Leitsatz

Wendet ein Schenker dem Bedachten mehrere Vermögensgegenstände gleichzeitig zu, erlangt das FA aber lediglich Kenntnis von der freigebigen Zuwendung eines dieser Gegenstände, führt dies nicht zum Anlauf der Festsetzungsfrist für die Schenkungsteuer für die übrigen zugewendeten Vermögensgegenstände.

 

Normenkette

§ 88 Abs. 1, § 170 Abs. 5 Nr. 2 AO

 

Sachverhalt

Der Kläger erhielt im Jahr 2002 von seiner Mutter (M) Anteile am Grundbesitz (B) und an Eigentumswohnungen. Der beurkundende Notar übersandte der für die Grunderwerbsteuer zuständigen Finanzbehörde eine Veräußerungsanzeige, in welcher lediglich der Grundbesitz B aufgeführt war; diese Anzeige gelangte auch zur Schenkungsteuerakte. Im Jahr 2009 verstarb M. Der Kläger reichte im Jahr 2011 eine Erbschaft­steuererklärung ein und deklarierte die gesamte Zuwendung des Jahres 2002 als Vorerwerb.

Mit Schenkungsteuerbescheid aus 2012 setzte das FA für die Zuwendungen im Jahr 2002 gegenüber dem Kläger Schenkungsteuer fest. Der Rechtsbehelf gegen die Besteuerung des übrigen Grundbesitzes hatte keinen Erfolg. Die Vorinstanz (FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 5.11.2015, 14 K 14201/14, Haufe-Index 9041258) wies die Klage ab. Als Begründung führte das FG aus, die Schenkungsteuer für den Erwerb sei im Zeitpunkt des Erlasses des Schenkungsteuerbescheids – mit Ausnahme der auf den Erwerb des Grundbesitzes B entfallenden Steuer – noch nicht festsetzungsverjährt gewesen.

 

Entscheidung

Die Revision hatte keinen Erfolg. Auch der BFH geht davon aus, dass im Zeitpunkt des Erlasses des Schenkungsteuerbescheids im Jahr 2012 für den übrigen Grundbesitz noch keine Festsetzungsverjährung eingetreten und der Steueranspruch deshalb auch nicht erloschen war.

Der Senat führt aus, dass Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis unter anderem nach § 47 AO durch Verjährung erlöschen. Auch die Festsetzungsfrist für Schenkungen beträgt regelmäßig vier Jahre, § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO. Nach der für die Schenkungsteuer geltenden Sonderregelung in § 170 Abs. 5 Nr. 2 AO beginnt die Festsetzungsfrist einer Schenkung nicht vor Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Schenker gestorben ist oder die Finanzbehörde von der vollzogenen Schenkung Kenntnis erlangt hat. Maßgeblich ist dabei die Alternative, die als Erste eintritt. Die Anlaufhemmung erfordert nach dem Wortlaut des Gesetzes die positive "Kenntnis" des FA von der vollzogenen Schenkung. Wendet ein Schenker dem Empfänger mehrere Vermögensgegenstände gleichzeitig zu, so muss sich für den Anlauf der Festsetzungsfrist die erforderliche Kenntnis des FA von der vollzogenen Schenkung auf jeden einzelnen Vermögensgegenstand beziehen. Die Festsetzungsfrist beginnt nicht deshalb zu laufen, weil das FA die Möglichkeit gehabt hätte, weitere Ermittlungen anzustellen, § 88 Abs. 1 AO.

Nach diesen Grundsätzen durfte die Schenkungsteuer gegenüber dem Kläger im Jahr 2012 noch festgesetzt werden. Die Festsetzungsfrist für den Erwerb des übrigen Grundbesitzes begann nach § 170 Abs. 5 Nr. 2 1. Alt. AO mit Ablauf des Jahres 2009; in diesem Jahr war M verstorben. Ein früherer Beginn der Festsetzungsfrist wegen "Kenntnis" des FA scheidet aus. Denn das FA erlangte erst mit Einreichung der Erbschaftsteuererklärung im Jahr 2011 Kenntnis von der Schenkung des übrigen Grundbesitzes. Durch die notarielle Veräußerungsanzeige konnte das FA dieses Wissen nicht erlangen.

 

Hinweis

Die Bedeutung der Festsetzungsfrist wird in der Praxis gelegentlich unterschätzt. Denn ein Steueranspruch kann bis zum Ablauf dieser Frist Bestand haben (§ 47 AO) und die Abgabenordnung kennt verschiedene An- und Ablaufhemmungen. In Gang gesetzt wird die Festsetzungsfrist häufig durch die Erstattung einer ordnungsgemäßen Erklärung oder Anzeige, § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO. Im Fall der Schenkungsteuer stellt die Sonderregelung in § 170 Abs. 5 Nr. 2 AO allerdings für den Beginn der Festsetzungsfrist auf den Tod des Schenkers oder die Kenntnis des Finanzamtes vom Besteuerungstatbestand ab.

Im Urteil vom 8.3.2017 (II R 2/15, BFH/NV 2017, 936, BFH/PR 2017, 275, BStBl II 2017, 751) musste sich der Senat mit dem Beginn der Festsetzungsverjährung bei mittelbarer Schenkung befassen. Bei einer mittelbaren Schenkung hat die Finanzbehörde erst dann Kenntnis von der vollzogenen Schenkung, wenn sie alle Umstände kennt, die die mittelbare Schenkung begründen.

Im vorliegenden Fall geht es um die Frage der Kenntnis des FA bei der Zuwendung mehrerer Vermögensgegenstände. Hier muss sich das Wissen auf jeden einzelnen Gegenstand erstrecken.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 26.7.2017 – II R 21/16

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