Leitsatz

Art. 73b EG-Vertrag i.V.m. Art. 73d EG-Vertrag ist dahin auszulegen, dass er dem entgegensteht, dass ein Mitgliedstaat, der Vermietungseinkünfte, die als gemeinnützig anerkannte grundsätzlich unbeschränkt steuerpflichtige Stiftungen im Inland erzielen, von der KSt befreit, wenn diese Stiftungen in diesem Staat niedergelassen sind, die gleiche Befreiung für entsprechende Einkünfte aber einer als gemeinnützig anerkannten Stiftung des privaten Rechts, die in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassen ist, verweigert, weil diese im Inland nur beschränkt steuerpflichtig ist.

 

Normenkette

Art. 73b EGV, § 5 Abs. 2 Nr. 2 KStG

 

Sachverhalt

Die Klägerin ist eine Stiftung italienischen Rechts mit Sitz in Italien, die Ausbildungs- und Erziehungszwecke verfolgt und insbesondere die klassische Herstellung von Saiteninstrumenten, der Streichinstrumente, der Musikgeschichte und der Musikwissenschaft im Allgemeinen sowie das Wiederaufleben der Kunst in der Herstellung der Geigen und Streichinstrumente unterstützt.

Sie vergibt außerdem Studienbeihilfen, die jungen Schweizern, vorzugsweise aus Bern, den Aufenthalt in Italien für die ganze Periode des Unterrichts und der Prüfungen ermöglichen, die die Kunst in der Herstellung von Saiteninstrumenten lernen und sich darin fortbilden wollen.

Die Klägerin ist Eigentümerin eines Geschäftsgrundstücks in Deutschland und erzielt daraus Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, die das FA der KSt unterwarf. Die dagegen gerichtete Klage blieb erfolglos (EFG 2003, 481).

 

Entscheidung

Der BFH hat das anschließende Revisionsverfahren ausgesetzt und den EuGH angerufen. Er bittet nach Art. 234 Abs. 3 EG um eine Antwort darauf, ob § 5 Abs. 2 Nr. 2 KStG vor den Augen des Europarechts Bestand behalten kann.

Der EuGH sagt: Grundsätzlich kann er das nicht; die Norm diskriminiert und verstößt gegen die Kapitalverkehrsfreiheit.

 

Hinweis

Der EuGH hat mit diesem Urteil die Frage beantwortet, welche ihm der BFH mit Vorabentscheidungsersuchen vom 14.7.2004, I R 94/02 gestellt hatte. Einzelheiten dazu finden Sie in BFH-PR 2004, 493, werden in ihrem Kern hier aber nochmals kurzerhand (mit-)wiedergegeben:

1. Anders als eine gemeinnützige inländische ist eine vergleichbare ausländische Stiftung nach § 5 Abs. 2 Nr. 2 (ex Nr.3) KStG wenn sie im Inland beschränkt steuerpflichtig ist, nicht gem. § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG von der KSt befreit.

Der BFH hatte Zweifel, ob das europarechtlichen Erfordernissen standhält. Er hat diese Rechtslage deswegen dem EuGH zur Beurteilung vorgelegt.

2. Der EuGH hat nun zwar das Vorliegen eines Erwerbszwecks i.S.d. Art. 48 Abs. 2, Art. 55 EG verneint, wenn die Stiftung im Inland Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielt. Der Schutzbereich der EG-rechtlich verbürgten Niederlassungsfreiheit nach Art. 43 EG wird damit durch solche Einkünfte nicht eröffnet.

3. Der EuGH sieht jedoch die Grundfreiheit des freien Kapitalverkehrs nach Art. 56 EG (ex Art. 73b EGV). Dabei stellt der EuGH einmal mehr grundlegend klar heraus, dass sich die von ihm allgemein entwickelten Grundsätze für einen Freiheitsverstoß bei den anderen Grundfreiheiten unbeschadet des Verbots "nur" willkürlicher Diskriminierungen bei der Kapitalverkehrsfreiheit in Art. 58 Abs. 3 EG (ex Art. 73d Abs. 3 EGV). auch hier uneingeschränkte Geltung beanspruchen.

Vor diesem Hintergrund erachtet der EuGH die KSt-Pflicht ausländischer gemeinnütziger Körperschaften in Deutschland als gemeinschaftsrechtswidrig: "Wenn eine in einem Mitgliedstaat als gemeinnützig anerkannte Stiftung auch die dafür nach dem Recht eines anderen Mitgliedstaats vorgeschriebenen Voraussetzungen erfüllt und ihr Ziel die Förderung identischer Interessen der Allgemeinheit ist, (...), (können) die Stellen dieses Mitgliedstaats dieser Stiftung das Recht auf Gleichbehandlung nicht allein aus dem Grund verwehren, dass sie nicht im Inland niedergelassen ist."

4. Die Ungleichbehandlung gegenüber inländischen gemeinnützigen Stiftungen liege hier auf der Hand. Und Rechtfertigungsgründe seien nicht ersichtlich:

  • Insbesondere könnten die Finanzbehörden sich nicht auf den Gesichtspunkt der Steuerkontrolle kaprizieren. Zum einen sei die Wirksamkeit der Steueraufsicht kein zwingender Grund des Allgemeininteresses, der zur Rechtfertigung der Ungleichbehandlung tauge. Zum anderen müßten "bloße verwaltungstechnische Nachteile" klaglos hingenommen werden. Man könne schließlich von der Stiftung die Vorlage stichhaltiger Belege verlangen, außerdem stehe die zwischenstaatliche Amtshilfe als Ausweg parat.
  • Auch Kohärenzaspekte seien nicht einschlägig, jedenfalls dann nicht, wenn die Förderungsmaßnahmen sich nicht auf die "inländische Allgemeinheit" beschränkten (s. dazu unten sub 3.).
  • Drohende Fiskalausfälle werden einmal mehr vom EuGH beiseitegeschoben. Und dem etwas skurril anmutenden Vorbringen der deutschen Regierung, "es sei nicht ausgeschlossen, dass kriminelle Vereinigungen und terroristische Organisationen sich der Rechtsform einer Stiftung zur Geldwäsche und zur illegalen Übermitt...

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