Zusammenfassung

 
Überblick

Weder ein Einspruch noch eine Klage oder Revision haben – von Ausnahmen abgesehen (§ 284 Abs. 6 AO, § 361 Abs. 4 AO, § 69 Abs. 5 FGO) – aufschiebende Wirkung. Trotz Einlegung eines Rechtsbehelfs ist der angefochtene Verwaltungsakt vollziehbar, muss also z. B. der Steuerpflichtige die streitige Steuer zum fälligen Zeitpunkt zahlen. Unter bestimmten Voraussetzungen, insbesondere bei ernstlichen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts, ist jedoch die Aussetzung der Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts möglich. Ist ein Verwaltungsakt schon vollzogen, z. B. wenn die strittige Steuer bereits bezahlt wurde, kommt eine Aufhebung der Vollziehung in Betracht. Eine Aufhebung der Vollziehung hinsichtlich bereits geleisteter Vorauszahlungen bzw. einbehaltener Abzugsbeträge, z. B. Lohn- oder Kapitalertragsteuer, ist jedoch grundsätzlich nicht möglich.

Der folgende Beitrag erläutert zunächst die materiellen und formellen Voraussetzungen, die für eine Aussetzung der Vollziehung zu beachten sind. Danach geht er auf die verfahrensrechtlichen Besonderheiten der Aussetzung im Einspruchsverfahren einerseits und im Klageverfahren andererseits ein. Abschließend stellt er kurz die Wirkungen einer gewährten Aussetzung dar.

 
Gesetze, Vorschriften und Rechtsprechung

Rechtsgrundlagen für die Aussetzung der Vollziehung sind § 361 AO und § 69 FGO. Bei deren Auslegung kann auf eine umfangreiche höchstrichterliche Rechtsprechung des BFH zurückgegriffen werden. Unbedingt zurate zu ziehen in der Anwendungspraxis sind die ausführlichen Verwaltungsanweisungen im AEAO.

1 Materielle Voraussetzungen

Die Voraussetzungen für die Aussetzung der Vollziehung sind für alle Rechtsbehelfsverfahren (Einspruch, Klage, Revision) grundsätzlich gleich: Die Vollziehung wird auf Antrag des Steuerpflichtigen ausgesetzt, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids bestehen oder die Vollziehung für den Steuerpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.[1]

Die Finanzbehörde kann auch ohne Antrag die Vollziehung aussetzen.[2] In der Praxis verlangen die Finanzämter für eine Aussetzung indes i. d. R. einen Antrag. Fraglich ist, ob das Finanzamt auch gegen den Willen des Steuerpflichtigen – wegen seines Interesses an der Vermeidung späterer Aussetzungszinsen nach § 237 AO – Aussetzung der Vollziehung anordnen bzw. eine bereits erfolgte Vollziehung aufheben darf. Dies kann dahingestellt bleiben. Denn der Steuerpflichtige hat es selbst in der Hand, Aussetzungszinsen zu vermeiden. So kann er eine (aufgedrängte) Vollziehungsaussetzung durch Tilgung der Steuerschuld beenden. Dadurch endet auch die Verzinsung nach § 237 AO.[3]

 
Wichtig

Wirtschaftlichkeitsüberlegungen auch bei Aussetzung der Vollziehung

Ob eine Aussetzung der Vollziehung in Frage kommt, sollte sich in erster Linie nach der Liquidität des Steuerpflichtigen und nicht nach der Höhe der Erfolgsaussichten richten. Verfügt er über die nötigen finanziellen Mittel, empfiehlt es sich durchaus, auf den Aussetzungsantrag zu verzichten und die Steuerforderung zu begleichen. So vermeidet er das Risiko hoher Aussetzungszinsen von 0,5 % pro Monat. Die Möglichkeit, im Falle des Erfolgs den Erstattungsbetrag vom Finanzamt nach § 233a AO verzinst zu bekommen, hat hingegen so gut wie keine Bedeutung mehr. Für Verzinsungszeiträume ab 1.1.2019 beträgt der Zinssatz hierfür nur noch 0,15 % pro Monat.[4]

1.1 Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit

Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids bestehen, wenn neben den für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige, gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Gründe vorliegen, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung der Tatfragen bewirken. Dabei brauchen die für die Unrechtmäßigkeit des Bescheids sprechenden Bedenken nicht zu überwiegen, ein Erfolg des Steuerpflichtigen muss nicht wahrscheinlicher sein als sein Misserfolg.[1]

Die Prüfung, ob diese Voraussetzungen vorliegen, ergeht in einem summarischen Verfahren. Das bedeutet, dass der Entscheidung nur der Akteninhalt und präsente Beweismittel zugrunde gelegt werden, eine weitere Sachverhaltsaufklärung durch Beweisaufnahme grundsätzlich nicht durchgeführt wird[2], und dass streitige Rechtsfragen – unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BFH und der Finanzgerichte – nur überschlägig und nicht abschließend entschieden werden.

Ernstliche Zweifel sind grundsätzlich zu bejahen[3], wenn

  • die Behörde bewusst oder unbewusst von einer für den Steuerpflichtigen günstigen Rechtsprechung des BFH abgewichen ist,
  • der BFH noch nicht zu der Rechtsfrage Stellung genommen hat und die Finanzgerichte unterschiedliche Rechtsauffassungen vertreten,
  • die Gesetzeslage unklar ist, die streitige Rechtsfrage vom BFH noch nicht en...

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