Entscheidungsstichwort (Thema)
Auflösung eines Arbeitsverhältnisses
Orientierungssatz
Maßgeblicher Auflösungszeitpunkt bei außerordentlicher und ordentlicher Kündigung durch den Arbeitgeber. Bestätigung des Senatsurteils vom 23.4.1981 (- 2 AZR 51/79 -nicht veröffentlicht).
Normenkette
KSchG § 9
Verfahrensgang
LAG Köln (Entscheidung vom 30.10.1987; Aktenzeichen 9 Sa 766/87) |
ArbG Köln (Entscheidung vom 23.06.1987; Aktenzeichen 4 Ca 3638/87) |
Tatbestand
Die Parteien streiten nur noch über das Begehren des Klägers, sein Arbeitsverhältnis zum Zeitpunkt des Ablaufs der ordentlichen Kündigungsfrist aufzulösen.
Der am 29. März 1931 geborene, verheiratete Kläger war nach vorangegangenen Beschäftigungsverhältnissen im Jahre 1963 und vom 6. Mai 1967 bis 28. Dezember 1968 seit dem 13. Juni 1970 bei der Beklagten ununterbrochen als Busfahrer beschäftigt. Er verdiente zuletzt monatlich 4.170,-- DM brutto. Im Jahre 1986 war der Kläger zweimal arbeitsunfähig erkrankt. Anläßlich einer Erkrankung am 31. März 1987 wegen Bluthochdrucks und Kreislaufbeschwerden wurde er bis zum 24. April 1987 krank geschrieben. Vom 27. bis 29. April 1987 verrichtete er wieder seine Arbeit. Am Morgen des 30. April 1987 erschien er gegen 6.50 Uhr im Betrieb der Beklagten, fuhr jedoch schon kurze Zeit später ohne Abmeldung mit seinem privaten Pkw zurück nach Hause. Er wurde ab diesem Tag erneut krank geschrieben, seine Ehefrau meldete ihn gegen 8.15 Uhr telefonisch gegenüber dem Ehemann der Geschäftsführerin der Beklagten, Sch, krank. Sch. ist im Betrieb der Beklagten für den technischen Ablauf (Arbeitseinteilung, Auftragsannahme, Anweisungen an die Fahrer) verantwortlich. Dieser erklärte der Ehefrau am Telefon, dem Kläger sei wegen Arbeitsverweigerung fristlos gekündigt.
Am 7. Mai 1987 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis nochmals schriftlich fristlos, hilfsweise fristgerecht.
Der Kläger hat Klage auf Feststellung erhoben, daß die beiden Kündigungen unwirksam seien. In erster Instanz hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 27. Mai 1987 unter anderem vorgetragen:
"Die fristlose Kündigung des Klägers wird auch damit be-
gründet, daß die Beklagte in der letzten April-Woche 1987
Kenntnis von dem Umstand erlangte, daß der Kläger nicht im
Besitz einer Fahrerlaubnis ist.
Beweis: 1. Parteivernehmung.
2. Auskunft bei dem zuständigen Straßenverkehrsamt.
Dem Kläger wurde nämlich durch die ermittelnde Staatsan-
waltschaft das Vergehen einer Verkehrsunfallflucht nach
§ 142 StGB vorgeworfen. Da zwischenzeitlich nach Kenntnis
der Beklagten eine Verurteilung erfolgt ist, wurde dem
Kläger auch die Fahrerlaubnis entzogen. Wenn er dennoch
am 27./28. und 29.04.1987 einen Omnibus der Beklagten
geführt hat, erfolgte widerrechtlich."
Diesen Vortrag hat sie mit Schriftsatz vom 9. Juni 1987 wie folgt modifiziert:
"Der Beklagten ist lediglich bekannt, daß der Kläger mit
einem Bus der Beklagten am 05.12.1986 auf dem Altermarkt
in Köln einen Verkehrsunfall verursachte, bei dem er ein
Transparent und eine Hauswand beschädigte. Offensichtlich
ist der Kläger nicht an der Unfallstelle verblieben. Einige
Tage nach dem Unfall wurde die Beklagte von Polizeibeamten
aufgesucht, nachdem anhand des Kennzeichens des am Unfall
beteiligten Busses die Beklagte als Halterin ermittelt war.
Bei dieser Gelegenheit wurde der Beklagte von seiten der
Polizeibeamten mitgeteilt, daß man gegen den Halter dieses
Busses wegen Unfallflucht ermittele.
Welches Ergebnis dieses Ermittlungsverfahren letztlich hat,
entzieht sich der Kenntnis der Beklagten. Der Kläger hat die
Beklagte hierüber nicht weiter unterrichtet. Die Beklagte
geht jedoch davon aus, daß dem Kläger die Fahrerlaubnis
entzogen wurde, da dieses eine regelmäßige Folge bei Ver-
stößen gegen § 142 StGB darstellt.
Im übrigen mag der Kläger im einzelnen zu dieser Frage
vortragen."
Der Kläger hat hierauf seine Klage erweitert und Auflösung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung begehrt, in zweiter Instanz hat er zu Protokoll des Gerichts erklärt, er sei mit einer Auflösung zum 31. Juli 1987 einverstanden.
Der Kläger hat vorgetragen, ihm sei die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr zuzumuten. Obwohl er sich jahrelang für die Beklagte eingesetzt habe, habe Sch. ihn als arbeitsscheu und faul bezeichnet und ihm vorgeworfen, er drücke sich immer dann von der Arbeit, wenn sein Dienstplan einen Einsatz bis 23.00 Uhr vorsehe. Schon im Zusammenhang mit der Erkrankung vom 31. März 1987 sei er völlig unüblich zweimal zum Vertrauensarzt geladen worden. Er habe sich hierauf gesundschreiben lassen, was der behandelnde Arzt nur unter der Voraussetzung verantwortet habe, daß er zusätzlich weiter Tabletten einnehme. Am 30. April 1987 sei ihm nach Arbeitsaufnahme schlecht geworden. Er habe sich sofort auf die Heimfahrt begeben und sei noch bis zu seiner Garage gelangt, dort von einem Nachbarn gefunden und von seiner Ehefrau zum Arzt gebracht worden, der ihn sofort wieder krank geschrieben habe. Anläßlich des Telefonats seiner Ehefrau mit Sch. habe dieser erklärt, er, der Kläger, stelle sich nur krank und sei in Wahrheit faul.
Die Darstellung der Beklagten hinsichtlich des angeblichen Entzugs der Fahrerlaubnis entspreche nicht den Tatsachen. Die Beklagte habe insoweit ins Blaue hinein die Behauptung aufgestellt, er habe im öffentlichen Straßenverkehr ein Kraftfahrzeug ohne gültige Fahrerlaubnis geführt. Es sei zwar ein Ermittlungsverfahren wegen Verkehrsunfallflucht gegen ihn eingeleitet worden. Die Fahrerlaubnis sei ihm jedoch nie entzogen worden und die Beklagte sei über die Einzel- und Besonderheiten des Vorfalls unterrichtet gewesen. Er habe nämlich bei einem Einsatz für die Beklagte mit dem Bus eine Balustrade gestreift. Da er die dringende Fahrt nicht habe verzögern wollen, habe er einem dort befindlichen Arbeiter den Namen seiner Firma angegeben und zugesagt, nach Beendigung des Transports sofort zurückzukommen, um Angaben zur Regulierung des Schadens zu machen. Vor einem Hotel, zu dem er Kongreßteilnehmer habe befördern müssen, habe er noch einen ihm persönlich bekannten Taxifahrer gebeten, zur Baustelle zu fahren und alle erforderlichen Angaben zu machen, während er selbst versucht habe, bei der Firma M für den beschädigten Bus einen Ersatzbus zu erhalten. Auf der Fahrt dorthin sei er Sch., der ebenfalls einen Bus gesteuert habe, begegnet und habe diesen per Funk gebeten, sich sicherheitshalber ebenfalls um den Schaden zu kümmern. Von der Firma M aus sei er dann zur Polizei gefahren, um die nötigen Angaben zu machen.
Der Kläger hat, soweit in der Revision noch erheblich, beantragt, das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung in Höhe von 37.530,-- DM netto aufzulösen.
Die Beklagte hat beantragt, den Auflösungsantrag zurückzuweisen.
Sie hat geltend gemacht, eine Unzumutbarkeit liege nicht vor, der Kläger müsse es hinnehmen, daß sie im Prozeß entsprechend ihrem Kenntnisstand ihr günstige Tatsachen vortrage, zudem enthielten ihre Schriftsätze Wertungen und keine Tatsachen.
Daß es dem Kläger am Morgen des 30. April 1987 übel geworden sei, werde bestritten. Der Kläger sei nämlich am Abend des 30. April 1987 gegenüber Sch., der die Schlüssel habe holen wollen, aggressiv aufgetreten. Der Kläger hätte sich aber zumindest abmelden können. Sch. habe diesen am Telefon gegenüber der Ehefrau auch nicht als faul bezeichnet, zudem müsse sie sich dessen Äußerungen nicht anrechnen lassen. Tatsache sei allerdings, daß der Kläger seit Mitte 1985 immer dann erkrankt sei, wenn er abends hätte fahren sollen.
Hinsichtlich der Verkehrsunfallflucht habe sie das vorgetragen, was ihr bekannt gewesen sei, der Kläger habe sie nicht näher informiert. Daß gegen den Kläger ein Ermittlungsverfahren eingeleitet worden sei, habe sie nicht zu vertreten. Sch. habe nach der Mitteilung des Klägers unverzüglich die Unfallstelle aufgesucht und die Polizei unterrichtet.
Das Arbeitsgericht hat die Unwirksamkeit beider Kündigungen festgestellt und das Arbeitsverhältnis zum 31. Juli 1987 aufgelöst sowie die Beklagte verurteilt, an den Kläger eine Abfindung von 35.445,-- DM zu zahlen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten, mit der diese sich unter Erklärung der "Rücknahme" der Kündigungen nur gegen die Auflösung des Arbeitsverhältnisses gewehrt hat, nach Beweisaufnahme zurückgewiesen.
Mit der Revision erstrebt die Beklagte die Zurückweisung des Auflösungs- und des Zahlungsantrages des Klägers. Der Kläger beantragt die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet. Das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien ist auf Antrag des Kläger ohne Rechtsfehler zum 31. Juli 1987 aufgelöst worden.
I. Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, dem Kläger sei die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten nicht zuzumuten. Die Beklagte habe dem Kläger aus nichtigem Grund fristlos gekündigt und im Zusammenhang mit den insgesamt vier Krankheitszeiten in den letzten zwei Jahren leichtfertig und ohne konkrete Anhaltspunkte Behauptungen aufgestellt, die den Verdacht eines unkorrekten, vertragswidrigen Verhaltens des Klägers hätten begründen sollen. Die verspätete Abmeldung des Klägers am Morgen des 30. April 1985 sei mangels irgendeiner Abmahnung oder eines sonstigen Fehlverhaltens selbst dann als Kündigungsgrund ungeeignet, wenn der Kläger insoweit schuldhaft gehandelt hätte. Trotz ärztlich bestätigter Arbeitsunfähigkeit des Klägers ab 30. April 1987 habe Sch. der Ehefrau des Klägers am Telefon mitgeteilt, der Kläger erkranke gerade wieder an einem solchen Tag, an dem er für eine späte Busfahrt vorgesehen gewesen sei. Aufgrund der glaubwürdigen Aussage der als Zeugin gehörten Ehefrau des Klägers stehe weiter fest, daß Sch. gegenüber dieser am Telefon geäußert habe, als ihr Mann am 30. April 1987 in den Betrieb gekommen sei, sei er gesund gewesen; als er dann den Arbeitsplan gesehen habe, sei er nach Hause gefahren, ihr Mann sei faul, das Ganze sei eine Arbeitsverweigerung. Ein 56 Jahre alter Arbeitnehmer, der über 17 Jahre lang fast ohne Erkrankung und ohne Beanstandung oder Abmahnung für den Arbeitgeber tätig gewesen sei, müsse es nicht hinnehmen, daß der Arbeitgeber ihm anläßlich von Erkrankungen ohne berechtigten Anlaß vertragswidriges Verhalten, Simulation oder gar Faulheit vorwerfe. Die Beklagte müsse sich das Verhalten Sch. anrechnen lassen, sie habe es zudem geduldet und durch die zweite fristlose Kündigung bestätigt.
Die Beklagte habe dem Kläger darüber hinaus äußerst leichtfertig vorgeworfen, er habe an den Tagen 27. bis 29. April 1987 Busse geführt, ohne im Besitz einer Fahrerlaubnis zu sein. Es handele sich um ein für einen Berufskraftfahrer schwerwiegenden, ehrenrührigen Vorwurf, ohne daß der Kläger durch sein Verhalten Anlaß für eine solche Beschuldigung gegeben habe.
Das Arbeitsverhältnis sei aufzulösen gewesen zu dem Zeitpunkt, zu dem die hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung es beendet hätte. Der Arbeitnehmer habe im Falle einer fristlosen und hilfsweise ordentlichen Kündigung ein Wahlrecht. Vorliegend habe der Kläger ausdrücklich erklärt, er sei mit dem Zeitpunkt des Ablaufs der Kündigungsfrist einverstanden.
II. Die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts halten im Ergebnis und in weiten Teilen der Begründung der revisionsrechtlichen Überprüfung stand.
1. Nach § 9 KSchG hat das Gericht auf Antrag des Arbeitnehmers das Arbeitsverhältnis des Arbeitnehmers aufzulösen und den Arbeitgeber zur Zahlung einer angemessenen Entschädigung zu verurteilen, wenn feststeht, daß das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist, jedoch dem Arbeitnehmer die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zuzumuten ist. Hierbei hat es nach § 9 Abs. 2 KSchG für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses den Zeitpunkt festzusetzen, an dem es bei sozial gerechtfertigter Kündigung geendet hätte. Nach § 13 Abs. 1 KSchG gilt im Falle einer außerordentlichen Kündigung § 9 Abs. 2 KSchG entsprechend.
2. Durch das von der Beklagten insoweit nicht angefochtene Urteil des Arbeitsgerichts steht rechtskräftig fest, daß die außerordentliche Kündigung der Beklagten unbegründet und die ordentliche Kündigung sozialwidrig ist. Die von der Beklagten in der Berufungsbegründung erklärte "Kündigungsrücknahme" auf die der Kläger nicht im Sinne einer einverständlichen Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses reagiert hat, ist im Hinblick auf das Rechtsschutzinteresse des Klägers, gemäß § 9 KSchG die Auflösung des Arbeitsverhältnisses zu beantragen, unbeachtlich (vgl. BAGE 40, 56 = AP Nr. 9 zu § 9 KSchG 1969 in Fortführung von BAGE 35, 30 = AP Nr. 6 zu § 9 KSchG 1969). Das Berufungsgericht hat die Erklärung des Klägers in der mündlichen Verhandlung vom 30. Oktober 1987, er sei mit einer Auflösung des Arbeitsverhältnisses zum 31. Juli 1987 einverstanden, nicht als Einverständnis mit der "Rücknahme" der fristlosen Kündigung gewertet. Diese Auslegung des Landesarbeitsgerichts begegnet revisionsrechtlich keinen Bedenken, denn aus der Protokollerklärung des Klägers, er sei mit dem 31. Juli 1987 als Endtermin "einverstanden", ergibt sich, daß er offenbar von mehreren Möglichkeiten gerade diesen Termin hat wählen wollen, und zwar unter Aufrechterhaltung der Feststellung der Unwirksamkeit beider Kündigungen.
3. Das Landesarbeitsgericht ist bei Prüfung der Unzumutbarkeit von rechtlich zutreffenden Erwägungen ausgegangen. Bei der Subsumtion des festgestellten Sachverhaltes unter § 9 KSchG handelt es sich um die Anwendung eines unbestimmten Rechtsbegriffes, der nur beschränkt revisibel ist. Das Revisionsgericht kann nur nachprüfen, ob die Voraussetzungen des § 9 KSchG erfüllt sind, ob das Berufungsgericht den Begriff der Unzumutbarkeit verkannt und ob es bei der Prüfung der vom Arbeitnehmer vorgetragenen Auflösungsgründe alle wesentlichen Umstände vollständig und widerspruchsfrei berücksichtigt und gewürdigt hat (BAGE 35, 30 = AP, aa0; BAGE 37, 135 = AP Nr. 8 zu § 9 KSchG 1969). Dem wird das angefochtene Urteil gerecht.
Unter Aufgabe der früheren Rechtsprechung hat der Senat bereits am 26. November 1981 (BAGE 32, 135 = AP, aa0) entschieden, der Begriff der Unzumutbarkeit in § 9 Abs. 1 Satz 1 KSchG sei nicht ebenso anzuwenden wie bei der arbeitnehmerseitigen außerordentlichen Kündigung nach § 626 Abs. 1 BGB. Der unterschiedliche Normzweck der beiden Vorschriften erfordert vielmehr auch unterschiedliche Beurteilungsmaßstäbe für den Begriff der Unzumutbarkeit in § 9 Abs. 1 Satz 1 KSchG und § 626 Abs. 1 BGB. Gründe, die zur fristlosen Kündigung berechtigen, machen zwar stets auch die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nach § 9 Abs. 1 Satz 1 KSchG unzumutbar, andererseits können schon solche Tatsachen die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nach § 9 Abs. 1 Satz 1 KSchG unzumutbar machen, die für eine fristlose Kündigung nicht ausreichen. Das Kündigungsschutzgesetz dient zwar vornehmlich dem Schutz des Arbeitnehmers, es ist also ein Bestandsschutzgesetz und kein Abfindungsgesetz. Dabei ist aber zu berücksichtigen, daß die dem Arbeitnehmer gesetzlich eingeräumte Möglichkeit, gemäß § 9 KSchG die Auflösung des Arbeitsverhältnisses zu verlangen, gleichwertig neben § 1 KSchG steht. Der im Interesse des Arbeitnehmers geschaffene Bestandsschutz soll nicht gegen seinen Willen durchsetzbar sein.
Durch die Anknüpfung an die Unzumutbarkeit bei der Prüfung der Frage der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bei dem Antrag des Arbeitnehmers sind solche Fälle erfaßt, bei denen es dem Arbeitnehmer unter Zugrundelegung der zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung maßgebenden Tatsachen (BAGE 28, 196 = AP Nr. 3 zu § 9 KSchG 1969 und BAGE 35, 30 = AP, aa0) unerträglich ist, weiter bei seinem Arbeitgeber tätig zu sein. Die im einzelnen vorzutragenden unzumutbaren Umstände müssen in zeitlichem und sachlichem Zusammenhang mit der Kündigung und mit dem Kündigungsschutzprozeß stehen (BAGE 12, 174 = AP Nr. 20 zu § 66 BetrVG und BAGE 25, 43 = AP Nr. 2 zu § 9 KSchG 1969), wobei unter Berücksichtigung des hier zu entscheidenden Rechtsstreites insbesondere solche Fälle beachtlich sind, in denen als Kündigungsgründe unzutreffende ehrverletzende Behauptungen über die Person oder das Verhalten des Arbeitnehmers leichtfertig erhoben worden sind oder das Vertrauensverhältnis im Verlaufe des Kündigungsrechtsstreits ohne Verschulden des Arbeitnehmers zerrüttet worden ist (vgl. KR-Becker, 2. Aufl., § 9 KSchG Rz 41).
Das Landesarbeitsgericht hat daher zu Recht die Vorfälle im Zusammenhang mit den Kündigungen und dem Verhalten der Beklagten im Prozeß berücksichtigt und umfassend gewertet. Insoweit hält das angefochtene Urteil dem beschränkten Prüfungsmaßstab stand. Der Senat ist bei Beurteilung dieser Rechtsfrage an die tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts gebunden, die Revision erhebt insoweit keine durchgreifenden Rügen (§ 561 ZPO).
a) Das Berufungsgericht hat zunächst zutreffend erwogen, der Kläger habe von 1970 an ununterbrochen ohne Erkrankung bis zum Juli 1986 für die Beklagte gearbeitet, ohne daß diese Gründe vorgetragen hätte, die auf eine Störung des Arbeitsverhältnisses aus anderen Gründen während dieser Zeit hätten schließen lassen. Daß der für den technischen Ablauf zuständige Ehemann der Geschäftsführerin der Beklagten gegenüber der Ehefrau des Klägers trotz dessen Erkrankung von einer Faulheit des Klägers sprach und eine fristlose Kündigung am Telefon erklärte, die jedenfalls später von der Beklagten schriftlich wiederholt worden ist, kann auch dann nur als außerordentlich rücksichtslose Maßnahme gewertet werden, wenn die Beklagte der Auffassung hätte sein können, der Kläger hätte sich am 30. April 1987 zumindest abmelden müssen. Das Landesarbeitsgericht hat insoweit zu Recht darauf abgestellt, auch im Falle einer dem Kläger noch möglichen Abmeldung hätte die Verletzung dieser arbeitsvertraglichen Pflicht schon deshalb keine fristlose Kündigung nach sich ziehen können, da der Kläger niemals abgemahnt worden sei. Auch wenn berücksichtigt würde, Sch. habe sich am Telefon aus Erregung zu voreiligen Schlüssen hinreißen lassen, so gilt dies jedenfalls nicht für die etwa eine Woche später wiederholte schriftliche fristlose Kündigung der Beklagten.
b) Als schwer ehrverletzend hat das Berufungsgericht auch zu Recht den Vortrag der Beklagten im Prozeß hinsichtlich des angeblichen Entzugs der Fahrerlaubnis qualifiziert. Da der Unfall sich bereits Anfang Dezember 1986 ereignet hatte und der Beklagten auch als solcher bekannt war, zeigt ihr Verhalten, daß sie jedenfalls aus dem damit im Zusammenhang stehenden Verhalten des Klägers, insbesondere dem Nichtverweilen an der Unfallstelle, keine arbeitsrechtlichen Folgerungen hat ziehen wollen. Die im Schriftsatz vom 27. Mai 1987 unzutreffend aufgestellte Behauptung, sie habe in der letzten Aprilwoche 1987 Kenntnis von dem Umstand erlangt, der Kläger sei nicht im Besitz der Fahrerlaubnis, stellt eine schwerwiegende Ehrverletzung des Klägers insbesondere deshalb dar, als ihm damit incidenter unterstellt wird, er habe längere Zeit Busse im öffentlichen Straßenverkehr geführt, ohne im Besitz einer gültigen Fahrerlaubnis zu sein. Die Beklagte hat sich in dem nachfolgenden Schriftsatz vom 9. Juni 1987 auch nicht dafür entschuldigt, sondern die zuvor behauptete positive Kenntnis jetzt auf eine bloße Vermutung beschränkt. Das Berufungsgericht hat in diesem Gesamtverhalten der Beklagten zu Recht eine nachhaltige Störung des Vertrauensverhältnisses erblickt, da gerade unberechtigte Vorwürfe im Zusammenhang mit einer Erkrankung und solche in Bezug auf eine angeblich unkorrekte und sogar strafbare Lebensführung besonders verletzend sind.
Es ist auch nicht ersichtlich und insbesondere in der Revision nicht überzeugend dargetan, aufgrund welcher Umstände das Verhalten der Beklagten anders zu würdigen wäre.
4. Das Berufungsgericht hat das Arbeitsverhältnis im Ergebnis zu Recht nach § 9 Abs. 1 Satz 1, § 622 Abs.2 BGB zu dem Zeitpunkt aufgelöst, bei dem es bei sozial gerechtfertigter Kündigung geendet hätte. Seine rechtlichen Erwägungen tragen, soweit es beim Vorliegen einer ordentlichen Kündigung und einer außerordentlichen Kündigung auf die Bestimmung durch den Arbeitnehmer abstellt.
Die außerordentliche und die zugleich ausgesprochene ordentliche Kündigungen sind rechtlich jeweils selbständig zu behandelnde Gestaltungsakte des Arbeitgebers. Kommt das Gericht zu dem Ergebnis, daß sowohl die außerordentliche wie die ordentliche Kündigung unwirksam ist, so kommt für den Arbeitnehmer sowohl eine Auflösung nach § 13 Abs. 1 Satz 3 KSchG wie nach § 9 Abs. 1 Satz 1 KSchG in Betracht. Maßgebend ist allein, welchen Antrag der Arbeitnehmer gestellt hat (vgl. BAG Urteil vom 23. April 1981 - 2 AZR 51/79 - n.v.; KR-Becker, aa0, § 9 KSchG, Rz 31 a; Herschel/Löwisch, KSchG, 6. Aufl., § 13 Rz 26). Die vom Landesarbeitsgericht erörterte Konfliktlage (Bestimmung des Auflösungszeitpunktes bei einer unwirksamen außerordentlichen Kündigung) besteht im vorliegenden Fall nicht. Selbst wenn es in I. Instanz unklar gewesen sein könnte, auf welche Vorschrift der Kläger seinen Auflösungsantrag stützen will, so hat er sich jedenfalls in II. Instanz ausdrücklich auf den 31. Juli 1987 und damit auch auf § 9 Abs. 1 Satz 1 KSchG festgelegt, so daß für eine andere Auslegung seines Begehrens kein Raum war.
Hillebrecht Triebfürst Ascheid
Dr. Müller Dr. Bobke
Fundstellen