Rz. 75

Mit § 272 Abs. 1a HGB wird für alle eigenen Anteile – unabhängig davon, ob sie dauernd dem Geschäftsbetrieb dienen sollen oder nicht – vorgeschrieben, dass diese auf der Passivseite der Bilanz in der Vorspalte offen von dem Posten "Gezeichnetes Kapital" abzusetzen sind. Diese Bilanzierung knüpft an den Befund an, dass der Erwerb eigener Anteile zwar nicht rechtlich, aber sehr wohl wirtschaftlich einer Kapitalherabsetzung gleichkommt, auch wenn die eigenen Anteile ohne formale Einziehung bestehen bleiben.[1]

 

Rz. 76

Nach § 272 Abs. 1a Satz 1 HGB ist der Nennbetrag oder, falls ein solcher nicht vorhanden ist, der rechnerische Wert von erworbenen eigenen Anteilen in der Vorspalte offen von dem Posten "Gezeichnetes Kapital"abzusetzen.[2] Aus der Vorschrift folgt ein Aktivierungsverbot für eigene Anteile.

 
Praxis-Beispiel

Es ist zu empfehlen, den Vorspaltenposten als "Nennbetrag/rechnerischer Wert eigener Anteile" und den Hauptspaltenposten als "Ausgegebenes Kapital" zu bezeichnen.

 

Rz. 77

Der Unterschiedsbetrag zwischen dem Nennbetrag oder dem rechnerischen Wert und den AK der eigenen Anteile ist mit den frei verfügbaren Rücklagen zu verrechnen (§ 272 Abs. 1a Satz 2 HGB), wobei die Verrechnung gem. DRS 22.36 sachlich und zeitlich stetig vorgenommen werden soll. Dies ist in sachlicher Hinsicht natürlich nur möglich, wenn die frei verfügbaren Rücklagenbestandteile der vormals gewählten Verrechnungsreihenfolge bei den Folgetransaktionen noch zur Verfügung stehen (DRS 22.B32). Stetigkeit in zeitlicher Hinsicht dürfte wohl die zeitgerechte Erfassung i. S. d. § 239 Abs. 2 HGB meinen.[3] Zu den frei verfügbaren Rücklagen zählen die Kapitalrücklage nach § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB, die anderen Gewinnrücklagen und die satzungsmäßigen Rücklagen, sofern der satzungsmäßige Zweck gerade in der Ermöglichung oder Deckung des Erwerbs eigener Anteile besteht. Demgegenüber ist eine Verrechnung mit der gesetzlichen Rücklage nach § 150 Abs. 1 und 2 AktG und der Kapitalrücklage nach § 272 Abs. 2 Nr. 1–3 HGB jedenfalls für die AG, die SE und die KGaA sowie der Rücklage für Anteile an einem herrschenden oder mehrheitlich beteiligten Unt (§ 272 Abs. 4 HGB) ausgeschlossen. Das Gleiche gilt für nach § 268 Abs. 8 HGB ausschüttungsgesperrte Beträge. Mit DRS 22.8 könnte man auch sagen, frei verfügbare Rücklagen sind solche Rücklagen, die weder durch ein Gesetz noch durch eine Satzung oder einen Gesellschaftsvertrag in ihrer Verwendung zweckgebunden sind und auch keiner Ausschüttungs- oder Abführungssperre unterliegen.

 

Rz. 78

Der Wortlaut des § 272 Abs. 1a HGB stellt auf den Begriff der "frei verfügbaren Rücklagen" ab. Daher stellt sich die Frage, ob auch eine Verrechnung mit dem Jahresergebnis durch die geschäftsführenden Organe in Betracht kommt. Dies ist für die AG zumindest für die Beträge zu bejahen, die aus dem Jahresergebnis nach § 58 Abs. 2 AktG durch den Vorstand und den Aufsichtsrat in die anderen Gewinnrücklagen eingestellt werden können oder nach § 58 Abs. 1 AktG aufgrund einer Satzungsregelung durch die Hauptversammlung in die frei verfügbaren Rücklagen einzustellen sind.[4] Das Jahresergebnis ist dabei vorab um die in die gesetzliche Rücklage (§ 150 Abs. 1 und 2 AktG) einzustellenden Beträge sowie um einen Verlustvortrag zu kürzen (§ 58 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 Satz 4 AktG).[5] Der Teil des Jahresergebnisses, der nach den Vorschriften des AktG in die Zuständigkeit der Hauptversammlung fällt – dazu gehört auch ein etwaiger Gewinnvortrag –, darf hingegen grds. nicht durch eine Verrechnung geschmälert werden.[6]

 

Rz. 79

§ 272 Abs. 1a HGB enthält keine Vorschrift für den Fall, dass die frei verfügbaren Rücklagen zur Verrechnung nicht in ausreichendem Umfang zur Verfügung stehen. Hierbei kann es sich nur um einen Ausnahmefall handeln, denn der Erwerb eigener Anteile ist nur zulässig, wenn im Erwerbszeitpunkt in ausreichendem Umfang freies Vermögen vorhanden ist. Gleichwohl ist es denkbar, dass das freie Vermögen bis zur Bilanzierung durch anderweitige Verluste aufgezehrt ist. In diesem Fall ist die Verrechnung unter Inkaufnahme eines Bilanzverlusts oder Vertiefung eines bestehenden Bilanzverlusts vorzunehmen.[7] Nur so wird dem Gläubigerschutz hinreichend Rechnung getragen und weiteren Vermögensauskehrungen vorgebeugt. Ein Verstoß gegen § 57 AktG liegt in diesen Fällen nicht vor, denn im Zeitpunkt des Erwerbs der eigenen Anteile waren ausreichende frei verfügbare Rücklagen vorhanden. Kommt es danach zu einer Aufzehrung der frei verfügbaren Rücklagen durch im Geschäftsverkehr eingetretene Verluste und damit ggf. sogar zu einer Verminderung des Vermögens unter die Grundkapitalziffer, hat dies keine Auswirkungen auf die rechtliche Zulässigkeit des Erwerbs der eigenen Anteile. Eine Verrechnung unter Inkaufnahme eines Bilanzverlusts führt zu einem Verlustvortrag, der ins nächste Gj übernommen wird und dann die Möglichkeit der Inanspruchnahme der gesetzlichen Rücklage nach § 150 Abs. 3 und 4 AktG ermöglicht. Damit scheint auf den ersten Blick der G...

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