Leitsatz

1. Die in der Rechtsprechung des BFH zu § 129 AO entwickelten Grundsätze gelten auch bei der Einreichung elektronischer Steuererklärungen.

2. Ein Körperschaftsteuerbescheid ist offenbar unrichtig, wenn die Steuerpflichtige die Zeile 44a der Körperschaftsteuererklärung nicht ausgefüllt hat, obwohl sich aus den dem FA vorliegenden Steuerbescheinigungen und der Anlage WA zur Körperschaftsteuererklärung ergibt, dass die Steuerpflichtige eine Gewinnausschüttung einer GmbH erhalten und das FA in der Anrechnungsverfügung zum Körperschaftsteuerbescheid die Kapitalertragsteuer auf die Körperschaftsteuer angerechnet hat.

 

Normenkette

§ 129 AO, § 8b KStG

 

Sachverhalt

Die Klägerin reichte am 16.12.2014 ihre Körperschaftsteuererklärung für das Jahr 2013 in elektronischer Form ein. Die Steuererklärung enthielt keine Angaben zu den Zeilen 44 ff. des Mantelbogens (inländische Sachverhalte i.S.d. § 8b KStG). Weder die Zeile 44a ("inländische Bezüge i.S.d. § 8b Abs. 1 KStG") noch die Zeile 44b ("davon ab: in Zeile 44a enthaltene inländische Bezüge, auf die § 8b Abs. 4 KStG anzuwenden ist") oder die Zeilen 44d und 44e enthielten Eintragungen. In der Anlage WA war die anrechenbare Kapitalertragsteuer mit 42.000,03 EUR erklärt.

Am 29.12.2014 reichte sie beim FA zwei Steuerbescheinigungen der C GmbH ein, wonach die C GmbH an die Klägerin Gewinne ausgeschüttet hat. Die bescheinigte Kapitalertragsteuer betrug 9.500 EUR und 32.500 EUR.

Das FA erließ auf Basis der Steuererklärung u.a. einen Körperschaftsteuerbescheid für das Streitjahr. Die Kapitalertragsteuer wurde angerechnet.

Später beantragte die Klägerin u.a., den Körperschaftsteuerbescheid zu ändern. Bei Erlass des Bescheids sei eine offenbare Unrichtigkeit unterlaufen. Die Ausschüttung der C GmbH sei versehentlich als steuerpflichtig behandelt worden.

Das FA lehnte den Antrag ab. Einspruch und Klage blieben erfolglos. Das FG (FG Köln, Urteil vom 11.5.2017, 10 K 1732/16, Haufe-Index 11773286) führte aus, § 129 AO greife nicht ein, weil der Fehler der Klägerin für das FA nicht offenbar gewesen sei. Aus den Steuerbescheinigungen oder der Steuerakte ergebe sich nicht die Beteiligungshöhe. Dass die C GmbH ebenfalls beim FA geführt werde, sei unbeachtlich.

 

Entscheidung

Der BFH hob die Vorentscheidung auf und gab der Klage statt. Die vergessene Eintragung in Zeile 44a sei aufgrund der nachgereichten Steuerbescheinigungen offenbar unrichtig.

 

Hinweis

1. Ob aufgrund der Änderungsvorschriften der AO bei einer nachträglich als fehlerhaft erkannten Steuererklärung der formellen Bestandskraft eines nicht angefochtenen Steuerbescheids oder der materiellen Richtigkeit der Steuerfestsetzung Vorrang gebührt, ist eine der "klassischen" Streitfragen in finanzgerichtlichen Verfahren.

a) Sie stellt sich bei Einreichung einer Steuererklärung auf elektronischem Weg eigentlich nicht anders als bei Einreichung der Steuererklärung auf Papier. Deshalb kann z.B. die bisherige Rechtsprechung des BFH zu § 129 AO jedenfalls cum grano salis auf solche Fälle übertragen werden.

b) Da die Finanzverwaltung im Ergebnis durch die elektronische Einreichung die Datenerfassung auf die Steuerpflichtigen verlagert (und den Inhalt der Erklärung nur noch im Rahmen des Risikomanagements prüft), fallen weniger Fehler auf als zu den Zeiten, in denen Finanzbeamte die Daten der Steuerpflichtigen in die EDV der Finanzverwaltung eingegeben (und dabei auf fehlerhafte Angaben geprüft und diese ggf. korrigiert) haben. § 173a AO trägt diesem Umstand seit 2017 teilweise Rechnung. Wo er (noch) nicht eingreift, können nur die "klassischen" Änderungsvorschriften der materiellen Richtigkeit zum Durchbruch verhelfen.

2. Im Anwendungsbereich des § 129 AO kommt es für die Frage, ob ein Steuerbescheid wegen einer offenbaren Unrichtigkeit geändert werden kann, u.a. darauf an, dass Fehler bei der Auslegung oder Anwendung einer Rechtsnorm, eine unrichtige Tatsachenwürdigung oder die unzutreffende Annahme eines in Wirklichkeit nicht vorliegenden Sachverhalts ausgeschlossen werden können. § 129 AO ist ferner nicht anwendbar, wenn auch nur die ernsthafte Möglichkeit besteht, dass die Nichtbeachtung einer feststehenden Tatsache einem sonstigen sachverhaltsbezogenen Denk- oder Überlegungsfehler begründet ist oder auf mangelnder Sachverhaltsaufklärung beruht. Derjenige, für den die formelle Bestandskraft günstig ist, beruft sich regelmäßig auf diesen Ausschussgrund, auch wenn er im umgekehrten Fall genau entgegengesetzt argumentieren würde.

3. Besonders bedeutsam wird diese Prüfung, wenn die Steuererklärung mehrere Fragen stellt, die aufeinander aufbauen und rechtliche Beurteilungen enthalten. Fehlen Eintragungen zur "Eingangsfrage", bei der Rechtsfehler o.Ä. auszuschließen sind, weil sie in jedem Fall zu beantworten ist, liegt ein "Vergessen" auch dann vor, wenn anschließend aufgrund weiterer Fragen mehrere unterschiedliche rechtliche Ergebnisse möglich sind.

So liegt es bei vergessenen Eintragungen in Zeile 44a der Körperschaftsteuererklärung für das Jahr...

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