Grundvoraussetzung für jede – wie auch immer geartete – Berichtigung nach § 129 AO ist, dass es sich um Fehler des Finanzamts handelt. Berichtigungsfähig sind somit immer nur Fehler, die das Finanzamt zu verantworten hat. Unterlaufen dem Steuerpflichtigen Schreib-, Rechen- oder ähnliche offenbare Fehler, also ein mechanischer Fehler, in seinen Aufzeichnungen oder bei der Anfertigung der Steuererklärung, die für die Finanzbehörde nicht erkennbar sind, liegen keine Unrichtigkeiten vor, "die beim Erlass eines Verwaltungsakts unterlaufen sind". Nur soweit die Finanzbehörde einen solchen Fehler aus der Steuererklärung, deren Anlagen sowie den in den Akten befindlichen Unterlagen für das betreffende Veranlagungsjahr selbst erkennen kann, übernimmt sie diesen Fehler und macht ihn zu ihrem eigenen.

 
Wichtig

Übernahme eines Tatsachen- oder Rechtsirrtums kein Fall des § 129 AO

Die Anwendung des § 129 AO durch Fehlerübernahme seitens des Finanzamts scheidet folgerichtig aus, wenn dem Ausgangsfehler des Steuerpflichtigen ein Tatsachen- oder Rechtsirrtum zugrunde liegt. Es bleibt dann ein Sachverhalts- oder Rechtsfehler, selbst wenn das Finanzamt ihn hätte erkennen können.[1]

 
Praxis-Beispiel

Vergessene AfA (Grundfall)

Die zusammen zur ESt veranlagten E und F erzielen in 04 u. a. Einkünfte aus VuV aus dem Objekt C. In ihrer ESt-Erklärung versäumen sie es durch Unachtsamkeit, in der Anlage V bei den Werbungskosten die AfA zu erklären. Das Finanzamt hat Jahre zuvor eine AfA-Tabelle über die jährlich anzusetzenden Beträge erstellt und diese in seinem EDV-System zu der Steuernummer von E und F als sog. "festsetzungsnahe Daten" (fnD) hinterlegt. Bei der Veranlagung erfolgt ein Prüfhinweis, wonach "die geltend gemachte AfA nicht mit dem AfA-Betrag in den fnD übereinstimmt". Gleichwohl bleiben die nicht erklärten AfA-Beträge im Bescheid außer Ansatz.

Zu Zeiten der aktengeführten Veranlagung, bei der die AfA-Tabellen den Akten vorgeheftet und somit bei jeder Neuveranlagung präsent waren, wurde eine solche Konstellation als ein nach § 129 AO berichtigungsfähiger Übernahmefehler des Finanzamts gewertet.[2]

Bei der elektronischen Veranlagung kann dies nicht anders sein. Die fnD gelten somit als vom Computer automatisch hinzugezogen, unabhängig davon, ob der jeweilige Bearbeiter dem Prüfhinweis Folge leistet oder insoweit seine Pflicht verletzt und eine Nachsicht in den fnD unterlässt. Die fnD erfüllen somit vorliegend die Funktion einer Kontrollmitteilung für das Veranlagungsjahr und gelten demgemäß als bei der Veranlagung präsent. Bei wertender Betrachtung liegt daher kein Ermittlungsfehler, sondern ein (pflichtwidriges) Übersehen der gespeicherten Daten und somit eine offenbare Unrichtigkeit i. S. d. § 129 AO vor.[3]

Anders verhält es sich, wenn das Finanzamt – um einen Fehler des Steuerpflichtigen erkennen zu können – Ermittlungen anstellen muss und dies unterlässt. In diesem Fall liegt eine Verletzung der Sachaufklärungspflicht vor, die eine offenbare Unrichtigkeit ausschließt.[4] Dies gilt insbesondere auch dann, soweit das Finanzamt bei der Veranlagung auf Vorakten zurückgreifen muss.[5]

 
Praxis-Beispiel

Vergessene AfA (Abwandlung)

1 Jahr später beantragt F die Einzelveranlagung. Diesmal vergisst sie die AfA für das Objekt B, wofür unter der alten Steuernummer der Eheleute ebenfalls in den fnD die AfA-Tabelle angelegt ist. Der Prüfhinweis lautet jetzt: "Unter dem EW-Aktenzeichen … werden erstmals Einkünfte erklärt. Bitte die Angaben zu diesem Objekt vollumfänglich prüfen und die festsetzungsnahen Daten anlegen." Er bleibt unbeachtet.

Dies ist kein Fall des § 129 AO. Der Bearbeiter hätte die fnD, die zu der früheren gemeinsamen Steuernummer der Eheleute hinterlegt waren, aufrufen müssen, um eine sachgerechte Überprüfung durchführen zu können. Es hätte demzufolge weiterer Ermittlungen aufgrund des Prüfhinweises bedurft. Die Situation ist insoweit vergleichbar mit der Hinzuziehung von Vorjahresakten. Es liegt somit eine aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen erforderliche, vom Sachbearbeiter unterlassene Sachverhaltsermittlung vor, die kein mechanisches Versehen ist.[6]

Die Anwendung des Prinzips der Fehlerübernahme ist in der Praxis nicht leicht. Hier kommt jetzt der sog. "objektive Dritte" ins Spiel, der im konkreten Einzelfall fiktiv zu prüfen hat, ob der Fehler das Tatbestandsmerkmal der "Offenbarkeit"[7] erfüllt.

 
Wichtig

Korrekturausweg über neue Tatsachen

In Fällen offenbarer Versehen des Steuerpflichtigen zu seinen Lasten, die dem Finanzamt nicht als eigene Fehler zugerechnet werden können, sollte sich der Betreffende nicht gleich geschlagen geben. So wird in der Praxis oft verkannt, dass statt einer Korrektur nach § 129 AO eine solche wegen neuer Tatsachen gem. § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO in Betracht kommen kann. Bloße Nachlässigkeiten des Steuerpflichtigen, die jedem passieren können, begründen nämlich kein grobes Verschulden.[8]

Dieser Korrekturmöglichkeit kommt insbesondere bei der elektronischen und – nach dem Wunsch der Finanzverwalt...

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