Entscheidungsstichwort (Thema)

Versetzung - Wechsel von Tagschicht in Nachtschicht

 

Leitsatz (redaktionell)

Die Umsetzung eines Arbeitnehmers von der Tagschicht in die Nachtschicht ist keine zustimmungspflichtige Versetzung, wenn sich dadurch lediglich die Lage der Arbeitszeit des betroffenen Arbeitnehmers ändert.

 

Verfahrensgang

LAG Rheinland-Pfalz (Entscheidung vom 21.04.1993; Aktenzeichen 10 (3) TaBV 41/92)

ArbG Mainz (Entscheidung vom 16.09.1992; Aktenzeichen 4 BV 57/92)

 

Gründe

A. Die Beteiligten streiten über das Vorliegen einer mitbestimmungspflichtigen Versetzung.

Der Arbeitgeber, eine gemeinnützige Körperschaft, widmet sich der Pflege und Versorgung chronisch nierenkranker Patienten. Er betreibt eine Vielzahl von Dialysezentren in der Bundesrepublik, darunter ein Zentrum in M . Antragsteller ist der dort gewählte Betriebsrat.

Im Dialysezentrum M sind etwa 50 Arbeitnehmer beschäftigt. Der Dienst ist in zwei wesentliche Teilbereiche aufgeteilt, nämlich den sog. Normaldienst mit Schichtarbeitszeiten von 7.00 Uhr bis 14.57 Uhr bzw. 11.00 Uhr bis 18.57 Uhr und den sog. Nachtdienst mit Schichtarbeitszeiten von 17.30 Uhr bis 3.00 Uhr bzw. 3.30 Uhr (montags, mittwochs, freitags) bzw. 17.00 Uhr bis 3.00 Uhr (dienstags, donnerstags, sonntags).

Schicht- und Dienstpläne sind im Rahmen von Betriebsvereinbarungen entwickelt worden. Sowohl der Normaldienst, in dem etwa 30 bis 35 Pflegekräfte jeweils im Einsatz sind, als auch der Nachtdienst, in dem etwa 11 Pflegekräfte eingesetzt werden, unterstehen einer gemeinsamen Pflegedienstleitung. Eine jeweils für den Normaldienst bzw. Nachtdienst eingeteilte Gruppenschwester ist für die Dienstplangestaltung verantwortlich.

Ein regelmäßiger Wechsel der Arbeitnehmer vom Normaldienst in den Nachtdienst findet nicht statt. Der Nachtdienst wird von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern verrichtet, die sich arbeitsvertraglich hierzu ausdrücklich verpflichtet haben. Im Falle von personellen Engpässen ist aufgrund entsprechender vertraglicher Regelungen ein Einsatz der im Normaldienst arbeitenden Arbeitnehmer auch im Nachtdienst (und umgekehrt) möglich. Dies wird allerdings nur selten erforderlich.

Während der Nachtschicht ist ärztliches Personal nicht eingesetzt. Insoweit besteht lediglich eine telefonische Rufbereitschaft. Diese wird bei jährlich etwa 5.500 durchgeführten Dialysen jedoch nur durchschnittlich dreimal in Anspruch genommen. Außerdem stehen im Nachtdienst die tagsüber dienstleistenden Techniker des Dialysezentrums nicht zur Verfügung.

Zum Aufgabenbereich sowohl des im Normaldienst als auch des im Nachtdienst tätigen Pflegepersonals gehört:

- das Auf- und Abrüsten des Dialysegerätes,

- das Richten der Dialysehilfsstoffe zur Dialyse-

behandlung,

- der Anschluß des Patienten an den extrakorpora-

len Kreislauf durch Punktion der arterio-venö-

sen Fistel,

- die Überwachung der Vitalfunktionen,

- die Kontrolle des Elektrolyt- und Säurebasen-

haushaltes während der Dialysebehandlung,

- die pflegerische Hilfestellung bei multimorbi-

den Patienten,

- die Desinfektion der Dialysegeräte und der zu-

sätzlichen Instrumente,

- der Abschluß des Patienten vom Dialyseverfah-

ren.

Wenn im Nachtdienst Patienten zu punktieren sind, werden diese Arbeiten vom Pflegepersonal durchgeführt. Tagsüber geschieht dies bei einer großen Anzahl von Patienten durch die dann dienstleistenden Ärzte, im übrigen aber auch durch das Pflegepersonal.

Mit Stellenausschreibung vom 17. Juni 1992 wurde innerbetrieblich eine durch den Weggang einer Arbeitnehmerin frei werdende Teilzeitarbeitsstelle mit 23,1 Wochenstunden für den Nachtdienst zur Besetzung ausgeschrieben. Auf diese Ausschreibung hin meldeten sich zwei im Normaldienst beschäftigte Teilzeitkräfte, die Arbeitnehmerinnen K und P . Hierüber informierte der Arbeitgeber den Betriebsrat mit Schreiben vom 3. Juli 1992. Unter dem 15. Juli 1992 teilte der Arbeitgeber dem Betriebsrat mit, die Stelle werde mit der Arbeitnehmerin K - nach Ablauf von deren Erziehungsurlaub am 22. September 1992 - besetzt.

Der Betriebsrat sieht in dem Wechsel der Arbeitnehmerin K vom Normal- in den ständigen Nachtdienst eine nach § 99 BetrVG mitbestimmungspflichtige Versetzung. Er hat die Auffassung vertreten, der Wechsel bringe nicht nur eine Änderung der Lage der Arbeitszeit mit sich, sondern habe unmittelbare Auswirkungen auf den Inhalt der Arbeitsleistung. So sei es ein wesentlicher Unterschied, ob ein Arzt lediglich im Wege der Rufbereitschaft herbeigerufen werden könne oder ärztliche Hilfe ständig zur Verfügung stehe. In Komplikationsfällen sei der Verantwortungsbereich des Pflegepersonals ein völlig anderer. Da der Nachtdienst von einer festgelegten Arbeitnehmergruppe ausgeübt werde, liege auch eine Änderung des Arbeitsbereichs wegen der Einbindung in eine andere organisatorische Einheit vor. Darüber hinaus sei die Dauernachtschicht als solche so wesentlich, daß dadurch der Arbeitsbereich unmittelbar verändert werde.

Der Betriebsrat hat beantragt,

den Antragsgegner zu verpflichten, die Besetzung

der Nachtschichtstelle gemäß innerbetrieblicher

Ausschreibung vom 17. Juni 1992 durch die Arbeit-

nehmerin Pia K unverzüglich rückgängig zu ma-

chen.

Der Arbeitgeber hat beantragt, den Antrag zurückzuweisen.

Er hat die Auffassung vertreten, der Wechsel eines Arbeitnehmers vom Normal- in den Nachtdienst stelle keine zustimmungspflichtige Versetzung dar. Die Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs liege nur dann vor, wenn der Gegenstand der geschuldeten Arbeitsleistung, der Inhalt der Arbeitsaufgabe, ein anderer werde und sich das Gesamtbild der Tätigkeit ändere. Die Lage der Arbeitszeit gehöre nicht zu den Umständen, die das Gesamtbild der Tätigkeit des Arbeitnehmers bestimmten und damit zu einer Änderung des Arbeitsbereichs führten. Dies gelte auch für den hier vollzogenen Wechsel der Arbeitnehmerin K vom Normaldienst in den Nachtdienst. Das Aufgabengebiet von Frau K sei unverändert geblieben. Sie nehme dieselben pflegerischen Aufgaben wie im Normaldienst wahr.

Eine Änderung sei auch nicht deswegen erfolgt, weil im Nachtdienst keine Ärzte anwesend seien und lediglich eine Rufbereitschaft bestehe. Auch die Mitarbeiter des Nachtdienstes könnten und dürften keine ärztlichen Tätigkeiten ausführen. Schließlich könne auch der Umstand allein, daß Frau K mit anderen Kollegen zusammenarbeite, nicht als erhebliche Änderung der Arbeitsumstände gewertet werden.

Das Arbeitsgericht hat dem Antrag stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Beschwerde des Arbeitgebers den Beschluß des Arbeitsgerichts abgeändert und den Antrag abgewiesen. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde begehrt der Betriebsrat die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Beschlusses.

B. Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet.

Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, bei dem Wechsel der Arbeitnehmerin K vom Normal- in den Nachtdienst handele es sich nicht um eine Versetzung im Sinne des § 95 Abs. 3 BetrVG, die der Beteiligung des Betriebsrats nach § 99 BetrVG bedurft hätte. Der auf § 101 BetrVG gestützte Antrag des Betriebsrats auf Rückgängigmachung der Maßnahme ist demnach unbegründet.

1. Eine Versetzung ist gemäß § 95 Abs. 3 Satz 1 BetrVG die Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs, die voraussichtlich die Dauer von einem Monat überschreitet oder die mit einer erheblichen Änderung der Umstände verbunden ist, unter denen die Arbeit zu leisten ist.

a) Nach ständiger Rechtsprechung des Senats liegt die Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs dann vor, wenn dem Arbeitnehmer ein neuer Tätigkeitsbereich übertragen wird, so daß der Gegenstand der nunmehr geforderten Arbeitsleistung ein anderer wird und sich das Gesamtbild der Tätigkeit des Arbeitnehmers ändert. Es kommt darauf an, ob sich die Tätigkeiten des Arbeitnehmers vor und nach der Zuweisung so voneinander unterscheiden, daß die neue Tätigkeit vom Standpunkt eines mit den betrieblichen Verhältnissen vertrauten Beobachters als eine andere angesehen werden kann.

Der Begriff des Arbeitsbereichs wird in § 81 BetrVG durch die Aufgabe und Verantwortung sowie die Art der Tätigkeit und ihre Einordnung in den Arbeitsablauf des Betriebes umschrieben. Welche Arbeitsbereiche in einem Betrieb vorhanden sind, ergibt sich aus der jeweils geltenden Organisation des Betriebes. In jedem Arbeitsbereich kommt es immer wieder zu Änderungen, die die Unterrichtungspflicht nach § 81 BetrVG auslösen. Nicht jede dieser Veränderungen stellt eine Versetzung dar. Die Veränderung muß so erheblich sein, daß ein anderer Arbeitsbereich angenommen werden kann. Ein anderer Arbeitsbereich kann auch dadurch gekennzeichnet sein, daß sich die Umstände ändern, unter denen die Arbeit zu leisten ist. Dies gilt dann, wenn die Umstände für den Arbeitsbereich so bestimmend sind, daß bei ihrer Änderung das Gesamtbild der Tätigkeit ein anderes wird (ständige Senatsrechtsprechung, vgl. etwa Senatsbeschlüsse vom 26. Mai 1988 - 1 ABR 18/87 -, vom 19. Februar 1991 - 1 ABR 21/90 - und 1 ABR 36/90 - sowie vom 16. Juli 1991 - 1 ABR 71/90 - AP Nr. 13, Nr. 25, Nr. 26 und Nr. 28 zu § 95 BetrVG 1972).

b) Durch den Wechsel in die Nachtschicht haben sich für die Arbeitnehmerin K zwar die Umstände verändert, unter denen die Arbeitsleistung zu erbringen ist. Die Änderung der Arbeitszeit allein ist aber nicht so bestimmend, daß deshalb das Gesamtbild der Tätigkeit ein anderes geworden ist.

Der Senat hat schon in der Entscheidung vom 19. Februar 1991 (1 ABR 21/90 - AP Nr. 25 zu § 95 BetrVG 1972) einen entsprechenden Stellenwert der Arbeitszeit verneint und angenommen, die Umsetzung eines Arbeitnehmers von Normalschicht in Wechselschicht sei keine zustimmungspflichtige Versetzung, wenn sich lediglich die Lage der Arbeitszeit des betroffenen Arbeitnehmers ändert.

Der Begriff des Arbeitsbereichs im Sinne von § 95 Abs. 3 Satz 1 BetrVG ist durch eine stark räumliche Komponente geprägt. Dafür spricht bereits, daß nach § 95 Abs. 3 Satz 2 BetrVG die Bestimmung des jeweiligen Arbeitsplatzes nicht als Versetzung gilt, wenn Arbeitnehmer nach der Eigenart ihres Arbeitsverhältnisses üblicherweise nicht ständig an einem bestimmten Arbeitsplatz beschäftigt werden. Eine zeitliche Komponente in dem Sinne, daß der Arbeitsbereich auch durch die Lage der Arbeitszeit bestimmt wird, läßt sich dem Begriff Arbeitsbereich hingegen nicht entnehmen, auch wenn er weiter zu verstehen sein sollte als der Begriff Arbeitsplatz.

Sinn und Zweck der Beteiligung des Betriebsrats an Versetzungen nach § 99 BetrVG erfordern es gleichfalls nicht, in einer erheblichen Veränderung der Lage der Arbeitszeit eine Änderung des Arbeitsbereichs und damit eine zustimmungspflichtige Versetzung zu sehen. Die Interessen der Arbeitnehmer hinsichtlich der Lage ihrer Arbeitszeit können durch das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG ausreichend zur Geltung gebracht werden. Danach hat der Betriebsrat nicht nur darüber mitzubestimmen, ob im Betrieb überhaupt in mehreren Schichten gearbeitet werden soll bzw. wann die einzelnen Schichten beginnen und enden, sondern auch darüber, welche Arbeitnehmer in welcher Schicht arbeiten sollen sowie ob und unter welchen Voraussetzungen Arbeitnehmer von der einen Schicht in eine andere wechseln sollen (Senatsbeschluß vom 19. Februar 1991 - 1 ABR 21/90 - AP Nr. 25 zu § 95 BetrVG 1972 = EzA § 95 BetrVG 1972 Nr. 23, m. zust. Anm. von Hoyningen-Huene, zu B II 3 b der Gründe, mit ausführlichen Nachweisen; vgl. weiter Senatsbeschluß vom 16. Juli 1991 - 1 ABR 71/90 - AP Nr. 28 zu § 95 BetrVG 1972 = EzA § 95 BetrVG 1972 Nr. 25, m. zust. Anm. v. Peterek; vgl. weiter gemeinsame Anm. zu den vorgenannten Entscheidungen von Hromadka, SAE 1992, 311; Senatsbeschluß vom 8. August 1989 - 1 ABR 59/88 - AP Nr. 11 zu § 23 BetrVG 1972).

Auch die Literatur verneint weitgehend einen bestimmenden Einfluß der Lage der Arbeitszeit auf den Arbeitsbereich (vgl. etwa Kittner in Däubler/Kittner/Klebe/Schneider, BetrVG, 3. Aufl., § 99 Rz 102; Fitting/Auffarth/Kaiser/Heither, BetrVG, 17. Aufl., § 99 Rz 26; Galperin/Löwisch, BetrVG, 6. Aufl., § 99 Rz 18 a; Kraft, GK-BetrVG, 4. Aufl., § 99 Rz 59; Hess/Schlochauer/Glaubitz, BetrVG, 4. Aufl., § 99 Rz 47; von Hoyningen-Huene/Boemke, Die Versetzung, 1991, S. 146; von Hoyningen-Huene, NZA 1993, 145, 147).

2. Diese Grundsätze hat das Landesarbeitsgericht zu Recht auch auf den vorliegend zu beurteilenden Wechsel von der Tag- in die Nachtschicht angewandt.

a) Es steht außer Frage, daß dieser Wechsel zu einer erheblichen Änderung der Umstände führt, unter denen die Arbeit zu erbringen ist (vgl. auch Senatsbeschluß vom 19. Februar 1991, aaO, zu B II 3 a der Gründe). Die geänderte Arbeitszeit allein hat aber noch nicht zur Folge, daß sich der Arbeitsbereich seiner Art nach ändert. Das gilt sowohl hinsichtlich der räumlichen Komponente als auch hinsichtlich der Tätigkeit selbst. Diese bleibt im Streitfall - vorbehaltlich zu beurteilender anderer Änderungen - die gleiche Pflegetätigkeit, einerlei, ob sie von 11.00 Uhr bis 19.00 Uhr oder von 17.00 Uhr bis 3.00 Uhr zu erbringen ist. Insoweit gilt nichts anderes als für den der Senatsentscheidung vom 19. Februar 1991 (aaO) zugrunde liegenden Übergang von der Normalschicht in die Wechselschicht. Die mit der Änderung des Arbeitsrhythmus verbundenen Belastungen sind ohne Zweifel erheblich. Das Bild der Tätigkeit im Sinne des Arbeitsbereichs wird aber nicht dadurch geprägt, daß sie zu einer bestimmten Tageszeit erbracht wird - die Änderung der Arbeitszeit führt also nicht zu einer Änderung des Gesamtbildes, die es rechtfertigen könnte, von einem neuen Arbeitsbereich auszugehen.

Es bleibt also dabei, daß der Wechsel von der Tag- in die Nachtschicht allein noch keine mitbestimmungspflichtige Versetzung darstellt.

b) Damit ist der Arbeitnehmer nicht schutzlos gestellt. Es wurde bereits darauf hingewiesen, daß der Betriebsrat gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG darüber mitzubestimmen hat, welche Arbeitnehmer in welcher Schicht arbeiten sollen bzw. ob und unter welchen Voraussetzungen Arbeitnehmer von einer Schicht in die andere wechseln (vgl. Senatsbeschluß vom 27. Juni 1989 - BAGE 62, 202 = AP Nr. 35 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit; Senatsbeschluß vom 18. April 1989 - BAGE 61, 305 = AP Nr. 34 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit; Senatsbeschluß vom 31. Januar 1989 - BAGE 61, 57 = AP Nr. 31 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit).

Falls die Versetzung betrieblich veranlaßt und damit der für das Eingreifen des Mitbestimmungsrechts nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG erforderliche kollektive Tatbestand gegeben ist, kommt es auf die Anzahl der Schichtwechsler nicht an. Das Mitbestimmungsrecht kann auch beim Wechsel eines einzelnen Mitarbeiters gegeben sein (vgl. Senatsbeschluß vom 27. Juni 1989, BAGE 62, 202 = AP Nr. 35 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit, m. zust. Anm. v. Misera). Im Rahmen der danach erforderlichen Beteiligung können die durch den Schichtwechsel auftretenden persönlichen Belastungen des Arbeitnehmers vom Betriebsrat eingebracht werden.

Unabhängig davon ist der Arbeitnehmer gegen einen Schichtwechsel auch individualrechtlich geschützt insoweit, als etwa die Umsetzung von der Tag- in die Nachtschicht nicht ohne weiteres zulässig ist. Soweit die Umsetzung bei entsprechender Vertragsgestaltung dem Direktionsrecht des Arbeitgebers unterliegt, hat dieser gemäß § 315 BGB seine Entscheidung nach billigem Ermessen zu treffen. Bei der dabei vorzunehmenden Gesamtabwägung aller Interessen sind die durch die Änderung der Arbeitszeit auftretenden erheblichen Belastungen zu berücksichtigen. Soweit es einer Änderungskündigung bedarf, muß - bei Vorliegen der Voraussetzungen des Kündigungsschutzgesetzes - der Wechsel sozial gerechtfertigt sein.

Auch bei Verneinung eines Mitbestimmungsrechts nach § 99 BetrVG bei einer Umsetzung von der Tag- in die Nachtschicht - ansonsten aber unveränderter Tätigkeit - sind die Interessen des Arbeitnehmers also hinreichend geschützt.

3. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend weiter angenommen, daß eine Änderung des Gesamtbildes der Tätigkeit auch nicht aufgrund einer Änderung der Arbeitsaufgabe selbst oder der Änderung sonstiger Umstände anzunehmen ist.

a) Die Arbeitnehmerin K ist nach wie vor als Pflegekraft eingesetzt. Ihre wesentliche Arbeitsaufgabe ist unverändert das Auf- und Abrüsten des Dialysegerätes, das Richten der Dialysehilfsstoffe zur Dialysebehandlung, der Anschluß des Patienten an den extrakorporalen Kreislauf durch Punktion der arterio-venösen Fistel, die Überwachung der Vitalfunktionen, die Kontrolle des Elektrolyt- und Säurebasenhaushaltes während der Dialysebehandlung, die pflegerische Hilfestellung bei multimorbiden Patienten, die Desinfektion der Dialysegeräte und der zusätzlichen Instrumente, der Abschluß des Patienten vom Dialyseverfahren.

Die in der Nachtschicht gegenüber der Tagschicht auftretenden Änderungen betreffen Randbereiche. Sie lassen es nicht zu, bereits von einem anderen Inhalt der Arbeitsaufgabe zu sprechen.

Die Tatsache, daß im Nachtdienst keine ständige ärztliche Präsenz gewährleistet ist, sondern nur eine Rufbereitschaft besteht, vermag an diesem Ergebnis nichts zu ändern. Nach wie vor ist das Pflegepersonal ausschließlich für pflegerische, nicht aber für ärztliche Aufgaben zuständig. Die nicht mehr bestehende Absicherung im Verantwortungsbereich durch die Präsenz des ärztlichen Dienstes fällt nicht entscheidend ins Gewicht. Nach dem unstreitigen Vortrag wird die Heranziehung eines Arztes über die Rufbereitschaft nur in einer verschwindend geringen Zahl von Fällen notwendig. Hieraus kann nur geschlossen werden, daß der Aufgabenbereich sich durch die Abwesenheit der Ärzte nicht merklich ändert, jedenfalls nicht über die einer jeden Tätigkeit immanente Schwankungsbreite hinaus.

Ebenso verhält es sich mit der Punktion, die im Tag- wie im Nachtdienst erforderlich ist. Auch hier spielt die ärztliche Präsenz keine entscheidende Rolle. Pflegekräfte haben sowohl im Tag- wie im Nachtdienst zu punktieren. Zwar werden die Punktionen im Tagdienst zu einem großen Teil von den dann anwesenden Ärzten vorgenommen. Insoweit liegt die Zahl der von den Pflegekräften durchzuführenden Punktionen im Nachtdienst höher. Dies ist aber keine neue Tätigkeit. Es ist auch nicht erkennbar, daß diese Tätigkeit nachts einen so signifikanten Anteil ausmacht, daß deshalb von einer Änderung des Gesamtbildes gesprochen werden könnte.

Schließlich ist auch die Anwesenheit von Technikern nur während des Tagdienstes kein entscheidendes Kriterium. Die Präsenz der Techniker hat auf den eigentlichen Pflegevorgang keinen Einfluß. Ihre Abwesenheit in der Nachtschicht bedeutet nicht, daß den Pflegekräften jetzt auch zusätzliche technische Tätigkeiten übertragen werden. Das Landesarbeitsgericht weist zutreffend darauf hin, daß es allenfalls zu einem häufigeren Neuanschluß von Patienten an ein anderes Dialysegerät kommen könne, wenn kurzfristig auftretende technische Störungen eines Gerätes nicht behoben werden könnten. Auch hier ist nicht erkennbar, daß diese Aufgabenverschiebung - wenn sie denn überhaupt auftritt - ein Ausmaß annimmt, daß es - sei es auch unter Berücksichtigung der sonstigen Änderungen - gerechtfertigt wäre, einen neuen Arbeitsbereich anzunehmen.

b) Schließlich ist eine Versetzung auch nicht anzunehmen wegen einer Veränderung der Stellung der Arbeitnehmerin K in der betrieblichen Organisation. Davon könnte nur dann gesprochen werden, wenn sie aus einer betrieblichen Einheit herausgenommen und einer anderen betrieblichen Einheit zugewiesen würde (vgl. Senatsbeschluß vom 10. April 1984 - 1 ABR 67/82 - AP Nr. 4 zu § 95 BetrVG 1972; Kittner in Däubler/Kittner/Klebe/Schneider, aaO, § 99 Rz 100; Hess/Schlochauer/Glaubitz, aaO, § 99 Rz 50). Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Frau K ist nach wie vor im Pflegedienst tätig. Die Arbeitsorganisation ist unverändert. Tag- und Nachtdienst unterstehen einer gemeinsamen Pflegedienstleitung. Soweit dem Nachtdienst sowie dem Tagdienst jeweils eine andere Gruppenschwester unmittelbar vorsteht, liegt in diesem Wechsel allein noch keine Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs (vgl. auch Senatsbeschluß vom 10. April 1984, aaO, zu B 4 der Gründe).

Richtig ist, daß die Arbeitnehmerin K durch ihre Umsetzung in den Nachtdienst ihre Tätigkeit nunmehr zusammen mit anderen Kolleginnen und Kollegen verrichtet. Dies kann aber unter den hier gegebenen Umständen gleichfalls noch nicht zur Annahme einer dem Gesamtbild nach neuen Tätigkeit führen. Dabei bedarf es keiner endgültigen Abgrenzung, wann diese Voraussetzungen beim Wechsel in der Zusammenarbeit mit anderen Arbeitskollegen als erfüllt anzusehen sind. Dies kann jedenfalls nicht schon immer dann angenommen werden, wenn es innerhalb einer betrieblichen Einheit - sei es durch Umsetzung an andere Maschinen, sei es wie hier durch Änderung der Arbeitszeit - zu Verschiebungen in der personellen Zusammensetzung kommt. Eine solche Einheit ist kein statischer Bereich. Die Art der Arbeitsleistung wird für sich noch nicht dadurch berührt, daß die Arbeit neben einem mit derselben Arbeitsleistung betrauten anderen Arbeitnehmer als bisher verrichtet wird. Dies mag anders sein bei Tätigkeiten, die eine unmittelbare Zusammenarbeit der Arbeitnehmer erfordern - etwa im Sinne einer Gruppenarbeit. Davon kann vorliegend aber nicht die Rede sein. Es ist nicht ersichtlich, daß die Pflegetätigkeit in dieser Weise als Gruppenarbeit ausgestaltet ist. Eine Zusammenarbeit im engeren Sinne ist also offensichtlich nicht erforderlich, die Zusammenarbeit geht über die sich aus jeder gemeinsamen Arbeit ergebende Zusammenarbeit im Sinne einer kollegialen Zusammenarbeit nicht hinaus.

Es kommt im Streitfall hinzu, daß sich schon aus der Dienstplangestaltung Berührungspunkte für beide Gruppen ergeben. So ist insbesondere eine Überschneidung von Tag- und Nachtdienst in der Zeit von ca. 17.00 Uhr bis ca. 19.00 Uhr festzustellen. In dieser Zeit ergibt sich notwendigerweise eine "Zusammenarbeit" beider Gruppen. Weiter besteht grundsätzlich eine beiderseitige Durchlässigkeit der Dienste insoweit, als bei dringendem Bedarf ein Einsatz im jeweils anderen Dienst möglich ist - mag ein solcher faktisch auch selten oder gar nicht stattfinden.

Angesichts dieser Sachlage und angesichts der mit insgesamt ca. 40 bis 45 Pflegekräften eher geringen Größe des betroffenen Arbeitnehmerkreises kommt auch nach Auffassung des Senats dem Umstand, daß die Arbeitnehmerin K im Nachtdienst mit anderen Kolleginnen und Kollegen als bisher zusammentrifft, kein so entscheidendes Gewicht zu, daß dem Gesamtbild nach von einem anderen Arbeitsbereich ausgegangen werden müßte.

4. Da nach allem eine mitbestimmungspflichtige Versetzung im Sinne des § 99 BetrVG nicht vorliegt, kann der Betriebsrat auch nicht gemäß § 101 BetrVG die Rückgängigmachung der Maßnahme verlangen. Die Rechtsbeschwerde ist dementsprechend unbegründet und zurückzuweisen.

Dr. Kissel Dr. Weller Dr. Rost

Breier H. Blanke

 

Fundstellen

Haufe-Index 436876

BAGE 00, 00

BAGE, 97

BB 1994, 651

BB 1994, 935

BB 1994, 935-936 (LT1)

DB 1994, 735-736 (LT1)

EBE/BAG 1994, 54-56 (LT1)

AiB 1994, 316-317 (LT1)

AiB 2012, 49

BetrVG, (10) (LT1)

ARST 1994, 125-127 (LT1)

NZA 1994, 718

NZA 1994, 718-720 (LT1)

AP § 95 BetrVG 1972 (LT1), Nr 33

AuA 1995, 213-214 (LT1)

EzA § 95 BetrVG 1972, Nr 28 (LT1)

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