöschen des (dinglich) eingeräumten Nutzungsrechts unmittelbar mit Wirksamwerden des Widerrufs (v. Gamm, a.a. O., Anm. 7 zu § 41 UrhG). Das Rückrufsrecht ist, soweit es sich -- wie im Streitfall -- um die Rechte nach § 88 Abs. 1 Nr. 1 UrhG handelt, nicht durch § 90 UrhG ausgeschlossen. Denn die Einschränkung des Rückrufsrechts in dieser Vorschrift bezieht sich ausdrücklich nur auf die in § 88 Abs. 1 Nrn. 2 bis 5 und § 89 Abs. 1 UrhG bezeichneten Rechte.

Das Abkommen vom 16. Juni 1959 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich der Niederlande zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen sowie verschiedener sonstiger Steuern und zur Regelung anderer Fragen auf steuerlichem Gebiet -- DBA-Niederlande -- (BGBl II 1960, 1781) steht der Besteuerung der strittigen Vergütung nach § 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG i. V. m. § 8 Abs. 1 KStG 1977 nicht entgegen. Gemäß Art. 27 Abs. 1 DBA-Niederlande gilt das Abkommen nicht für die außerhalb Europas belegenen Teile des Königreichs.

4. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Haftungsbescheides ergeben sich auch nicht deshalb, weil er (nur) auf §§ 49 Abs. 1 Nr. 3, 49 Abs. 2 i. V. m. § 50a Abs. 5 EStG gestützt wurde. Nach § 126 Abs. 1 und 2 der Abgabenordnung (AO 1977) kann eine gemäß § 121 AO 1977 erforderliche Begründung des Verwaltungsakts bis zum Abschluß des außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahrens nachgeholt werden. Innerhalb dieser Frist kann eine mangelhafte Begründung richtiggestellt oder ergänzt werden (vgl. Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 10. Aufl., Tz. 2 zu § 126 AO 1977).

5. Da die N. V. bei summarischer Prüfung nach § 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG i. V. m. § 8 Abs. 1 KStG 1977 beschränkt steuerpflichtig ist, kann dahinstehen, ob das FA den Haftungsbescheid auch auf § 50a Abs. 5 i. V. m. § 49 Abs. 1 Nr. 9 EStG und § 8 Abs. 1 KStG 1977 hätte stützen können. § 49 Abs. 1 Nr. 9 EStG dürfte hier aber schon deshalb nicht anzuwenden sein, weil er nach seinem klaren Wortlaut nur die Einkünfte aus der Nutzung beweglicher Sachen im Inland oder aus der Überlassung der Nutzung oder des Rechts auf Nutzung von gewerblichen, technischen, wissenschaftlichen und ähnlichen Erfahrungen, Kenntnissen und Fertigkeiten (also Einkünfte aus der Überlassung von know-how) betrifft.

 

Fundstellen

Haufe-Index 74422

BStBl II 1983, 367

BFHE 1982, 178

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