Die Rechtsprechung hat in einer Vielzahl von Urteilen zur umsatzsteuerrechtlichen Betriebsstätte die normierten Voraussetzungen ausgelegt, zusammengefasst und erweitert. Dabei hat der BFH weitgehend die Rechtsprechung des EuGH übernommen. Die Vielzahl an Urteilen ist ein Beleg dafür, dass eine Dogmatik nicht existiert und jeder Einzelfall für sich zu beurteilen ist. So kommt es selbst bei den kleinsten Sachverhaltsunterschieden zu abweichenden Ergebnissen.

Vorliegen einer Betriebsstätte: Übereinstimmend liegt eine Betriebsstätte vor, wenn der Unternehmer einen Zugriff auf eine Einrichtung hat, die einen hinreichenden Grad an Beständigkeit sowie eine Struktur aufweist, die von der personellen und technischen Ausstattung her eine autonome Erbringung der betreffenden Leistung ermöglicht.[9]

a) Beständigkeit

Die Beständigkeit hat im Umsatzsteuerrecht einen anderen Bezugspunkt als im Ertragsteuerrecht. In § 12 Abs. 1 AO ist von einer festen Geschäftseinrichtung die Rede. Damit ist eine örtlich fixierte Betriebsstätte mit einer Beständigkeit von mindestens sechs Monaten gemeint.[10] So geht es bei der örtlichen Fixierung des Ertragsteuerrechts darum Erträge dauerhaft einer örtlich beständigen Einrichtung zuzuweisen.

Beständigkeit vorhandener Struktur entscheidend: Nach der Rechtsprechung ist der Bezugspunkt in der Umsatzsteuer für die Beständigkeit nicht eine feste und auf gewisse Dauer angelegte örtliche fixierte Geschäftseinrichtung. Entscheidend ist vielmehr die Beständigkeit einer vorhandenen Struktur, die eine autonome Leistungserbringung im Sinne des Umsatzsteuergesetzes ermöglicht.[11] Entsprechend den umsatzsteuerrechtlichen Grundprinzipien muss die Leistungserbringung im Mittelpunkt stehen und stellt den einzigen Bezugspunkt für die Beurteilung des Vorliegens einer Betriebsstätte dar. Es kommt somit gerade nicht auf eine örtliche Fixierung in Form einer festen Geschäftseinrichtung an. Die Beständigkeit muss in einer Struktur von personeller und technischer Ausstattung vorliegen. Aufgrund des Zusammenspiels muss der Unternehmer beständig in der Lage sein autonom die angebotene Leistung erbringen zu können. Sofern die Leistungserbringung aufgrund einer vorhandenen personellen und technischen Ausstattung nur vorübergehend möglich und gewollt ist, kann keine Betriebsstätte vorliegen.

[10] Achsnich, BeckOK/AO, Pfirrmann/Rosenke/Wagner, 16. Edition, § 12 Rz. 89 ff.
[11] EuGH, Urt. v. 17.7.1997 – C-190/95 – ARO Lease, Rz. 19; Urt. v. 28.6.2007 – C-73/06 – Planzer Luxembourg, Rz. 54.

b) Struktur der personellen und technischen Ausstattung

Der Rechtsprechung folgend, ist somit die Leistungserbringung des Unternehmers durch die feste Niederlassung primärer Anknüpfungspunkt. Nicht entscheidend ist, auf welche Art und Weise die Leistungserbringung erfolgt. Das gilt, zumal die normativen Voraussetzungen von der notwendigen personellen und technischen Ausstattung zur Leistungserbringung sprechen und nicht von der Ausführung der Leistung. Im Laufe der Rechtsprechung zur festen Niederlassung hat sich herausgestellt, dass es sich nicht zwingend um eigenes Personal oder die eigenen technischen Sachmittel handeln muss, die zur Leistungserbringung notwendig sind.

Zunächst konnte der EuGH sogar so verstanden werden, dass auch das Personal einer (Tochter-)Gesellschaft für die Begründung einer festen Niederlassung ausreiche.[12] Allerdings führte er noch im selben Jahr aus, dass es sich trotz alldem um eigenes Personal handeln müsse.[13] So kann nicht allein aufgrund der Existenz einer Niederlassung eines anderen Steuerpflichtigen das Personal und die Sachmittel eine feste Niederlassung des Leistenden begründen.[14] Dass eine Niederlassung einer Tochtergesellschaft nicht automatisch zur Begründung einer festen Niederlassung ausreichen soll, hat der EuGH mittlerweile klargestellt.[15] In solchen Fällen – ähnlich der Zurechnungsmöglichkeit von Fremdpersonal – sei auf die wirtschaftliche und geschäftliche Realität zur Einstufung abzustellen.[16]

Weisungsabhängiges Fremdpersonal ausreichend? Eine Linie für die Zurechnung von Fremdpersonal – zumindest auf europäischer Ebene – scheint zumindest durch das Urteil Titanium festzustehen. Danach ist es für den EuGH nun unerlässlich, dass eigenes Personal vorhanden ist, um eine feste Niederlassung begründen zu können.[17] Im Urteil Titanium war kein eigenes Personal vorhanden und das Fremdpersonal hat nicht im Namen des Unternehmers, und damit des eigentlichen Leistenden gehandelt. Ob der EuGH nun ausschließlich eigenes Personal für das Vorliegen einer festen Niederlassung verlangt, selbst wenn das Fremdpersonal explizit ausgewählt wird, weisungsabhängig ist und so unmittelbar zur Leistungserbringung für den Leis...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Steuer Office Excellence. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge