Leitsatz

1. Genussrechte führen nur dann zu Bezügen i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG, wenn der Genussrechtsinhaber kumulativ sowohl am Gewinn als auch am Liquidationserlös beteiligt ist (sog. beteiligungsähnliche Genussrechte).

2. Für die Beteiligung am Liquidationserlös ist auf das Abwicklungsendvermögen i.S. des § 11 KStG, d.h. auf die Beteiligung an einem etwaigen Liquidations-­(mehr)erlös und die damit verbundene Beteiligung des Genussrechtsinhabers an den stillen Reserven abzustellen, nicht hingegen auf die Gewinnabhängigkeit der Genussrechtsausschüttungen, die Stellung eines Alleingesellschafters, die lange Laufzeit des Genussrechts oder auf ein Wandlungsrecht des Genussrechtsinhabers zum Erwerb von Gesellschaftsanteilen, selbst wenn dessen Ausübung wahrscheinlich ist.

3. Zur Frage des Rechtsmissbrauchs bei zwischengeschalteten Kapitalgesellschaften.

 

Normenkette

§ 20 Abs. 1 Nr. 1 und 7, Abs. 2a EStG, § 8 Abs. 3 Satz 2 Variante 2, § 8b Abs. 1, Abs. 5, § 15 Satz 1 Nr. 2, Satz 2 KStG, § 7 Satz 1, § 8 Nr. 5, § 9 Nr. 7 GewStG, § 39, § 42 AO, Art. 20 Abs. 1 Buchst. b DBA Frankreich 1959/2001, Art. 11 Abs. 1, Abs. 4 Satz 2, Art. 10 Abs. 3 DBA Kanada 2001, Art. 10 Abs. 1, Art. 23 Abs. 2 Buchst. a Satz 3 DBA USA 1989

 

Sachverhalt

Erster Sachverhaltskomplex "Genussrecht":

Die in Deutschland ansässige Klägerin, eine AG, war zu jeweils 100 % an der britischen X-C und der kanadischen X-A beteiligt. Die X-A hielt ihrerseits 100 % der Anteile an der im Dezember 2003 gegründeten kanadischen X-D.

Mit dem FA entstand Streit über die steuerliche Beurteilung folgender Finanzierungsstruktur:

Schritt 1: Die X-C wandelte mit Gesellschafterbeschluss einen eigenen Geschäftsanteil in Vorzugsanteile ("Preferred Shares") um, die sie an die Klägerin ausgab. Die Anteile gewährten eine jährliche Vorzugsdividende sowie im Fall der Liquidation nach Erfüllung aller Verbindlichkeiten den Anspruch auf Zahlung eines Fixbetrags und die Teilnahme an den stillen Reserven.

Schritt 2: 2003 veräußerte die Klägerin ihre Vorzugsanteile, die 46,85 % des gesamten Kapitals der X-C ausmachten, für einen Kaufpreis i.H.v. ... CAD mit sofortiger Wirkung an die X-D. Die X-D beglich ihre Kaufpreisschuld gegenüber der Klägerin durch Ausgabe einer Schuldverschreibung ("Promissary Note") i.H.v. ... CAD und die Ausgabe neuer Anteile ("Common Shares") im Wert von ... CAD.

Schritt 3: 2004 veräußerte die Klägerin ihre Anteile an der X-D für einen Kaufpreis i.H.v. ... CAD mit sofortiger Wirkung an die X-A, die ihre Kaufpreisschuld gegenüber der Klägerin durch die Ausgabe von Genussrechten ("Jouissance Rights") beglich. Der Wert der Genussrechte ergab sich aus einem Bewertungsgutachten. Die Genussrechte sahen im Wesentlichen folgende Bedingungen vor:

  • feste Laufzeit bis zum ... 2043 mit vollständiger Rückzahlung des Kapitals;
  • Ausschluss einer vorzeitigen Rückzahlung des Kapitals, aber Recht des Genussrechtsinhabers, im Fall einer Leistungsstörung seine Ansprüche vorzeitig fällig zu stellen;
  • zusätzlich einseitiges Kündigungsrecht des Genussrechtsinhabers bei Änderung der Steuergesetzgebung, wozu auch eine von der steuerlichen Beurteilung der Parteien abweichende Steuerfestsetzung durch die deutschen oder kanadischen Finanzbehörden gehören sollte;
  • Genussrechtsausschüttungen auf Grundlage eines sich im Zeitablauf reduzierenden Prozentsatzes an dem jährlich nach bestimmten Vorgaben zu errechnenden Nettogewinn der X-A, wobei eine Mindestverzinsung i.H.v. 4 % und eine Maximalverzinsung von 16 % des Genussrechtskapitals vorgesehen war (durchschnittliche geschätzte Gewinnerwartung 8,59 % des Genussrechtskapitals, tatsächlich in den Jahren 2004 bis 2009 erzielt: 10,6 %);
  • Recht der X-A zur Ausschüttung von Aktien, falls der tatsächliche Nettogewinn geringer als die Mindestverzinsung sein sollte;
  • Recht des Genussrechtsinhabers, am Fälligkeitstag (auch im Fall einer vorzeitigen Fälligkeit) statt der Rückzahlung des Kapitals Aktien der X-A zu erwerben (Wandlungsrecht), deren Zahl sich während der Laufzeit des Vertrags verringert (zum Ende der Laufzeit ... Aktien mit einem erwarteten Wert i.H.v. ... CAD);
  • Nachrangigkeit der Genussrechte gegenüber den Gläubigern der X-A im Fall der Insolvenz oder Auflösung der X-A;
  • Genussrechtsinhaber hat nicht die Rechte eines Gesellschafters, insbesondere kein Stimmrecht.

Die Klägerin behandelte die Genussrechtsausschüttungen als steuerfreie Beteiligungserträge i.S.d. § 8b Abs. 1 Satz 1 KStG. Von kanadischer Seite wurden die Genussrechte dagegen als Fremdkapital eingestuft. Dadurch waren die im Streitjahr an die Klägerin geleisteten Ausschüttungen bei der X-A steuerlich abzugsfähiger Zinsaufwand. Eine 10 %ige kanadische Quellensteuer wurde einbehalten.

Demgegenüber sah das FA die Genussrechtsausschüttungen bei der Klägerin als steuerpflichtige Zinsen i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG an.

Zweiter Sachverhaltskomplex "Vorzugsaktie"

Die Klägerin war alleinige Gesellschafterin der X-F GmbH, die ihrerseits 100 % der Anteile der 2005 gegründeten X-H GmbH hielt. Die wi...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Steuer Office Excellence. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge