Leitsatz

Für ein Hausnotrufsystem, das im Notfall lediglich den Kontakt zu einer 24 Stunden-Servicezentrale herstellt, die soweit erforderlich Dritte verständigt, kann die Steuerermäßigung nach § 35a Abs. 2 Satz 1 Alternative 2 EStG nicht in Anspruch genommen werden (Abgrenzung vom Senatsurteil vom 3.9.2015 – VI R 18/14, BFHE 251, 435, BStBl II 2016, 272).

 

Normenkette

§ 35a Abs. 2 Satz 1 Alternative 2, Abs. 4 Satz 1 EStG

 

Sachverhalt

Die Klägerin ist eine betagte Rentnerin. Im Streitjahr (2018) nahm sie Leistungen für ein Hausnotrufsystem in Anspruch und zahlte dafür 288 EUR. Dabei buchte sie das Paket Standard mit Gerätebereitstellung und 24-Stunden-Servicezentrale. Nicht gebucht hatte sie u.a. den Soforthelfer-Einsatz an ihrer Wohnadresse sowie die Pflege- und Grundversorgung.

Im Rahmen ihrer Einkommensteuerfestsetzung beantragte sie für ihre Aufwendungen betreffend das Hausnotrufsystem eine Steuerermäßigung nach § 35a Abs. 2 EStG.

Das FG gab der nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage statt (Sächsisches FG, Urteil vom 14.10.2020, 2 K 323/20, EFG 2021, 2017, Haufe-Index 14260970).

 

Entscheidung

Auf die Revision des FA hat der BFH das Urteil des FG aufgehoben und die Klage aus den in den Praxis-Hinweisen genannten Gründen abgewiesen.

 

Hinweis

1. Nach § 35a Abs. 2 Satz 1 Alternative 2 EStG ermäßigt sich die tarifliche Einkommensteuer, vermindert um die sonstigen Steuerermäßigungen, auf Antrag um 20 %, höchstens 4.000 EUR, der Aufwendungen des Steuerpflichtigen für die Inanspruchnahme von haushaltsnahen Dienstleistungen, die nicht Dienstleistungen nach § 35a Abs. 3 EStG sind. Gemäß § 35a Abs. 4 Satz 1 EStG muss die Dienstleistung in einem in der Europäischen Union oder dem Europäischen Wirtschaftsraum liegenden Haushalt des Steuerpflichtigen erbracht werden.

2. Zwar liegt den Aufwendungen für das Hausnotrufsystem eine haushaltsnahe Dienstleistung zugrunde. Denn durch ein solches wird sichergestellt, dass die Klägerin, wenn sie sich im räumlichen Bereich ihres Haushalts aufhält, im Bedarfsfall Hilfe rufen kann. Eine solche Rufbereitschaft leisten typischerweise in einer Haushaltsgemeinschaft zusammenlebende Familien- oder sonstige Haushaltsangehörige (BFH, Urteil vom 3.9.2015, VI R 18/14, BFH/NV 2016, 458).

3. Die Dienstleistung wird entgegen der Ansicht der Klägerin im Streitfall und anders als in dem der vorgenannten Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt jedoch nicht im Haushalt der Klägerin erbracht.

a) Vorliegend zahlt die Klägerin nicht nur für die Bereitstellung der erforderlichen Technik, mittels derer der Kontakt zu der Einsatzzentrale ausgelöst wird, sondern im Wesentlichen für das Bereithalten des Personals für die Entgegennahme eines eventuellen Notrufs (die Rufbereitschaft) und – je nach Situation – anschließender Kontaktierung von Angehörigen, Nachbarn, eines vorhandenen Bereitschaftsdienstes, des Hausarztes, Pflege- oder Rettungsdienstes. Die wesentliche Dienstleistung ist mithin die Bearbeitung von eingehenden Alarmen und die Verständigung von Bezugspersonen, des Hausarztes, Pflegedienstes etc. per Telefon und nicht – wie das FG meint – das Rufen des Notdienstes durch die Klägerin selbst.

b) Wie das FA zu Recht ausführt, wird diese maßgebende Dienstleistung nicht in der Wohnung des Steuerpflichtigen und damit nicht in dessen Haushalt erbracht. Es handelt sich vielmehr um eine Alarmüberwachungsleistung einer auswärtig untergebrachten Notrufzentrale (s.a. BMF vom 9.11.2016, BStBl I 2016, 1213, Rz 11).

c) Bei einem reinen Hausnotrufsystem im privaten Haushalt – wie im Streitfall – wird auch keine unmittelbare Direkthilfe in Form eines Sofort-Helfer-Einsatzes in der Wohnung des Steuerpflichtigen geschuldet, sondern ggf. als eigenständige Leistung Dritter vermittelt. Insoweit unterscheidet sich der Sachverhalt von demjenigen, der dem BFH, Urteil vom 3.9.2015, VI R 18/14, BFH/NV 2016, 458 zugrunde lag. Dort hatten die im Bereich des betreuten Wohnens beschäftigten Pfleger jeweils einen sog. Piepser bei sich, der den Notruf sofort an sie weiterleitete. Geschuldet war dort entsprechend auch die Notfall-Soforthilfe im Haushalt durch das auf diese Weise verständigte Pflegepersonal.

4. Mangels Leistungserbringung im Haushalt scheidet auch eine Steuerermäßigung für in Anspruch genommene Pflege- und Betreuungsleistung i.S.d. § 35a Abs. 2 Satz 2 Alternative 1 EStG aus.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 15.2.2023 – VI R 7/21

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