Leitsatz

1. Auch bei Steuerpflichtigen mit einer Gewinn­ermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG ist im Rahmen der sinngemäßen Anwendung des § 4 Abs. 4a Sätze 2 und 3 EStG periodenübergreifend zu ermitteln, ob im betrachteten Gewinnermittlungszeitraum Überentnahmen vorliegen.

2. Überentnahmen sind bei Einnahmenüberschussrechnern nicht auf die Höhe eines niedrigeren negativen Kapitalkontos zu begrenzen, das zum Ende des jeweiligen Gewinnermittlungszeitraums nach bilanziellen Grundsätzen vereinfacht ermittelt wird.

 

Normenkette

§ 4 Abs. 3, Abs. 4a Sätze 1 bis 6, § 52 Abs. 6 Sätze 7 und 8 EStG

 

Sachverhalt

Der Kläger war in den Streitjahren 2010, 2011 und 2013 als Architekt in einer Einzelpraxis tätig und erzielte Einkünfte aus selbstständiger Arbeit. Er ermittelte seinen Gewinn gemäß § 4 Abs. 3 EStG im Wege der Einnahmenüberschussrechnung. Die Gewinne wurden gesondert festgestellt. Der Kläger machte in den Streitjahren Schuldzinsen als Betriebsausgaben geltend. Hinzurechnungsbeträge für nicht abzugsfähige Schuldzinsen gemäß § 4 Abs. 4a EStG enthielten die Gewinnermittlungen nicht. Das FA ging nach einer Außenprüfung davon aus, dass in den Streitjahren nach § 4 Abs. 4a EStG periodenübergreifend eine Überentnahme des Klägers i.H.v. 35.467 EUR vorgelegen habe. Unter Berücksichtigung der gemäß § 4 Abs. 4a Satz 5 EStG abzugsfähigen Zinsen für Investitionsdarlehen und des gesetzlichen Kürzungsbetrags von 2.050 EUR (§ 4 Abs. 4a Satz 4 EStG) berechnete das FA aus den verbliebenen Schuldzinsen für die Streitjahre Hinzurechnungsbeträge i.H.v. (gerundet) 2.309 EUR (2010), 3.713 EUR (2011) und 1.335 EUR (2013). Die sich hieraus ergebenden höheren Gewinne der Streitjahre stellte das FA in den geänderten Feststellungsbescheiden i.H.v. 169.944 EUR (2011) und 178.656 EUR (2013) fest. Einspruch und Klage (FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 8.10.2018, 5 K 1034/16, Haufe-Index 12340468, EFG 2019, 25) hatten keinen Erfolg.

 

Entscheidung

Der BFH hat die Revision des Klägers als unbegründet zurückgewiesen.

 

Hinweis

1. Seit Einführung des § 4 Abs. 4a EStG zum 1.1.1999 ist der Schuldzinsenabzug zweistufig zu prüfen. Im ersten Schritt ist zu klären, ob der betreffende Kredit nach den von der Rechtsprechung aufgestellten Grundsätzen eine betriebliche oder private Schuld ist. Im vorliegenden Fall waren die Schuldzinsen unstreitig betrieblich veranlasst. Im zweiten Schritt ist zu prüfen, ob und in welchem Umfang die betrieblich veranlassten Schuldzinsen nach § 4 Abs. 4a EStG abziehbar sind. Dies gilt nach § 4 Abs. 4a Satz 6 Halbsatz 1 EStG auch bei der Gewinnermittlung durch Einnahmenüberschussrechnung gemäß § 4 Abs. 3 EStG.

2. Danach sind Schuldzinsen nicht abziehbar, wenn Überentnahmen getätigt wurden. Eine Überentnahme ist der Betrag, um den die Entnahmen die Summe des Gewinns und der Einlagen des Wirtschaftsjahres übersteigen (§ 4 Abs. 4a Satz 2 EStG). Dabei ist die Beschränkung des Schuldzinsenabzugs periodenübergreifend angelegt. So können Schuldzinsen nach § 4 Abs. 4a EStG in einem Wirtschaftsjahr auch dann nicht abziehbar sein, wenn in diesem Jahr selbst keine Überentnahme zu verzeichnen ist, denn die nicht abziehbaren Schuldzinsen können auch ausschließlich auf den Überentnahmen früherer Jahre beruhen. Dies gilt nach der Rechtsprechung des BFH auch für die Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG.

3. Die Begrenzung der Überentnahme eines Gewinnermittlungszeitraums auf die Höhe eines (vereinfacht ermittelten) niedrigeren bilanziellen negativen Eigenkapitals sieht das Gesetz nicht vor. Eine solche Auslegung widerspräche auch dem Normzweck des § 4 Abs. 4a Sätze 2 und 3 EStG und dem Zweck der Einnahmenüberschussrechnung i.S.d. § 4 Abs. 3 EStG als vereinfachter Gewinnermittlungsmethode. Dem Gesetz ist weder für Gewinnermittler gemäß § 4 Abs. 1 EStG noch für Einnahmenüberschussrechner gemäß § 4 Abs. 3 EStG zu entnehmen, dass das typisierend ermittelte, entnahmefähige Eigenkapital und die Höhe der Über- und Unterentnahmen mit der Höhe eines bilanziellen Kapitalkontos des Steuerpflichtigen für den jeweiligen Gewinnermittlungszeitraum abzustimmen ist.

4. Das unschädlich entnahmefähige Eigenkapital definiert der Gesetzgeber in § 4 Abs. 4a Satz 3 EStG aus Vereinfachungsgründen stark pauschalierend und typisierend. Dies gilt zum einen in zeitlicher Hinsicht. Ein positives Eigenkapital, das aus vor dem 1.1.1999 endenden Wirtschaftsjahren herrührt, bleibt für die periodenübergreifende Ermittlung der Unter- und Überentnahmen (§ 4 Abs. 4a Sätze 2 und 3 EStG) unberücksichtigt. Auch für den Einnahmen­überschussrechner ist für die Ermittlung der Über- und Unterentnahmen vom Stand eines Kapitalkontos von "null" zum 31.12.1998 auszugehen. Das unschädlich entnahmefähige Eigenkapital wird auch im Rahmen der sinngemäßen Anwendung des § 4 Abs. 4a Sätze 2 und 3 EStG nur durch den nach dem 31.12.1998 gemäß § 4 Abs. 3 EStG erwirtschafteten Gewinn und den Einlagen abzüglich der Entnahmen gebildet.

5. Zum anderen ist beim Einnahmenüberschussrechner im Rahmen der sinngemäßen Anwendung d...

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