Leitsatz

Es ist umstritten, ob und ggf. in welchen Fällen bei sogenannten Bauträgerfällen nach § 27 Abs. 19 UStG die Finanzgerichte über die an den Fiskus abgetretenen Werklohnforderungen selbst entscheiden können oder ob dafür die Zivilgerichte zuständig sind. Aussetzung der Vollziehung ist geboten.

 

Sachverhalt

Die Antragstellerin war als Bauträgerin tätig. Für bezogene Bauleistungen hatte sie zunächst in Übereinstimmung mit dem leistenden Bauunternehmen die Steuerschuldnerschaft nach § 13b UStG angewandt und Umsatzsteuern an das Finanzamt abgeführt. Nach Ergehen des Urteils, BFH, Urteil v. 22.8.2013, V R 37/10, beantragte sie die Erstattung der von ihr zu Unrecht gem. § 13b UStG erhobenen Umsatzsteuer, unter anderem für das Streitjahr 2013. Mit Umsatzsteuerbescheid vom 13.12.2018 wurde die Umsatzsteuer für 2013 herabgesetzt. Der Bauleistende wiederum trat seine Forderung gegen die Antragstellerin auf Nachzahlung seiner Werklohnforderung in Höhe der gegen ihn festgesetzten Umsatzsteuer aus den Bauleistungen an das Finanzamt ab. Am 8.1.2019 erklärte das Finanzamt ausweislich des Abrechnungsbescheids die Aufrechnung der abgetretenen Werklohnforderung mit dem Umsatzsteuererstattungsanspruch der Antragstellerin. Gegen den Abrechnungsbescheid legte die Antragstellerin Einspruch ein, weil keine Aufrechnungslage vorgelegen habe. Sie berief sich auf Verjährung, machte ein Zurückbehaltungsrecht geltend und führte aus, dass die Forderungen wegen fehlender Gegenseitigkeit nicht aufrechenbar seien. Da das Finanzamt die Aussetzung der Vollziehung ablehnte, wurde diese vor dem Finanzgericht beantragt.

 

Entscheidung

Das Finanzgericht hielt den Antrag für zulässig und – bis auf die Anordnung einer Sicherheitsleistung – für begründet. Nach Auffassung des Finanzgerichts ist zweifelhaft, ob der Antragsgegner (das Finanzamt) den Umsatzsteuererstattungsanspruch der Antragstellerin wirksam durch Aufrechnung gem. § 126 AO zum Erlöschen gebracht hat, obwohl die vom Antragsgegner aufgerechnete Forderung bestritten ist. So ist bislang rechtlich ungeklärt, ob die Finanzgerichte über den Bestand und die Durchsetzbarkeit sogenannter rechtswegfremder (zivilrechtlicher) Forderungen, mit denen das Finanzamt aufgerechnet hat, selbst entscheiden können oder ob zuvor eine Entscheidung der Zivilgerichte eingeholt werden muss. Im Streitfall ist die Durchsetzbarkeit der zivilrechtlichen Werklohnnachforderung, mit der der Antragsgegner aufgerechnet hat, wegen von der Antragstellerin geltend gemachter Verjährung und eines Zurückbehaltungsrechts gemäß § 273 BGB streitig. Bei divergierenden finanzgerichtlichen Entscheidungen und einer fehlenden höchstrichterlichen Rechtsprechung ist Aussetzung der Vollziehung geboten. Im gegenwärtigen Verfahrensstadium kann allerdings eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für ein Obsiegen der Antragstellerin nicht festgestellt werden. Deshalb ist die Aussetzung einer Vollziehung von einer Sicherheitsleistung abhängig zu machen, die die Antragstellerin auch durch Abtretung ihres Umsatzsteuererstattungsanspruchs erbringen kann.

 

Hinweis

Nach wie vor sind nicht sämtliche Einzelheiten der Abwicklung der "alten Bauträgerfälle" geklärt. Die Finanzverwaltung und der Gesetzgeber waren natürlich bemüht, sicherzustellen, dass Bauträger, die zunächst "zu Unrecht" Umsatzsteuer nach § 13b UStG abgeführt haben, diese nicht erstattet erhalten, ohne die Werklohnnachforderung des Bauunternehmers entrichten zu müssen. Um in solchen Fällen als Fiskus nicht auszufallen, wurde § 27 Abs. 19 UStG ins Leben gerufen. Für die Abwehrberatung von Bauträgerunternehmen ist natürlich zu empfehlen, in vergleichbaren Fällen gegen Aufrechnungen vorzugehen, bis die Problematik höchstrichterlich entschieden ist.

Das FG Münster hat in diesem Zusammenhang in insgesamt 6 Beschlüssen über die Aussetzung der Vollziehung zur Aufrechnung in Bauträgerfällen Stellung genommen (siehe auch FG Münster, Beschluss v. 17.2.2022, 5 V 3238/21; FG Münster, Beschluss v. 17.2.2022, 5 V 3239/ 21; FG Münster, Beschluss v. 17.2.2022, 5 V 3241/21; FG Münster, Beschluss v. 17.2.2022, 5 V 3242/21 und FG Münster, Beschluss v. 17.2.2022, 5 V 3243/21).

 

Link zur Entscheidung

FG Münster, Beschluss v. 17.02.2022, 5 V 3240/21

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