Leitsatz

Der positive Unterschiedsbetrag gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 Satz 3 Halbsatz 1 EStG ist bei Anwendung der 1 %‐Regelung auch dann unter Ansatz von 0,03 % des inländischen Listenpreises des Fahrzeugs je Kalendermonat zu berechnen, wenn der Steuerpflichtige im Monat durchschnittlich weniger als 15 Fahrten zur Betriebsstätte unternommen hat.

 

Normenkette

§ 4 Abs. 4 und 5 Satz 1 Nr. 6 Sätze 1 bis 3, § 6 Abs. 1 Nr. 4 Sätze 1 und 2, § 8 Abs. 2 Sätze 2 und 3, § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG

 

Sachverhalt

Die Klägerin erzielte als Steuerberaterin Einkünfte aus selbstständiger Arbeit. Sie war u.a. als freie Mitarbeiterin tätig und unternahm im Streitjahr 85 Fahrten zwischen ihrer Wohnung und der Kanzlei eines Kollegen. Die einfache Entfernung dieser Fahrten betrug 30 km. Die Fahrzeugkosten machte die Klägerin in voller Höhe als Betriebsausgaben geltend und ermittelte den Entnahmewert für private Fahrten nach der 1 %-Regelung. Die für die Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte ­abzugsfähigen Betriebsausgaben ermittelte sie nicht durch Multiplikation des gesetzlichen Faktors 0,03 % mit dem Listenpreis des Kfz und der einfachen Wegstrecke zur Betriebsstätte. Stattdessen ermittelte sie diese, indem sie den Listenpreis des genutzten Fahrzeugs mit dem Faktor 0,002 %, den gefahrenen Tagen und den Entfernungskilometern multiplizierte. Von diesem Betrag zog sie die Entfernungspauschale ab und rechnete das Ergebnis gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 Satz 3 EStG dem Gewinn aus ihrer Tätigkeit hinzu.

Das FA folgte dem nicht und ermittelte den Unterschiedsbetrag, indem es den Listenpreis des Pkw mit dem Faktor 0,03 % und der einfachen Wegstrecke von 30 km multiplizierte. Davon zog es den als Entfernungspauschale ermittelten Betrag ab. Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage statt (FG Düsseldorf, Urteil vom 27.8.2014, 7 K 2207/14 F). Es nahm eine teleologische Reduktion des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 Sätze 1 bis 3 EStG vor, wie sie der BFH zur Ermittlung des Zuschlags gemäß § 8 Abs. 2 Satz 3 EStG vorgenommen hatte.

 

Entscheidung

Der BFH hat der Revision des FA stattgegeben, das FG-Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen.

 

Hinweis

1. Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte sind grundsätzlich als Betriebsausgaben abziehbar. Aufgrund der Gleichstellung von Gewinn- und Überschusseinkünften ist für diese Fahrten jedoch nur die Entfernungspauschale nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG zu berücksichtigen. Dies wird technisch über eine Hinzurechnung zum Gewinn erreicht, wenn die Betriebsausgaben für das Kfz bereits in voller Höhe steuerlich berücksichtigt wurden. Gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 Satz 3 Halbsatz 1 EStG dürfen Aufwendungen für die Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte den Gewinn nicht mindern, soweit sich ein positiver Unterschiedsbetrag zwischen 0,03 % des inländischen Listenpreises je Kalendermonat für jeden Entfernungskilometer und dem sich nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG (der Entfernungspauschale) ergebenden Betrag ergibt. Diese Gewinnzurechnung tritt neben die mit der 1 %‐Regelung nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG besteuerte Privatnutzung des Kfz, wenn dieses zu mehr als 50 % betrieblich genutzt wird.

2. Nach Auffassung des BFH hat die Hinzurechnung auch dann zu erfolgen, wenn die Betriebsstätte an deutlich weniger als 15 Tagen im Monat aufgesucht wird. Er hat eine Übertragung seiner Rechtsprechung (BFH, Urteil vom 4.4.2008, VI R 85/04, BFH/NV 2008, 1237, BFH/PR 2008, 377, BStBl II 2008, 887; BFH, Urteil vom 31.1.2011, VI B 130/10, BFH/NV 2010, 792) zur teleologische Reduktion der pauschalierten Hinzurechnung bei der Ermittlung von Fahrtkosten bei Arbeitnehmern verneint. Nach dieser Rechtsprechung ist die dem § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 Satz 3 Halbsatz 1 EStG entsprechende Regelung des § 8 Abs. 2 Satz 3 EStG nicht anzuwenden, wenn der Dienstwagen in erheblich geringerem Umfang als 15 Fahrten von der Wohnung zur Arbeitsstätte pro Monat genutzt wird. Denn in diesem Fall steht nach Auffassung des BFH die pauschalierende Ermittlung des Korrekturbetrags nach § 8 Abs. 2 Satz 3 EStG im Widerspruch zur fahrtenbezogenen Pauschalierung auf der Ausgabenseite nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG. Der Arbeitnehmer kann daher den Ausgleich im Wege einer Einzelbewertung der Fahrten mit 0,002 % des Listenpreises i.S.d. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG je Entfernungskilometer berechnen.

Die Finanzverwaltung ist dieser Rechtsprechung gefolgt. Der Arbeitnehmer hat in diesem Fall gegenüber dem Arbeitgeber kalendermonatlich fahrzeugbezogen schriftlich zu erklären, an welchen Tagen (mit Datumsangabe) er das betriebliche Kfz tatsächlich für Fahrten zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte genutzt hat (BMF, Schreiben vom 1.4.2011, IV C 5-S 2334/08/10010, FMNR113000011).

3. Eine Übertragung dieser Rechtsprechung mit einer taggenauen Ermittlung des Zuschlags durch eine teleologische Reduktion des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 Satz 3 Halbsatz 1 EStG auf die Gewinneinkünfte hat der BFH mit der vorliegenden Entscheidung jedoch abgelehnt. Sie widerspricht dem...

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