Leitsatz

Gibt der Arbeitnehmer mit seinem Interesse an einer Weiterführung der ursprünglichen Vereinbarung auf Arbeitnehmererfindervergütung im Konflikt mit seinem Arbeitgeber nach und nimmt dessen Abfindungsangebot an, so entspricht es dem Zweck des von der Rechtsprechung entwickelten Merkmals der Zwangssituation, nicht schon wegen dieser gütlichen Einigung in konfligierender Interessenlage einen tatsächlichen Druck infrage zu stellen.

 

Normenkette

§ 24 Nr. 1 Buchst. a, § 34 Abs. 1 EStG

 

Sachverhalt

K war als erfolgreicher Techniker bei einer GmbH tätig, die sich mit systemgebundenen Produkten für den Baubereich beschäftigt. Die GmbH entwickelte technische Geräte und Verfahren, woran K wesentlich beteiligt war. Er machte für die GmbH zahlreiche Erfindungen, die auch patentiert wurden. Für jede der Erfindungen bestand ein Konzept zur Abrechnung der Erfindervergütungen. Nach dem Eintritt in den Ruhestand schlossen K und die GmbH eine Abfindungsvereinbarung. Als Ausgleich für den Verlust zurückliegender und künftiger Vergütungen erhielt K eine einmalige Abfindung von 518.250 EUR. Den Betrag ermittelten sie anhand der Patentlaufzeiten. Kmachte vor dem FA vergeblich die begünstigte Besteuerung nach § 34 EStG geltend. Auch das FG entsprach seinem Begehren nicht, wohl aber der BFH.

 

Entscheidung

Der BFH hob die Entscheidung des FG Münster (Urteil vom 5.5.2011, 3 K 4151/08 E, Haufe-Index 2754148, EFG 2011, 2078) auf und gab der Klage aufgrund der in den Praxis-Hinweisen dargelegten Gründe statt.

 

Hinweis

1. Die Abfindung zum Ausgleich künftiger Arbeitnehmererfindervergütungen ist ohne Zweifel eine Entschädigung, § 24 Nr. 1a) EStG; denn sie wird "als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen" für die künftigen Ansprüche auf Arbeitnehmererfindervergütung gewährt, die sich mit der Erfüllung der Abfindung erledigen.

2. Ob diese Entschädigung nach § 34 Abs. 1 EStG ermäßigt besteuert wird, hängt nun nach der bisherigen Rechtsprechung davon ab, ob sich der Steuerpflichtige dem zusammengeballten Zufluss nicht habe entziehen können, unter rechtlichem, wirtschaftlichem oder tatsächlichem Druck gehandelt habe.

3. In der vorliegenden Konstellation war davon auszugehen: K ist auf das Angebot seines Arbeitgebers auf einmalige Entschädigung aus Gründen der Loyalität und zur Vermeidung weiterer Streitigkeiten eingegangen, obschon ihm weiterhin jährliche Zahlungen aus den zusammen mit seinem Arbeitgeber entwickelten Patenten lieber gewesen wären. Damit stand K unter tatsächlichem Druck, dem er frühzeitig nachgegeben hat. Sein Interesse, die ursprüngliche Vereinbarung auf Arbeitnehmererfindervergütung weiterzuführen, stieß auf das damit in Konflikt tretende Interesse seines Arbeitgebers an einer Einmalzahlung, um alle Rechtsbeziehungen zu erledigen. Wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer schließlich eine Lösung im Konsens finden, so entspricht es nicht dem Zweck des von der Rechtsprechung entwickelten Merkmals der Zwangssituation, würde man bei dieser gütlichen Einigung einen tatsächlichen Druck in Abrede stellen. Das würde geradezu dazu anhalten, es auf einen – an sich vermeidbaren – Rechtsstreit ankommen zu lassen. Es reicht vielmehr aus, wenn der Steuerpflichtige sich dem Ansinnen des Arbeitgebers an einer Einmalzahlung nicht mehr widersetzt und sich dem Zufluss der Abfindung deshalb nicht entziehen kann.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 29.2.2012 – IX R 28/11

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