Leitsatz

Die Gewährung von Beherbergung, Beköstigung usw. ist nur dann gemäß § 4 Nr. 23 UStG steuerfrei, wenn dem Unternehmer selbst die Erziehung, Ausbildung oder Fortbildung der aufgenommenen Jugendlichen obliegt. Er muss die Erziehungs-, Ausbildungs- oder Fortbildungszwecke zwar nicht allein verfolgen; es reicht aber auch nicht aus, dass sie lediglich von einem Dritten verfolgt werden (Abgrenzung gegenüber Abschn. 117 Abs. 2 Satz 1 UStR).

Der Unternehmer, der Jugendliche für Erziehungszwecke bei sich aufnimmt, muss eine Einrichtung auf dem Gebiet der Kinder- und Jugendbetreuung oder der Kinder- und Jugenderziehung i.S. des Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. h oder i der 6. EG-Richtlinie unterhalten.

 

Normenkette

§ 4 Nr. 23 UStG 1991 , Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. h oder i 6. EG-RL

 

Sachverhalt

Der Kläger betrieb eine Gastwirtschaft und eine Fremdenpension. Die Belegung erfolgte hauptsächlich durch Schulklassen sowie Kinder- und Jugendgruppen, wobei die Belegungsdauer regelmäßig 4 bis 5 Tage dauerte. Die Betreuung der Kinder erfolgte bei den Schulklassen durch die Lehrer bzw. bei den übrigen Kinder- und Jugendgruppen durch Pädagogen verschiedener Organisationen. Neben diesen Gruppen nahm der Kläger auch Pensionsgäste auf.

Der Kläger behandelte die mit der Unterbringung der Kinder und Jugendlichen zusammenhängenden Umsätze als steuerfrei.

Die Klage hatte keinen Erfolg, da nach Auffassung des FG die Befreiungsvorschrift des § 4 Nr. 23 UStG 1991 voraussetze, dass der begünstigte Unternehmer die dort genannten Zwecke selbst verfolgen müsse; dies treffe für den Kläger nicht zu.

 

Entscheidung

Die Entscheidung Der BFH bestätigte die Auffassung der Vorinstanz. Die Umsätze des Klägers seien als steuerpflichtige Leistungen zu beurteilen, da die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 23 UStG nur dann eingreife, wenn der Unternehmer die aus der Aufnahme zu den Erziehungs-, Ausbildungs- oder Fortbildungszwecken folgenden Betreuungs- und Pflegeleistungen selbst erbringe. Der Kläger habe die Kinder und Jugendlichen nicht zu dem Zweck ihrer Erziehung bei sich aufgenommen; seine im Streit stehenden Leistungen bestanden allein in der Unterbringung und Verköstigung der Jugendlichen. Träger eventueller Erziehungsmaßnahmen waren die verschiedenen Organisationen. Die Vorschrift des § 4 Nr. 23 UStG stehe auch im Einklang mit Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. h oder i der 6. EG-Richtlinie.

 

Hinweis

Der zu entscheidende Fall betraf die Auslegung einer Befreiungsvorschrift des § 4 UStG. Der BFH verfolgte dabei die Vorgaben des EuGH zum Anwendungsbereich möglicher Befreiungsvorschriften, die – so der EuGH in gefestigter Rechtsprechung – stets eng auszulegen seien.

Konsequenterweise musste sich der BFH bei Auslegung des § 4 Nr. 23 UStG danach fragen, welcher Zweck mit der Befreiungsvorschrift erreicht werden soll. Unter Hinweis auf sein Urteil vom 24.5.1989 (V R 127/84, BStBl. II 1989, 912) sah er den Zweck in der Befreiung darin, Einrichtungen im Bereich der Jugenderziehung und -ausbildung zu fördern, wobei diese Einrichtungen dadurch gekennzeichnet seien, dass sie Jugendliche für die genannten Zwecke bei sich aufnehmen. In Anbetracht der engen Auslegung des Merkmals "überwiegend Personen für Erziehungszwecke bei sich aufnehmen" in § 4 Nr. 23 UStG stellt er insoweit klar, dass der Unternehmer selbst – wenn auch nicht allein – bewusst oder planmäßig auf die aufgenommenen Personen erzieherisch einwirken will und wirkt.

Der BFH folgt mit dieser Interpretation den Vorgaben von Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. h der 6. EG-RL, wonach nur Einrichtungen des öffentlichen Rechts und andere von dem betreffenden Mitgliedstaat als Einrichtung mit sozialem Charakter anerkannte Einrichtungen in den Genuss der Befreiung gelangen können. Die vom Kläger betriebene Gastwirtschaft und Fremdenpension war keine derartige Einrichtung.

Zu beachten ist, dass der BFH die bislang wohl von der Verwaltung in Abschnitt 117 Abs. 2 Satz 1 UStR 2000 zugelassene Interpretation, wonach die Erziehungs-, Ausbildungs- und Fortbildungszwecke nicht vom Unternehmer selbst verfolgt werden müssen, sondern für die Befreiung nur erforderlich sei, dass der Unternehmer sie für Erziehungszwecke usw. bei sich aufnähme, nicht übernommen hat. Damit ist Abschnitt 117 Abs. 2 Satz 1 UStR 2000 in der durch den BFH vorgegebenen Interpretation des § 4 Nr. 23 UStG ab sofort wie folgt zu lesen: Die Erziehungs-, Ausbildungs- und Fortbildungszwecke müssen durch den Unternehmer nicht selbst verfolgt werden, der die Jugendlichen bei sich aufnimmt. Nicht ausreichend ist dagegen, dass sie lediglich von einem Dritten verfolgt werden.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 28.9.2000, V R 26/99

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