Leitsatz

Wird in einem vom Arbeitgeber veranlassten Vertrag über die Aufhebung eines Arbeitsvertrags vereinbart, dass der Arbeitnehmer bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses einen mehrjährigen unbezahlten Übergangsurlaub nimmt, so sind die Zahlung zum Ausgleich des unbezahlten Urlaubs sowie die Abfindung wegen der vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses Entschädigungen i.S.d. § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG.

 

Normenkette

§ 24 Nr. 1 Buchst. a , § 34 EStG

 

Sachverhalt

Die Klägerin schloss mit ihrem Arbeitgeber eine Vereinbarung über einen Übergangsurlaub i.V.m. anschließender Beendigung des Arbeitsverhältnisses zwecks Frühpensionierung. Danach trat sie ab dem 1.4.1994 bis zur Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses einen unbezahlten Übergangsurlaub an. Gleichzeitig wurde die Aufhebung des Arbeitsverhältnisses zum 8.7.1997 vereinbart. Im März 1994 erhielt die Klägerin als "finanzielle Hilfe für die berufliche oder private Umorientierung" eine Einmalzahlung in Höhe von 104.516 DM. Im März 1997 wurde ihr "als Ausgleich für die Aufhebung des Arbeitsverhältnisses" eine Abfindung von 75.800 DM gezahlt.

Das FA behandelte bei der Veranlagung für 1994 die "Umorientierungshilfe" als ermäßigt zu besteuernden Arbeitslohn. Im Streitjahr 1997 lehnte es eine ermäßigte Besteuerung der Abfindung ab, weil die Entschädigung auf zwei Veranlagungszeiträume verteilt worden sei. Das FG wies die Klage ab.

 

Entscheidung

Der BFH bestätigte das FG. Die beiden in 1994 und 1997 gezahlten Beträge seien Teile einer einheitlich zu beurteilenden Entschädigung für den Verlust des Arbeitsplatzes. Da die Zahlung auf zwei Veranlagungszeiträume verteilt worden sei, fehle es an einer Zusammenballung und damit an der Voraussetzung für eine begünstigte Besteuerung.

 

Hinweis

1. Entschädigungen, die anlässlich der Auflösung eines Arbeitsverhältnisses gezahlt werden, sind grundsätzlich einheitlich zu beurteilen. Sie sind nur dann tarifbegünstigt, wenn sie zusammengeballt in einem Veranlagungszeitraum zufließen. Nach inzwischen ständiger Rechtsprechung lässt der BFH von diesem Grundsatz eine Ausnahme nur dann zu, wenn neben einer Hauptentschädigung aus Gründen der sozialen Fürsorge für eine gewisse Übergangszeit in späteren Veranlagungszeiträumen ergänzende Entschädigungszusatzleistungen gewährt werden (vgl. z.B. BFH, Urteil vom 14.8.2001, XI R 22/00, BFH-PR 2002, 121).

Zahlungen, die nicht als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen gewährt werden, sondern Erfüllungsleistungen aus dem Arbeitsverhältnis sind, gehören nicht zur Gesamtentschädigung. Sie müssen von der Entschädigung getrennt werden, sind aber unschädlich für die Tarifermäßigung der Entschädigung, auch wenn sie in einem späteren Veranlagungszeitraum zufließen.

2. Die Besonderheit des Streitfalls liegt darin, dass vor der Auflösung des Arbeitsverhältnisses ein unbezahlter Übergangsurlaub von mehr als drei Jahren Dauer vereinbart worden ist. Damit haben Arbeitgeber und Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis nur formal als fortbestehend ansehen wollen, ein Fortbestehen von Gehaltsansprüchen haben sie jedoch ausdrücklich ausgeschlossen. Der in diesem Zusammenhang als "Umorientierungshilfe" gezahlte Betrag war deshalb keine Erfüllungsleistung im Rahmen eines noch laufenden Arbeitsvertrags.

Die Zahlung konnte dann aber nur noch eine Entschädigung für den Verlust des Arbeitsplatzes sein, weil sie im Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses vereinbart worden ist.

3. Da die spätere Zahlung in 1997 unstreitig auch für den Verlust des Arbeitsplatzes gewährt worden ist, liegen hier zwei Teile einer einheitlich zu beurteilenden Entschädigung vor, die nicht zusammengeballt zugeflossen sind. Dass der erste Teil gewissermaßen als Vorschuss gezahlt worden ist, steht dem nicht entgegen. Die Tarifermäßigung für den zweiten Teil war im Streitjahr somit zu Recht versagt worden.

Beachten Sie: Das FA hätte auch die Tarifbegünstigung für den ersten Teil der Entschädigung im Jahr 1994 nachträglich versagen können, vorausgesetzt, dass ihm trotz einer hier vorangegangenen Anrufungsauskunft im Lohnsteuerabzugsverfahren des Arbeitgebers das Abfindungsmodell nicht bekannt war. Ein Rechtsstreit war insoweit nicht anhängig.

4. Der Besprechungsfall ist zu unterscheiden von dem Fall der sog. Arbeitsfreistellung unter Fortzahlung der Bezüge, in dem das Arbeitsverhältnis in abgeänderter Form (Wegfall der Arbeitspflicht) fortgeführt wird (vgl. BFH, Urteil vom 27.4.1994, XI R 41/93, BStBl II 1994, 653).

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 14.5.2003, XI R 16/02

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