Leitsatz

1. Die Abgeltungswirkung nach § 43 Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 1 EStG tritt auch dann ein, wenn die bei der Auszahlung der Kapitalerträge einbehaltene Kapitalertragsteuer nicht beim Finanzamt angemeldet und abgeführt wird und kein die Abgeltungswirkung des Steuerabzugs ausschließender Fall nach § 43 Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 2, Satz 2 oder Satz 3 EStG vorliegt.

2. Dies gilt auch dann, wenn der Steuerpflichtige Kapitaleinkünfte in Form von Scheinrenditen aus einem betrügerischen Schneeballsystem erzielt hat, für die aus seiner Sicht Kapitalertragsteuer nach § 43 Abs. 5 Satz 1 EStG einbehalten worden ist.

3. Die Bemessungsgrundlage der von dem Steuerpflichtigen aus den Scheinrenditen erzielten Kapitaleinkünfte mindert sich nicht um die einbehaltene Abgeltungsteuer (Kapitalertragsteuer und Solidaritätszuschlag), wenn der Einbehalt nach § 44 Abs. 1 Satz 3 EStG mit abgeltender Wirkung für Rechnung des Steuerpflichtigen als Gläubiger der Kapitalerträge erfolgt ist (anderer Ansicht Urteil des FG München vom 27.10.2017 – 2 K 956/16, BB 2018, 468).

4. Das Fehlen der aufsichtsrechtlichen Genehmigung nach § 32 KWG steht der Qualifikation eines Unternehmens als inländisches Finanzdienstleistungsinstitut i.S. des § 44 i.V.m. § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 Buchst. b EStG nicht entgegen, wenn es die Merkmale des § 1 Abs. 1a KWG erfüllt (Anschluss an BFH-Urteil vom 16.10.2002 – I R 23/02, BFH/NV 2003, 653).

 

Normenkette

§ 43 Abs. 5, Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 Buchst. b, § 44 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 Buchst. a Doppelbuchst. aa, § 32d Abs. 3, § 11 Abs. 1, § 2 Abs. 5b EStG, § 20 EStG 2013, Art. 3 Abs. 1 GG, § 32 KWG

 

Sachverhalt

Der Kläger erzielte in den Streitjahren 2013 bis 2015 Scheinrenditen aus einem Schneeballsystem. Das FA legte diese als Kapitaleinkünfte der Besteuerung zugrunde, obgleich der Betreiber des Schneeballsystems beim Zufluss der Scheinrenditen die Kapitalertragsteuer in korrekter Höhe einbehalten hatte. Nach Auffassung des FA trat die Abgeltungswirkung nach § 43 Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 1 EStG nicht ein, da die einbehaltene Kapitalertragsteuer weder angemeldet noch abgeführt worden war. Es verweigerte zudem die Anrechnung der Kapitalertragsteuer auf die festgesetzte ESt, da keine ordnungsgemäße Steuerbescheinigung vorgelegt worden sei. Die hiergegen gerichtete Klage hatte Erfolg (FG Nürnberg, Urteil vom 11.10.2017, 3 K 348/17, Haufe-Index 11552423, EFG 2018, 117). Hiergegen richtete sich die Revision des FA. Dieses erließ während des Revisionsverfahrens einen Änderungsbescheid, in dem es die der Besteuerung zugrunde gelegten Kapitaleinkünfte des Klägers um den Betrag der einbehaltenen Kapitalertragsteuer kürzte.

 

Entscheidung

Der BFH hat das FG-Urteil wegen des während des Revisionsverfahrens ergangenen Änderungsbe­scheids aus verfahrensrechtlichen Gründen nach § 127 FGO aufgehoben und der Klage stattgegeben. Damit wurde die Revision des FA im Ergebnis als unbegründet zurückgewiesen.

 

Hinweis

1. Die Rechtsprechung des BFH zur Besteuerung von Scheinrenditen hat in der Vergangenheit zu großem Unmut bei den Steuerpflichtigen geführt. Grund hierfür ist, dass der BFH bereits dann von einem Zufluss der Scheinrenditen nach § 11 Abs. 1 EStG und einer Besteuerung nach § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG ausgeht, wenn diese auf Weisung des Anlegers wieder "angelegt" werden und der Betreiber des Schneeballsystems zu diesem Zeitpunkt zur Auszahlung des Gewinns leistungsbereit und leistungsfähig gewesen wäre. Der Verlust, den der Anleger bei einem späteren Zusammenbruch des Schneeballsystems erlitten hat, war dagegen bis zur Einführung der Abgeltungsteuer zum 1.1.2009 steuerlich grundsätzlich nicht zu berücksichtigen. Im Ergebnis hatte der Anleger danach Steuern auf Scheinrenditen zu zahlen, von denen er wirtschaftlich nicht profitiert hat.

Verlustverrechnungsbeschränkung bei Forderungsausfall

Nach der Rechtsprechung des BFH ist der Forderungsausfall seit Einführung der Abgeltungsteuer als Verlust nach § 20 Abs. 2 Nr. 7, Abs. 4 EStG steuerlich zu berücksichtigen. Dies bedeutet, dass der Ausfall der Forderung auf Auszahlung der Scheinrenditen nach dem Zusammenbruch des Schneeballsystems grundsätzlich steuermindernd zu berücksichtigen ist. Jedoch besteht seit dem 1.1.2020 eine Verlustverrechnungsbeschränkung nach § 20 Abs. 6 Satz 6 EStG, sodass Verluste aus der Uneinbringlichkeit der Kapitalforderung oder der Ausbuchung der wertlosen Wirtschaftsgüter nur noch in Höhe von 20.000 EUR mit positiven Kapitaleinkünften verrechnet werden können.

2. Die Bemessungsgrundlage der von dem Kläger aus den Scheinrenditen erzielten Kapitaleinkünfte i.S.d. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 EStGmindert sich nicht um die von dem Betreiber des Schneeballsystems einbehaltene Abgeltungsteuer zzgl. Kapitalertragsteuer und Solidaritätszuschlag. Denn der Einbehalt der Kapitalertragsteuer erfolgte nach § 44 Abs. 1 Satz 3 EStG mit abgeltender Wirkung für Rechnung des Klägers als Gläubiger der Kapitalerträge. Dem Kläger sind danach auch die für den Steuerabzug einbehaltenen Kapitalerträge z...

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