Leitsatz

1. Unverzinsliche (betriebliche) Verbindlichkeiten aus Darlehen, die ein Angehöriger einem Gewerbetreibenden, Selbstständigen oder Land‐ und Forstwirt gewährt, sind nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG abzuzinsen, wenn der Darlehensvertrag unter Heranziehung des Fremdvergleichs steuerrechtlich anzuerkennen ist.

2. Verfassungsrechtliche Bedenken hiergegen bestehen nicht.

 

Normenkette

§ 6 Abs. 1 Nr. 3, § 4 Abs. 1, § 5 Abs. 1 Satz 1, Abs. 6, § 4 Abs. 4, § 9 Abs. 1, § 12 Nrn. 1 und 2 EStG

 

Sachverhalt

Die Kläger sind Eheleute und werden zur Einkommensteuer zusammen veranlagt. Der Kläger erzielte in den Streitjahren (2005 und 2006) u.a. Einkünfte aus LuF sowie aus Gewerbebetrieb. Im Januar 2006 gewährte die Klägerin dem Kläger ein unverzinsliches Darlehen zur Ablösung von betrieblichen Schulden. Die Mittel hierfür hatte sie aus privaten Verkäufen erzielt. Die Darlehen waren am 31.12.2015 zur Rückzahlung fällig. Besichert waren sie nicht. Das FA ging davon aus, dass die Darlehen steuerlich anzuerkennen seien. Wegen der Unverzinslichkeit seien sie gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG mit einem Zinssatz von 5,5 % abzuzinsen und der Gewinn bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb sowie bei den Einkünften aus LuF in den Streitjahren entsprechend zu erhöhen. Die nach erfolglosem Vorverfahren erhobene Klage wies das FG ab (FG München, Urteil vom 26.6.2014, 11 K 877/11, Haufe-Index 7744910, EFG 2015, 1084).

 

Entscheidung

Die Revision der Kläger wies der BFH aus den in den Praxis-Hinweisen erläuterten Gründen als unbegründet zurück.

 

Hinweis

1. Nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG sind (betriebliche) Verbindlichkeiten unter sinngemäßer Anwendung des § 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG anzusetzen und mit einem Zinssatz von 5,5 % abzuzinsen. Ausgenommen von der Abzinsung sind Verbindlichkeiten, deren Laufzeit am Bilanzstichtag weniger als zwölf Monate beträgt, und Verbindlichkeiten, die verzinslich sind oder auf einer Anzahlung oder Vorauszahlung beruhen (§ 6 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 EStG).

2. Die Verpflichtung zur Abzinsung gilt auch für unverzinsliche betriebliche Verbindlichkeiten aus Darlehen, die ein Angehöriger einem Gewerbetreibenden, Selbstständigen oder Land- und Forstwirt gewährt hat. Weder dem Gesetzeswortlaut noch Sinn und Zweck der Vorschrift lässt sich etwas anderes entnehmen.

Keine verfassungsrechtlichen Bedenken

Verfassungsrechtliche Bedenken hiergegen bestehen nicht. Es ist von der Typisierungsbefugnis des Gesetzgebers gedeckt, wenn dieser eine Regelung schafft, die im Fall der Gewährung eines unverzinslichen Darlehens zunächst zu einer – im weiteren Verlauf durch Aufzinsungen kompensierten – Erhöhung des Gewinns beim Darlehensnehmer führt. Die Abzinsung von Darlehen für Zwecke der Besteuerung ist als solche weder sachwidrig noch unverhältnismäßig; sie dient vielmehr der Verteilung des Zinsaufwands nach Maßgabe einer wirtschaftlichen Zuordnung. Zu einer Ausnahmeregelung in Bezug auf Angehörigendarlehen war der Gesetzgeber nicht verpflichtet, zumal der in diesem Fall eintretende vorzeitige Gewinnausweis durch die Vereinbarung einer – sehr geringen – Verzinsung vermieden werden kann.

3. Eine betriebliche Verbindlichkeit liegt vor, wenn der auslösende Vorgang einen tatsächlichen oder wirtschaftlichen Zusammenhang mit dem Betrieb aufweist. Demgemäß sind Darlehensverbindlichkeiten dem Betriebsvermögen zuzuordnen, wenn die Kreditmittel für betriebliche Zwecke, beispielsweise zur Anschaffung von Wirtschaftsgütern oder – wie im Streitfall – zur Ablösung anderer Betriebsschulden, verwendet ­werden. Dies gilt auch bei Gefälligkeitsdarlehen unter Verwandten, wenn die Darlehensvereinbarung unter Heranziehung des Fremdvergleichs steuerlich anzuerkennen ist. Denn nur dann ist das Angehörigendarlehen dem Betriebsvermögen und nicht dem Privatvermögen des Betriebsinhabers zuzuordnen.

Korrekturbuchung erforderlich

Ist ein das "Privatdarlehen" versehentlich ­einem betrieblichen Konto gutgeschrieben worden, ist dieses in der Bilanz daher zwingend als Einlage zu erfassen. Eine Abzinsung scheidet in diesem Fall notwendigerweise aus (BFH, Beschluss vom 22.4.2015, IV B 76/14, BFH/NV 2015, 976).

4. Ob eine Vereinbarung zwischen Angehörigen unter Fremdvergleichsgrundsätzen steuerlich anzuerkennen ist, bedarf einer Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalls. Insbesondere müssen vertragliche Hauptpflichten klar und eindeutig ver­einbart sowie entsprechend dem Vereinbarten durchgeführt werden. Allerdings schließt nicht jede Abweichung einzelner Sachverhaltsmerkmale vom Üblichen die steuerrechtliche Anerkennung des Vertragsverhältnisses aus.

Von wesentlicher Bedeutung ist, ob die Vertrags­chancen und -risiken in fremdüblicher Weise verteilt sind. Ferner ist von Belang, ob es sich um ein Rechtsgeschäft unter volljährigen, voneinander wirtschaftlich unabhängigen Angehörigen oder um eine Vereinbarung etwa zwischen Eltern und minderjährigen Kindern handelt. Dabei hängt die Intensität der Prüfung des Fremdvergleichs bei Darlehensverträgen zwischen nahen Angehörigen vom Anlass der Darlehensaufnahm...

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