Rechtswidrige begünstigende Verwaltungsakte, z. B. Stundung oder Erlass, dürfen nach Abs. 2 des § 130 AO nur unter bestimmten Voraussetzungen zurückgenommen werden. Die in der Praxis wichtigste Fallgruppe ist, dass der Steuerpflichtige den Verwaltungsakt durch Angaben erwirkt hat, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig sind.[1] So kann eine Stundung oder ein Erlass von Steuern zurückgenommen werden, wenn der Steuerpflichtige seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse unzutreffend dargestellt hat. Da Rücknahmen auch für die Vergangenheit möglich sind, lebt die durch den Erlass erloschene Steuerschuld wieder auf. Dadurch entstehen auch rückwirkend Säumniszuschläge. Von dieser Möglichkeit wird das Finanzamt insbesondere Gebrauch machen, wenn die falschen Angaben des Steuerpflichtigen auf unlauteren Mitteln beruhen.[2]

Auch die Rücknahme eines begünstigenden Verwaltungsakts ist eine Ermessensentscheidung. Sie ist nach § 130 Abs. 3 AO nur innerhalb einer bestimmten Zeit zulässig.[3] Gegen sie kann Einspruch eingelegt werden.

Fraglich ist, ob § 130 Abs. 2 und auch Abs. 1 AO auch bei fehlerhaften Anrechnungsverfügungen, z. B. hinsichtlich LSt, KapESt und Vorauszahlungen, Anwendung findet. Diese Frage war bisher durchaus praxisrelevant, insbesondere im Fall der Einzelveranlagung von ­Ehegatten, wenn dabei das Finanzamt die Regeln der Aufteilung eines Erstattungsbetrags nicht beachtet.[4] Die Antwort hängt vom Rechtscharakter der Anrechnungsverfügung ab. Nach Auffassung des VII. Senats des BFH – und mit ihm die Verwaltung[5] – ist sie ein eigenständiger Verwaltungsakt. Die Anrechnungsverfügung entfaltet gegenüber einem späteren Abrechnungsbescheid i. S. d. § 218 Abs. 2 AO Bindungswirkung. Im Rahmen eines Abrechnungsbescheids kann die Steueranrechnung daher nur dann geändert werden, wenn die Vorschriften der §§ 129 bis 131 AO dies zulassen.[6]

Beantragt ein Ehegatte (oder Lebenspartner) die Korrektur einer Anrechnungsverfügung (oder eines Abrechnungsbescheids) zu seinen Gunsten, ermöglicht § 218 Abs. 3 AO dem Finanzamt, eine danach sich ergebende widerstreitende Entscheidung in anderen Anrechnungsverfügungen (oder Abrechnungsbescheiden) in entsprechender Anwendung der für Steuerbescheide geltenden Regelung in § 174 Abs. 4 und 5 AO aufzulösen.[7]

Unstrittig ist, dass eine fehlerhafte Anrechnungsverfügung nach Ablauf der durch sie in Lauf gesetzten 5-jährigen Zahlungsverjährungsfrist nicht mehr korrigierbar ist.[8]

 
Praxis-Beispiel

Keine Korrektur fehlerhafter Anrechnungsverfügung wegen Zahlungsverjährung

Im ESt-Bescheid 01 vom 1.8.02 für S wird aufgrund eines Eingabefehlers 15.000 EUR statt richtigerweise 1.500 EUR Lohnsteuer angerechnet. S erhält zu Unrecht eine entsprechend hohe Erstattung. Der Fehler wird seitens des Finanzamts anlässlich einer Prüfung des Rechnungshofs erst im Januar 08 entdeckt. Die (rechtswidrige begünstigende) Anrechnungsverfügung könnte zwar nach § 130 Abs. 2 Nr. 4 AO innerhalb eines Jahres ab Kenntnis des Fehlers durch das Finanzamt (Abs. 3) korrigiert werden, da deren Fehlerhaftigkeit dem S sicherlich bekannt war. Der Korrektur steht jedoch der Eintritt der 5-jährigen[9] Zahlungsverjährung entgegen. Die Frist hat mit Ablauf des Jahres 02 begonnen, also dem Jahr, in dem die fehlerhafte Anrechnungsverfügung ergangen war[10] und endete nach 5 Jahren mit Ablauf des Jahres 07. Diese Grundsätze gelten freilich auch für den umgekehrten Fall, in welchem sich der Fehler zulasten des Steuerpflichtigen auswirkt.

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