Leitsatz

Die Verpflichtung zur Abgabe der Einkommensteuererklärung nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz durch Datenfernübertragung gemäß § 25 Abs. 4 Satz 1 EStG ist wirtschaftlich unzumutbar i.S. von § 150 Abs. 8 Sätze 1 und 2 AO, wenn der finanzielle Aufwand für die Einrichtung und Aufrechterhaltung einer Datenfernübertragungsmöglichkeit in keinem wirtschaftlich sinnvollen Verhältnis zu den Einkünften nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 bis 3 EStG steht.

 

Normenkette

§ 25 Abs. 4 Sätze 1 und 2 EStG, § 150 Abs. 8 AO

 

Sachverhalt

Der im Jahr 1965 geborene Kläger ist seit 2006 als selbstständiger Physiotherapeut tätig. Er übte seine Tätigkeit ohne Mitarbeiter und ohne eigene Praxis- oder Büroräume aus. Er verfügte zwar über einen PC und einen Telefonanschluss, nicht aber über einen Internetzugang oder ein Smartphone.

Der Kläger reichte seine Steuererklärung für das Jahr 2017, in dem er Einkünfte aus selbstständiger Arbeit i.H.v. 14.534 EUR erzielt hatte, in Form eines handschriftlich ausgefüllten amtlichen Vordrucks nebst Anlage EÜR beim FA ein.

Daraufhin forderte das FA den Kläger erfolglos zur elektronischen Übermittlung der Einkommensteuererklärung auf und drohte für den Fall einer Zuwiderhandlung die Verhängung eines Zwangsgeldes an. Dieses setzte es im Jahr 2018 i.H.v. 200 EUR fest und lehnte den Antrag des Klägers, von der Verpflichtung zur elektronischen Erklärungsabgabe befreit zu werden, ab.

Die hiergegen erhobene Klage hatte Erfolg. Das FG verpflichtete das FA, den Kläger von der Verpflichtung zur elektronischen Erklärungsabgabe für das Streitjahr freizustellen, und hob den Bescheid über die Festsetzung des Zwangsgeldes auf (FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 8.8.2019, 4 K 4231/18, Haufe-Index 14223710).

 

Entscheidung

Der BFH hat die Revision des FA als unbegründet zurückgewiesen.

 

Hinweis

1. Auch im vorliegenden Fall hat der BFH die Rechtsauffassung vertreten, dass der Steuerpflichtige nach § 25 Abs. 4 Satz 2 EStG i.V.m. § 150 Abs. 8 AO einen Rechtsanspruch auf Befreiung von der elektronischen Übermittlung der Einkommensteuererklärung hat, wenn die Schaffung der technischen Voraussetzungen in keinem wirtschaftlich sinnvollen Verhältnis mehr zu den Einkünften steht. Hierzu gehören nicht nur die Aufwendungen für die Bereitstellung einer Internetverbindung, sondern auch für die Anschaffung oder Umrüstung und dauerhafte Pflege der erforderlichen Hard- und Software. Danach können sich insbesondere "Kleinstbetriebe" auf die Härtefallregelung des § 150 Abs. 8 AO berufen.

2. Zu beachten ist, dass sich der Kostenvergleich allein auf die Gewinneinkünfte des Steuerpflichtigen nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 EStG bezieht. Unerheblich sind danach die weiteren finanziellen Verhältnisse des Steuerpflichtigen.

3. Aufgrund der Rechtswidrigkeit der Anordnung der elektronischen Übermittlung der Einkommensteuererklärung nebst Anlage EÜR war im vorliegenden Fall auch die Festsetzung des Zwangsgeldes rechtswidrig.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 16.6.2020 – VIII R 29/19

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