OFD Frankfurt, 29.1.2007, S 7104 A - 25 - St 11

Umsatzsteuerliche Behandlung der Werkstätten für Behinderte

Im Zusammenhang mit der steuerlichen Behandlung der Werkstätten für Behinderte wurde die Frage gestellt, inwieweit diese Werkstätten der Umsatzsteuer unterliegen und – insbesondere bei neu errichteten Werkstattgebäuden – in welchem Umfang ein Abzug der im Rahmen dieser Werkstätten anfallenden Vorsteuer zulässig ist.

Hierzu ist folgende Auffassung zu vertreten:

 

1. Werkstätten für Behinderte

Die Werkstätten für Behinderte sind nach ihren Satzungen und der tatsächlichen Aufgabenstellung als teilstationäre Einrichtungen anzusehen, die in Erfüllung öffentlicher und allgemeiner Sozial- und Fürsorgepflichten der Eingliederung geistig und körperlich Schwerbehinderter in Arbeit, Beruf und Gesellschaft durch arbeitstherapeutische Maßnahmen dienen.

Die Rechtsgrundlagen für die Einrichtung der Werkstätten für Behinderte finden sich in folgenden Vorschriften:

  • Sozialgesetzbuch (SGB) Neuntes Buch (IX) vom 19.6.2001, BGBl 2001 I S. 1046, zuletzt geändert durch Drittes Gesetz zur Änderung eisenbahnrechtlicher Vorschriften vom 27.4.2005, BGBl 2005 I S. 1138
  • Sozialgesetzbuch (SGB) Zwölftes Buch (XII) vom 27.12.2003, BGBl 2003 I S. 3022, zuletzt geändert durch Gesetz zur Vereinfachung der Verwaltungsverfahren im Sozialrecht (Verwaltungsvereinfachungsgesetz) vom 21.3.2005, BGBl 2005 I S. 818
  • Sozialgesetzbuch (SGB) Drittes Buch (III) vom 24.3.1997, BGBl 1997 I S. 594, zuletzt geändert durch Zweites Gesetz zur Änderung des Seemannsgesetzes und anderer Gesetze vom 8.6.2005, BGBl 2005 I S. 1530

Werkstätten für Behinderte haben meist die Rechtsform eines eingetragenen Vereins und sind in der Regel einem Wohlfahrtsverband als Mitglied angeschlossen.

 

2. Von den Werkstätten für Behinderte werden im Wesentlichen folgende Leistungen erbracht:

 

2.1 Steuerbare und steuerpflichtige Leistungen

 

2.1.1 Leistungen des Werkstättenbereichs

Hierunter fallen die Umsätze des eigentlichen Werkstättenbereichs. Diese Umsätze sind sowohl steuerbar als auch steuerpflichtig. Sie sind jedoch unter den Voraussetzungen des § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG mit dem ermäßigten Steuersatz zu versteuern.

 

2.1.2 Unentgeltliche Wertabgaben

Erbringt eine Werkstatt für behinderte Menschen, die als kommunaler Eigenbetrieb geführt wird, gleichwohl aber kooperatives Mitglied eines Wohlfahrtverbandes ist, Dienstleistungen an die eigene Trägerkörperschaft und stellt sie ihre Leistungen in Rechnung, liegt eine unentgeltliche Wertabgabe nach § 3 Abs. 9a Satz 1 Nr. 2 UStG vor, auf die der ermäßigte Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG anzuwenden ist.

 

2.2 Steuerbare, jedoch in der Regel steuerbefreite Leistungen

 

2.2.1 Beköstigung der Behinderten

Bei diesen Umsätzen handelt es sich um Leistungen, die nach der Verwaltungsauffassung unmittelbar den Behinderten zugute kommen.

Unter den Voraussetzungen des § 4 Nr. 18 UStG sind diese Leistungen, die die Werkstatt unmittelbar selbst an die Behinderten erbringt, von der Umsatzsteuer befreit. Das Entgelt für diese Leistungen besteht aus den Zahlungen der Behinderten selbst sowie aus den im Rahmen der Pflegesätze vom Landeswohlfahrtsverband (LWV) geleisteten Kostenerstattungen. Diese Kostenerstattungen erfolgen insoweit in Erfüllung der den Behinderten gegenüber auf Grund der Eingliederungshilfe nach dem SGB XII bestehenden Leistungsverpflichtung. Anspruchsberechtigter ist dem Grunde nach der Behinderte. Die Zahlungen unmittelbar an die Werkstätte stellen jedoch nur eine Abkürzung des Zahlungswegs dar.

 

2.2.2 Beköstigung des übrigen Personals

  • Die Beköstigung des übrigen beschäftigten Personals erfolgt ebenfalls im Rahmen eines umsatzsteuerbaren Leistungsaustauschs, der – soweit die Beköstigung als Vergütung für geleistete Dienste erfolgt – unter den Voraussetzungen des § 4 Nr. 18 Satz 2 UStG von der Umsatzsteuer befreit ist.
  • Soweit die Werkstattbediensteten (Betreuer usw.) auf freiwilliger Basis gegen besondere Entgeltszahlung an der Gemeinschaftsverpflegung teilnehmen, kommt insoweit die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 18 UStG nicht zum Zuge.

    Der steuerpflichtige Umsatz unterliegt jedoch dem ermäßigten Steuersatz des § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG, da die Behindertenwerkstatt ein Zweckbetrieb nach § 68 Nr. 3. AO ist (vgl. Abschnitt 170 Abs. 3 Satz 3 UStR).

  • Auch bei der Essensabgabe – z.B. in Form eines Cateringbetriebes an andere begünstigte Werkstätten sowie an andere Unternehmer – greift die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 18 UStG nicht, da die Leistungen nicht unmittelbar dem begünstigten Personenkreis zugute kommen. Der begünstigte Personenkreis, die Werkstattbeschäftigten, bekommt das Essen nicht von der Werkstatt, die es herstellt und liefert, sondern von der Werkstatt, die das Essen bezieht. Die Werkstattbeschäftigten stehen ausschließlich in einem Vertragsverhältnis mit der belieferten Werkstatt. Ihr Kostenträger bezahlt dieser die Aufwendungen für die Verpflegung. Die liefernde Werkstatt hat nur einen Erstattungsanspruch gegenüb...

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