Rz. 13

Es existieren zwei Konzepte der Abbildung von Steuerlatenzen: das (ältere) Timing-Konzept und das (jüngere) Temporary-Konzept, die sich beide auf die US-amerikanische Bilanzierungspraxis zurückführen lassen.

Zur methodischen Umsetzung stehen die Abgrenzungsmethode und die Verbindlichkeitenmethode zur Verfügung.

 

Rz. 14

Das in § 274 HGB angewandte Timing-Konzept ist GuV-orientiert, d. h., es wird mittels latenter Steuerabgrenzungen versucht, den "richtigen" Steueraufwand zum handelsrechtlichen Ergebnis vor Steuern zu ermitteln.

 

Rz. 15

Solange der steuerliche Gewinn (genauer: das zu versteuernde Einkommen) und der handelsrechtliche Gewinn vor Steuern übereinstimmen, passen der tatsächliche Steueraufwand (ermittelt gem. dem Ergebnis der Steuerbilanz) und der handelsrechtliche Gewinn zueinander, d. h., es ergibt sich eine plausible Steuerquote. Kommt es zu Abweichungen zwischen der handelsrechtlichen und der steuerlichen Gewinnermittlung, fällt der tatsächliche Steueraufwand im Verhältnis zum handelsrechtlichen Ergebnis zu niedrig bzw. zu hoch aus. Damit besteht kein erklärbarer Zusammenhang zwischen dem handelsrechtlichen Ergebnis und dem Steueraufwand.

 

Rz. 16

Die Anpassung des handelsrechtlichen Ergebnisses wird auf Differenzen zwischen der Handels- und der Steuerbilanz begrenzt, die aus der unterschiedlichen Erfolgsabgrenzung in beiden Rechenwerken resultieren (sog. timing differences). Folglich sind nur solche Abweichungen zwischen der Handels- und Steuerbilanz für die Bildung von Steuerabgrenzungen von Bedeutung, die sich zukünftig abbauen und die sowohl bei der Entstehung der Differenzen als auch bei deren Abbau erfolgswirksam sind.[1] Negativ formuliert führen erfolgsneutral entstandene Bilanzierungsunterschiede i. R. d. Timing-Konzepts nicht zu einer Steuerabgrenzung.[2] Ebenfalls werden quasi-permanente Differenzen nicht in die Steuerabgrenzung einbezogen. Quasi-permanente Differenzen im Timing-Konzept sind Ergebnisunterschiede zwischen handels- und steuerrechtlicher Gewinnermittlung als Folge von Bilanzierungs- und Bewertungsunterschieden, die sich nicht von selbst umkehren und mit deren Ausgleich in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist (z. B. Beteiligungen, unbebaute Grundstücke). Permanente Differenzen sind solche Ergebnisunterschiede zwischen handels- und steuerrechtlicher Gewinnermittlung, die sich niemals ausgleichen, z. B. nicht abziehbare Betriebsausgaben (§ 4 Abs. 5 EStG, § 9 KStG).[3]

 

Rz. 17

Mit § 274 HGB wurde handelsrechtlich das international übliche bilanzorientierte Temporary-Konzept statuiert. Dieses am internationalen "Vorbild" IAS 12 ausgerichtete Konzept[4] zielt primär auf eine zutreffende Abbildung der Vermögenslage der bilanzierenden Gesellschaft ab. Soweit zwischen handels- und steuerrechtlichen Bilanzposten Ansatz- und/oder Bewertungsunterschiede bestehen, die sich im Zeitablauf ausgleichen, werden auf diese Differenzen Steuerlatenzen gebildet. Im Gegensatz zum Timing-Konzept ist es beim Temporary-Konzept unerheblich, ob die Differenzen erfolgswirksam oder erfolgsneutral entstanden sind; entscheidend ist ausschl. die Abbildung zukünftig aus solchen Differenzen entstehender Steuerbe- und -entlastungen.[5] Auch quasi-permanente Differenzen sind in die Steuerlatenzen einzubeziehen, da sich diese irgendwann – abhängig von noch zu treffenden Dispositionen des bilanzierenden Unternehmens – steuerwirksam ausgleichen werden.

 
Praxis-Beispiel

In der Handelsbilanz der GmbH ist ein unbebautes Grundstück mit AK von 100 TEUR ausgewiesen. In der Steuerbilanz ist infolge der Übertragung von stillen Reserven aus der Veräußerung eines anderen Grundstücks nach § 6b EStG ein Buchwert von 75 TEUR ausgewiesen. Es ergibt sich eine quasi-permanente Differenz i. H. v. 25 TEUR, die sich – mangels planmäßiger Abschreibung des Grundstücks – steuerlich erst bei Veräußerung des Grundstücks auswirken würde. Gleichwohl sind nach dem Temporary-Konzept auf diese Wertdifferenz latente Steuern zu bilden.

 

Rz. 18

§ 274 HGB spricht nicht vom Wertansatz lt. Steuerbilanz, sondern vom steuerlichen Wertansatz. Zumeist lässt sich der steuerliche Wertansatz (international als Steuerwert bezeichnet) direkt aus der Steuerbilanz ablesen. Bei der Bildung von Steuerlatenzen sind nur zukünftig steuerwirksame Differenzen einzubeziehen, da nur diese zu zukünftigen Steuerbe- oder -entlastungen führen. Daher ist der Steuerbilanzwert von VG um nicht steuerwirksame Bestandteile, z. B. außerbilanzielle Hinzurechnungen oder Abzüge (z. B. Investitionsabzugsbetrag nach § 7g EStG), zu korrigieren.[6] Dementsprechend sind solche steuerlichen Korrekturen, die ausschl. die GuV betreffen (z. B. nicht abziehbare Betriebsausgaben, steuerfreie Erträge, gewerbesteuerliche Hinzurechnungen und Kürzungen) nicht zu berücksichtigen (DRS 18.2).

 

Praxis-Beispiel[7]

Eine GmbH weist in ihrer Handels- und Steuerbilanz eine Beteiligung an einer anderen KapG aus. Da gem. § 8b KStG Veräußerungsgewinne aus Anteilen an KapG zu 95 % steuerfrei sind, ist dies bei der ...

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