Entscheidungsstichwort (Thema)

Divergenz -- überholte BFH-Rechtsprechung; mangelnde Sachaufklärung

 

Leitsatz (NV)

1. Zur ordnungsgemäßen Bezeichnung einer Divergenz gehört, daß der Beschwerdeführer abstrakte, entscheidungserhebliche Rechtssätze aus dem angefochtenen Urteil des FG und abstrakte Rechtssätze aus Entscheidungen des BFH oder BVerfG so genau wiedergibt und einander gegenüberstellt, daß die behauptete Abweichung erkennbar wird.

2. Eine Divergenz ist nicht gegeben, wenn das FG von einer durch die neuere Rechtsprechung überholten Entscheidung abgewichen sein sollte.

3. Zur Ordnungsmäßigkeit der Rüge mangelnder Sachaufklärung.

 

Normenkette

FGO §§ 76, 115 Abs. 2 Nr. 2

 

Gründe

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs abgesehen.

Die Beschwerde ist unzulässig.

1. Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) haben eine Abweichung von einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs -- BFH -- (§115 Abs. 2 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --) nicht entsprechend den Anforderungen des §115 Abs. 3 Satz 3 FGO bezeichnet. Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH muß bei einer auf Divergenz gestützten Nichtzulassungsbeschwerde die Entscheidung, von der das angefochtene Urteil des Finanzgerichts (FG) abgewichen sein soll, so bezeichnet werden, daß ihre Identität zweifelsfrei festgestellt werden kann. Dazu gehört die Angabe des Aktenzeichens und Datums oder der Fundstelle (BFH-Beschlüsse vom 30. März 1983 I B 9/83, BFHE 138, 152, BStBl II 1983, 479; vom 8. April 1994 I B 204/93, BFH/NV 1995, 513; vgl. weiter Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., §115 Anm. 63). Dieser Anforderung an eine genaue Bezeichnung genügt die Beschwerdeschrift nicht. Die Kläger haben dort für die BFH-Entscheidungen jeweils nur das Datum der Entscheidung genannt. Allerdings haben die Kläger mit dem Schriftsatz vom 5. Januar 1998 die drei Divergenzentscheidungen (BFH-Urteile vom 9. Oktober 1963 I 189/61 U, BFHE 78, 199, BStBl III 1964, 79; vom 27. Juni 1968 IV 69/63, BFHE 93, 274, BStBl II 1968, 815, und vom 18. Dezember 1969 IV R 57/68, BFHE 98, 247, BStBl II 1970, 377) nachträglich genau mit Datum und Fundstelle bezeichnet. Da das angefochtene Urteil den Klägern am 1. Juli 1997 zugestellt wurde, ist diese Präzisierung jedoch erst nach Ablauf der Beschwerdefrist von einem Monat (§115 Abs. 3 Satz 1 FGO) und damit zu spät erfolgt (vgl. z. B. BFH-Beschluß vom 18. Dezember 1996 XI B 144/96, BFH/NV 1997, 425).

Darüber hinaus gehört zur ordnungsgemäßen Bezeichnung i. S. von §115 Abs. 3 Satz 3 FGO, daß der Beschwerdeführer abstrakte, entscheidungserhebliche Rechtssätze aus dem angefochtenen Urteil des FG und abstrakte Rechtssätze aus Entscheidungen des BFH oder des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) so genau wiedergibt und einander gegenüberstellt, daß die behauptete Abweichung erkennbar wird (ständige Rechtsprechung, z. B. BFH-Beschlüsse in BFHE 138, 152, BStBl II 1983, 479, und vom 10. August 1994 V B 44/94, BFH/NV 1995, 637; vgl. Gräber/Ruban, a. a. O., §115 Anm. 63). Die Kläger haben diese Gegenüberstellung von abstrakten Rechtssätzen nicht vorgenommen, sondern lediglich anhand dreier Entscheidungen ihre Ansicht begründet, daß das FG falsch entschieden habe (vgl. BFH-Beschluß vom 30. November 1989 V B 142/88, BFH/NV 1990, 785). Dazu führen sie vor allem aus, daß das FG den bereits in den Streitjahren erfolgten Aufbau der Ammenkuhhaltung sowie die durchgeführten Kostensenkungsmaßnahmen nicht berücksichtigt habe. Ob indes die Würdigung des Sachverhalts durch das FG als zwingend oder zutreffend anzusehen ist, ist für die Frage einer Abweichung unerheblich (BFH-Beschluß vom 20. Februar 1980 II B 26/79, BFHE 129, 313, BStBl II 1980, 211).

Im übrigen ist darauf hinzuweisen, daß der Zulassungsgrund der Divergenz nicht gegeben ist, wenn das FG von einer durch die neuere Rechtsprechung überholten Entscheidung des BFH abgewichen sein sollte; maßgeblich ist stets nur der aktuelle Stand der BFH-Rechtsprechung (ständige Rechtsprechung, vgl. z. B. BFH-Beschlüsse in BFHE 129, 313, BStBl II 1980, 211, und vom 9. November 1994 II B 142/93, BFH/NV 1995, 489; siehe Gräber/Ruban, a. a. O., §115 Anm. 19). Das FG-Urteil befindet sich aber mit seiner Auffassung, daß für die Annahme einer Gewinnerzielungsabsicht das Streben nach Betriebsvermögensmehrung in Gestalt eines Totalgewinns erforderlich ist und möglicherweise auch erst später einsetzen kann, in Übereinstimmung mit dem Beschluß des Großen Senats vom 25. Juni 1984 GrS 4/82 (BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751). Seither verlangt die Rechtsprechung die Absicht, einen Totalgewinn zu erzielen.

2. Die Kläger haben auch keinen Verfahrensmangel ordnungsgemäß i. S. von §115 Abs. 3 Satz 3 FGO bezeichnet. Hierzu sind die Tatsachen einzeln, genau und bestimmt anzuführen, die den Mangel ergeben sollen. Weiter ist darzutun, daß das finanzgerichtliche Verfahren auf diesen Mängeln beruht, d. h. daß das FG ohne den Verfahrensmangel anders entschieden hätte. Hierbei ist von der materiell-rechtlichen Auffassung des FG auszugehen (BFH-Beschluß vom 4. März 1992 II B 201/91, BFHE 166, 574, BStBl II 1992, 562).

Soweit mit der Beschwerde gerügt wird, das FG habe es unterlassen, den Sachverhalt zur Frage der im Aufbau befindlichen Mutterkuhhaltung aufzuklären, ist ein Verfahrensmangel nicht schlüssig dargetan. Bei einer Rüge der Verletzung der von Amts wegen gebotenen Pflicht zur Sachaufklärung gehören hierzu Ausführungen zu den auch ohne Antrag aufzuklärenden Tatsachen und zu den zu erhebenden Beweisen. Ferner muß die Beschwerde erkennen lassen, aus welchen Gründen ein durch einen sachkundigen Prozeßbevollmächtigten vertretener Kläger keine entsprechenden Beweisanträge gestellt hat, gleichwohl aber dem FG die Notwendigkeit einer weiteren Aufklärung von sich aus aufdrängen mußte. Des weiteren ist darzulegen, welche entscheidungserheblichen Tatsachen sich voraussichtlich ergeben hätten und inwiefern sie auf der Grundlage der Rechtsauffassung des FG zu einer anderen Entscheidung hätten führen können (ständige Rechtsprechung, vgl. z. B. BFH- Beschluß vom 17. November 1997 VIII B 12/97, BFH/NV 1998, 608; Gräber/Ruban, a. a. O., §120 Anm. 40). Daran mangelt es hier in allen Punkten. Die Kläger behaupten lediglich, das FG habe diesen Umstand nicht berücksichtigt, ohne jedoch darzulegen, aufgrund welcher Tatsachen das FG zu einem anderen Ergebnis hätte kommen können. Statt dessen wendet sich die Beschwerde im wesentlichen gegen die Würdigung des vom FG festgestellten Sachverhalts. Ein etwaiger Fehler wäre jedoch als ein Verstoß gegen das materielle Recht anzusehen und somit der Prüfung im Rahmen der Nichtzulassungsbeschwerde entzogen (vgl. z. B. BFH-Beschlüsse in BFH/NV 1998, 608, und vom 5. Januar 1998 V B 76/97, BFH/ NV 1998, 727). Die Kläger übersehen zudem, daß das FG die Annahme einer Gewinnerzielungsabsicht gerade aufgrund der verstärkten Mutterkuhhaltung in künftigen Jahren für möglich erachtet hat. Sie verkennen, daß nach Ansicht des FG die ergriffenen Maßnahmen noch nicht ausreichten, um auch schon für die Streitjahre die Gewinnerzielungsabsicht zu bejahen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 302824

BFH/NV 1998, 1510

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