Leitsatz

Hält der Steuerpflichtige bei einer Einkommensteuerfestsetzung auf 0 DM entgegen dem vom FA der Festsetzung zugrunde gelegten positiven Gesamtbetrag der Einkünfte seine negativen Einkünfte für nicht ausgeglichen, so kann er dies nur in einem Verfahren der Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs geltend machen. Gegebenenfalls muss er innerhalb der Einspruchsfrist gegen den Einkommensteuerbescheid die Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs beantragen. Enthält der Einkommensteuerbescheid keine entsprechende Belehrung, so kann dieser Antrag binnen eines Jahres seit Bekanntgabe des Einkommensteuerbescheids gestellt werden.

 

Normenkette

§ 10d Abs. 3 EStG 1990 , § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO , § 356 Abs. 2 AO

 

Sachverhalt

Die Kläger haben im Jahr 1991 sämtliche Anteile an einer GmbH unter Hinnahme eines Verlusts von ca. 292.663 DM veräußert. Dennoch erklärten sie in der Steuererklärung 1991, an der ein Steuerberater mitgewirkt hatte, keinen Veräußerungsverlust, sondern positive gewerbliche Einkünfte aus der Beteiligung an einer KG. Das FA setzte bei einem Gesamtbetrag der Einkünfte von 25.227 DM die ESt 1991 im Juni 1993 auf 0 DM fest.

Im März 1995 beantragten die Kläger, den bestandskräftigen ESt-Bescheid 1991 zu ändern und den Verlust zu berücksichtigen. Das FA lehnte den Antrag mit der Begründung ab, dass die Kläger ein grobes Verschulden an dem nachträglichen Bekanntwerden des Verlusts treffe. Die anschließende Klage nahmen die Kläger zurück.

Im Juni 1995 beantragten die Kläger, einen verbleibenden Verlust von 267.436 DM festzustellen, was das FA ablehnte. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg.

 

Entscheidung

Der BFH wies die Revision zurück. Die Kläger hätten keinen Anspruch auf den Erlass eines Feststellungsbescheids über den verbleibenden Verlustabzug, weil der bestandskräftige ESt-Bescheid nicht mehr geändert werden könne. Die Annahme des FG, dass die Kläger ein grobes Verschulden an dem erst nachträglichen Bekanntwerden des Verlusts treffe, sei nicht zu beanstanden.

Den Antrag auf Erlass eines Feststellungsbescheids hätten die Kläger innerhalb der Einspruchsfrist gegen den ESt-Bescheid stellen müssen. Die Frist habe hier gem. § 356 Abs. 2 AO zwar ein Jahr betragen, die Kläger hätten den Antrag aber erst rund zwei Jahre nach der Bekanntgabe des ESt-Bescheids gestellt.

 

Hinweis

1. Der Fall verdeutlicht, dass der BFH trotz teilweise heftiger Kritik in der Literatur (z.B. Schmidt/Heinicke, EStG, § 10d Rz 56) bei der in seinem Urteil vom 9.12.1998, XI R 62/97 (BStBl II 2000, 3) dargelegten Auffassung festhält. Dort hatte er entschieden, dass Voraussetzung für den erstmaligen Erlass eines Feststellungsbescheids über den verbleibenden Verlustabzug nach § 10d Abs. 3 Satz 4 EStG a.F. (jetzt: § 10d Abs. 4 Satz 4 EStG) ist, dass der – bisher keinen Verlust ausweisende – Steuerbescheid noch entsprechend geändert werden kann. Die Änderungsmöglichkeit des Steuerbescheids setzt der BFH nach der o.g. Entscheidung auch für die Anwendung des Satzes 5 dieser Vorschrift voraus – also für den Fall, dass eine Änderung des Steuerbescheids mangels steuerlicher Auswirkung unterbleibt.

Deshalb eröffnet im Streitfall der auf 0 DM lautende ESt-Bescheid nicht allein deshalb die Möglichkeit, einen Feststellungsbescheid über den verbleibenden Verlustabzug zu beantragen, weil er mangels steuerlicher Auswirkung nicht angefochten werden kann. Vielmehr hätte zusätzlich dem Rechtsgrund nach eine Änderungsmöglichkeit des ESt-Bescheids nach den Korrekturvorschriften der AO gegeben sein müssen. Das war hier aber nicht der Fall, weil eine Änderung wegen nachträglich bekannt gewordener Tatsachen an dem groben Verschulden scheiterte.

2.Unbedingt zu beachten ist aber, dass innerhalb der Einspruchsfrist für den ESt-Bescheid in jedem Fall der Antrag auf Erlass eines Feststellungsbescheids über den verbleibenden Verlustabzug gestellt werden kann – und zwar auch dann, wenn der ESt-Bescheid auf 0 DM lautet und deshalb mangels Beschwer ein Einspruch gar nicht zulässig wäre. Dies hat der BFH am Ende des zitierten Urteils XI R 62/97 unter Hinweis auf die ansonsten eintretende unzulässige Verkürzung des Rechtsschutzes klargestellt.

3. Der vorliegende Fall zeigt nun auf, dass bei einem auf 0 DM lautenden ESt-Bescheid der Steuerpflichtige für den Antrag auf Erlass eines Verlustfeststellungsbescheids nicht nur einen Monat, sondern in der Regel ein Jahr lang Zeit hat.

Grund: Das FA wird in der Rechtsbehelfsbelehrung regelmäßig nicht darauf hinweisen, dass ein eventueller Feststellungsbescheid über den verbleibenden Verlustabzug innerhalb der Einspruchsfrist gegen den ESt-Bescheid beantragt werden muss. Dann aber verlängert sich nach § 356 Abs. 2 AO die Einspruchsfrist – und damit auch die Antragsfrist – auf ein Jahr.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 09.05.2001, XI R 25/99BFH, Urteil vom 9.5.2001, I R 25/99

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