Leitsatz

1. Eine Stiftung fördert auch dann die Allgemeinheit im Sinn des § 52 Abs. 1 AO, wenn sie ihre Zwecke ausnahmslos oder überwiegend im Ausland erfüllt und ihre Förderung vorzugsweise auf die Jugend eines Staats (hier: der Schweiz) oder einer Stadt (hier: Bern) beschränkt ist.

2. Die formelle Satzungsmäßigkeit nach § 59 AO erfordert hinsichtlich der steuerbegünstigten Zweckverfolgung nicht die ausdrückliche Verwendung der Begriffe "ausschließlich" und "unmittelbar".

3. Die satzungsmäßige Vermögensbindung (§ 61 Abs. 1 AO) ist bei einer staatlich beaufsichtigten Stiftung auch dann nach § 62 AO entbehrlich, wenn es sich um eine Stiftung ausländischen Rechts handelt, die der Stiftungsaufsicht eines EU-Mitgliedstaats unterfällt.

4. Dem EuGH wird die folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt: Widerspricht es Art. 52 in Verbindung mit Art. 58, Art. 59 in Verbindung mit Art. 66 und 58 sowie Art. 73b EGV, wenn eine gemeinnützige Stiftung privaten Rechts eines anderen Mitgliedstaats, die im Inland mit Vermietungseinkünften beschränkt steuerpflichtig ist, anders als eine im Inland gemeinnützige unbeschränkt steuerpflichtige Stiftung mit entsprechenden Einkünften nicht von der Körperschaftsteuer befreit ist?

 

Normenkette

§ 5 Abs. 1 Nr. 9 und Abs. 2 Nr. 3 KStG , § 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG , § 52 AO , § 55 Abs. 1 Nr. 4 AO , § 59 AO , § 60 AO , § 61 Abs. 1 AO , § 62 AO , § 63 AO , Art. 52 EGV (= Art. 43 EG) , Art. 58 EGV (= Art. 48 EG) , Art. 59 EGV (= Art. 49 EG) , Art. 66 EGV (= Art. 55 EG) , Art. 73b EGV (= Art. 56 EG)

 

Sachverhalt

Die Klägerin ist eine Stiftung italienischen Rechts mit Sitz in Italien, die Ausbildungs- und Erziehungszwecke verfolgt und insbesondere die klassische Herstellung von Saiteninstrumenten, der Streichinstrumente, der Musikgeschichte und der Musikwissenschaft im Allgemeinen sowie das Wiederaufleben der Kunst in der Herstellung der Geigen und Streichinstrumente unterstützt. Sie vergibt außerdem Studienbeihilfen, die jungen Schweizern, vorzugsweise aus Bern, den Aufenthalt in Italien für die ganze Periode des Unterrichts und der Prüfungen ermöglichen, die die Kunst in der Herstellung von Saiteninstrumenten lernen und sich darin fortbilden wollen.

Die Klägerin ist Eigentümerin eines Geschäftsgrundstücks in Deutschland und erzielt daraus Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, die das FA der Körperschaftsteuer unterwarf.

Die dagegen gerichtete Klage blieb erfolglos (EFG 2003, 481).

 

Entscheidung

Der BFH sah die materiellen und formellen Anforderungen an die Gemeinnützigkeit der Klägerin als erfüllt an. An sich wäre diese deswegen gem. § 5 Abs. 1 Nr. 3 KStG von der Körperschaftsteuer auf ihre inländischen Einkünfte aus VuV (§ 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG) befreit gewesen. Diese Steuerfreiheit wird jedoch durch § 5 Abs. 2 Nr. 3 KStG 1996 (jetzt § 5 Abs. 2 Nr. 2 KStG) für beschränkt Steuerpflichtige verhindert. Genau an dieser Stelle setzen die Bedenken des BFH ein: Er hält den Ausschluss von der KSt-Befreiung für ausländische gemeinnützige Körperschaften als europarechtswidrig an. Zumindest bewegen ihn diese Zweifel, den EuGH anzurufen und dessen Vorabentscheidung einzuholen.

 

Hinweis

1. Der BFH äußert sich zu den Anforderungen, die an die Gemeinnützigkeit einer Stiftung zu stellen sind, wenn diese nach ausländischem Recht errichtet wurde, im Ausland ansässig ist und überdies eine ausländische Bevölkerungsgruppe im Rahmen ihrer Satzungszwecke fördert. Er trifft dazu ganz dezidierte Aussagen, die sich eigentlich zweifelsfrei aus den allgemeinenabgabenrechtlichen Gemeinnützigkeitsvorschriften ergeben, die ganz offensichtlich aber dennoch ein gewisses fiskalisches "Stirnrunzeln" verursachen.

  • Das betrifft zunächst den Umstand, dass eine zu fördernde "Allgemeinheit" nicht nur eine deutsche sein kann und muss. Vielmehr – so der BFH – "schadet es nicht, wenn die Stiftungszwecke ausnahmslos oder jedenfalls ganz überwiegend im Ausland erfüllt werden". Das deutsche Steuerrecht anerkennt die Verfolgung gemeinnütziger Ziele unabhängig davon, ob dies im Inland oder im Ausland geschieht. Eine Förderung der Allgemeinheit im Sinn des § 52 AO setzt nicht voraus, dass die Fördermaßnahmen den Bewohnern oder Staatsangehörigen Deutschlands zugute kommen.
  • Es schadet auch nicht, wenn diese "Allgemeinheit" sich auf die Bewohner eines Landes oder einer Stadt und davon wiederum auf bestimmte Bevölkerungskreise (im Beschlussfall die Jugend) beschränkt. Erforderlich ist lediglich, dass der betreffende Personenkreis nicht von vornherein auf eine kleine und abgeschlossene Gruppe reduziert wird.
  • In § 61 AO sind die abgabenrechtlichen Anforderungen an die satzungsmäßige Vermögensbindung für den Fall der Auflösung oder Aufhebung der Körperschaft oder bei Wegfall ihres bisherigen Zwecks verankert. Diese Anforderungen sind nach § 62 AO unter anderem dann verzichtbar, wenn es sich um eine staatlich beaufsichtigte Stiftung handelt. Dabei mag man in erster Linie an die staatliche Stiftungsaufsicht der deutschen Bundesländer gedacht haben. Der BFH stell...

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