Leitsatz

Der VIII. Senat legt dem Großen Senat des BFH gemäß § 11 Abs. 2 und 4 FGO folgende Rechtsfrage zur Entscheidung vor:

Sind in die Bewertung der Nutzungsentnahme die im Buchwertansatz des Pkws ruhenden stillen Reserven einzubeziehen, wenn der zum Betriebsvermögen gehörende Pkw während einer privat veranlassten Fahrt durch Unfall zerstört oder erheblich beschädigt wird?

 

Normenkette

§ 4 Abs. 1 Satz 2 EStG , § 6 Abs. 1 Nr. 4, Satz 1 EStG

 

Sachverhalt

Zum Betriebsvermögen der Klägerin, einer gewerblich tätigen GbR, gehörte ein Pkw, der im Streitjahr 1990 auf einer Privatfahrt eines Angehörigen der Gesellschafter ohne Fremdeinwirkung zerstört und anschließend veräußert wurde. In ihrem Jahresabschluss zum 31.12.1990 behandelte die Klägerin diese Vorgänge folgendermaßen: Den Erlös aus dem Verkauf des unfallzerstörten Wagens (2631 DM) erfasste sie als sonstigen betrieblichen Ertrag. Den aus der Vollkaskoversicherung geleisteten Betrag in Höhe von 16717 DM (17367 DM ./. 650 DM Eigenbeteiligung) verbuchte sie als Einlage in das Betriebsvermögen. Den Restbuchwert des Pkws im Unfallzeitpunkt (6067 DM) buchte sie erfolgsneutral aus dem Betriebsvermögen aus.

Das FA behandelte demgegenüber die Ersatzleistung aus der Vollkaskoversicherung unter Abzug des Restbuchwerts des Pkws als Betriebseinnahme (16717 DM ./. 6067 DM = 10650 DM). Das FG gab der dagegen gerichteten Klage statt. Über die dagegen vom FA eingelegte Revision hat der BFH noch nicht entschieden.

 

Entscheidung

Der Senat bejahe die Vorlagefrage und beabsichtige daher, die Klage abzuweisen. Im Streitfall liege keine Sachentnahme, sondern eine Nutzungsentnahme vor. Deren Bewertung sei nach ständiger und zutreffender Rechtsprechung des BFH mit den tatsächlichen Selbstkosten vorzunehmen. In diese Selbstkosten seien jedoch entgegen der h.M. nicht nur die buchmäßigen Kosten, sondern auch die durch den Unfall vernichteten stillen Reserven einzubeziehen.

Die (Korrektur-)Funktion des Entnahmetatbestands liege unter anderem auch darin, zu verhindern, dass die im Betriebsvermögen angesammelten – nicht selten willkürlich gelegten – stillen Reserven der Besteuerung entzogen würden. In der Vergangenheit zu Lasten des Betriebsergebnisses vorgenommene überhöhte AfA und Abschreibungen sollten über den Entnahmeansatz rückgängig gemacht werden. Überdies komme die Nutzungsentnahme im Fall der Zerstörung oder wesentlichen Beschädigung des Pkws in ihrer tatsächlichen Wirkung der Sachentnahme gleich oder jedenfalls nahe; denn auch hier werde die Substanz des Wirtschaftsguts dem Betriebsvermögen ganz oder jedenfalls zum großen Teil entzogen und dem Privatvermögen zugeführt.

Auf die Höhe der durch den "privaten Unfall" bedingten, an einem betrieblichen Wirtschaftsgut eintretenden Werteinbuße nehme es keinen Einfluss, mit welchem Wert das Wirtschaftsgut vor Eintritt des Schadens zu Buche gestanden habe. Es widerstreite dem Gebot der Besteuerungsgleichheit (Art. 3 Abs. 1 GG), wirtschaftlich gleich gelagerte Sachverhalte (Zerstörung von zum Betriebsvermögen gehörenden Wirtschaftsgütern mit gleichem Wert bei deren privatem Einsatz) einer unterschiedlichen ertragsteuerlichen Behandlung zu unterwerfen, je nachdem, mit welchem – zufälligen – Buchwert diese Wirtschaftsgüter in der Steuerbilanz erfasst worden seien.

 

Hinweis

1. Der Entnahmetatbestand des § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG erfasst sowohl Sach- als auch Nutzungs- und Leistungsentnahmen. Die Entnahmebewertungsnorm des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 EStG betrifft hingegen nur die Sachentnahmen. Im Besprechungsfall wurde ein betrieblicher Pkw lediglich vorübergehend für private Zwecke genutzt. Daran änderte auch der auf der Privatfahrt eingetretene Unfall nichts, bei dem der Pkw zerstört bzw. erheblich beschädigt wurde. Folglich lag eine Nutzungsentnahme vor, hinsichtlich deren Bewertung das Gesetz eine Lücke enthält, die nach ständiger Rechtsprechung des BFH und herrschender Literaturmeinung in der Weise zu schließen ist, dass eine solche Entnahme mit dem durch sie verursachten Aufwand, d.h. mit den "tatsächlichen Selbstkosten", zu bewerten ist. Die "tatsächlichen Selbstkosten" sollen aus den als Betriebsausgaben im Rahmen der Minderung des buchmäßigen Betriebsvermögens abgezogenen Gesamtaufwendungen einschließlich der festen Kosten und der AfA in der in Anspruch genommenen Höhe bestehen. Stille Reserven sollen außer Betracht bleiben (vgl. z.B. BFH, Urteil vom 14.1.1998, X R 57/93, BEHE 185, 230).

Von dieser Rechtsprechung möchte der Vorlagebeschluss für den hier zu beurteilenden Ausnahmefall abweichen, dass das betriebliche Wirtschaftsgut bei seiner privaten Nutzung zerstört oder erheblich beschädigt wird, und in diesem Fall auch die vernichteten stillen Reserven in die Bewertung der Nutzungsentnahme einbeziehen. Damit würde der VIII. Senat aber von der Rechtsprechung des I. Senats des BFH (Urteil vom 24.5.1989, I R 213/85, BStBl II 1990, 8) abweichen. Da der I. Senat dieser Abweichung nicht zugestimmt hat, war die Vorlage an den Großen Senat geboten.

2. Di...

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