Leitsatz

1. Überlässt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer mehr als ein Kfz auch zur privaten Nutzung, so ist der in der Überlassung des Fahrzeugs zur privaten Nutzung liegende geldwerte Vorteil für jedes Fahrzeug nach der 1 %-Regelung zu berechnen.

2. Die Inhaftungnahme des Arbeitgebers nach § 42d Abs. 3 Satz 2 EStG ist regelmäßig ermessensfehlerhaft, wenn der Arbeitgeber entsprechend einer Billigkeitsregelung der Finanzbehörden Lohnsteuer materiell unzutreffend einbehält.

 

Normenkette

§ 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 8 Abs. 2 Satz 2 EStG i.V.m.§ 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2, § 42d Abs. 3 Satz 2

 

Sachverhalt

Die K-GmbH, deren Gesellschafter-Geschäftsführer Eheleute A und B waren, hatte nach den Feststellungen der LSt-Außenprüfung zwei Kfz A zur uneingeschränkten Nutzung überlassen, nämlich eine BMW-Limousine und eine BMW-Geländelimousine (X5). Für den X5 setzte das FA darauf, wie schon für die Limousine, einen Sachbezug an (1 %-Regelung: 8.484 EUR/Jahr) und erließ einen Haftungsbescheid über LSt (§ 42d EStG). Die Klage dagegen vor dem FG (FG des Saarlandes, Urteil vom 19.10.2011, 2 K 1123/09, Haufe-Index 3218111, EFG 2012, 2104) blieb erfolglos.

 

Entscheidung

Aus den unter den Praxis-Hinweisen erläuterten Gründen waren weitere Feststellungen zum Sachverhalt erforderlich. Der BFH hob daher die Vorinstanz auf und verwies die Sache dorthin zurück.

 

Hinweis

1. Der einkommensteuerrechtlich erhebliche, vom Arbeitgeber zugewandte Nutzungsvorteil besteht in der Überlassung eines Dienstwagens unabhängig von der tatsächlichen Nutzung durch den Arbeitnehmer. Das hatte der Lohnsteuersenat gerade erst neu entschieden (BFH, Urteil vom 21.3.2013, VI R 31/10, BFH/NV 2013, 1298, BFH/PR 2013, 342) und darauf sei hier verwiesen. Auf Grundlage der dort entwickelten Rechtsgrundsätze – Vorteil durch das Zurverfügungstellen des Fahrzeugs selbst sowie durch die Übernahme sämtlicher damit verbundener nutzungsabhängiger und nutzungsunabhängiger Kosten – gelangte der Lohnsteuersenat deshalb zu dem Ergebnis, dass für jedes überlassene Fahrzeug der Vorteil mit der 1 %-Regelung anzusetzen ist, soweit dafür kein Fahrtenbuch geführt wird. Der Vorteil verdoppelt sich gleichsam; denn der Arbeitnehmer kann auf beide Fahrzeuge zugreifen, sie u.U. sogar Dritten überlassen. Der Vorteil besteht darin, dass ansonsten allein schon für die Nutzungsmöglichkeit vergleichbarer Vorteile entsprechende Aufwendungen entstünden.

Beachten Sie: Durch ein Fahrtenbuch wäre der Vorteil mit dem tatsächlich zutreffenden Betrag anzusetzen. Der Arbeitnehmer könnte auch entsprechende arbeitsvertragliche Vereinbarungen treffen oder sie modifizieren, um der doppelten Anwendung der 1 %-Regelung zu entgehen.

2. Im Streitfall konnte der Haftungsbescheid, der die doppelte Anwendung der 1 %-Regelung zur Grundlage hatte, aus zwei Gründen dennoch nicht bestätigt werden: Zum einen fehlten Feststellungen dazu, auf welcher Rechtsgrundlage das zweite Fahrzeug überlassen worden war (dazu BFH-PR 2013, 342). Gab es dazu arbeitsvertragliche Vereinbarungen? Gab es überhaupt Vereinbarungen? Nur wenn die Fahrzeugüberlassung auf arbeitsvertraglicher Grundlage beruhte, hätte Arbeitslohn angenommen werden können. Dies stand hier indes nicht fest. Ohne eine solche Grundlage kommt möglicherweise eine vGA in Betracht (dazu: BFH, Urteil vom 23.4.2009, VI R 81/06, BFH/NV 2009, 1311, BFH/PR 2009, 325). Diese rechtfertigte aber keine LSt-Haftung und dann wäre der Lohnsteuerhaftungsbescheid aufzuheben.

Zum anderen könnte die Haftungsinanspruchnahme des Arbeitgebers ermessensfehlerhaft sein. Die Inanspruchnahme des Arbeitgebers ist kein Automatismus. Dies gilt insbesondere dann, wenn zu dem entsprechenden Tatbestand – so wie hier – das BMF Regelungen trifft (BMF, Schreiben vom 28.5.1996, BStBl I 1996, 654), die noch immer aktuell sind (H 8.1. [9-10] "Überlassung mehrerer Kraftfahrzeuge"LStH 2013). Gerade diese hatte das FG nicht geprüft. Lägen die Voraussetzungen der Tz. 2 vor (= nur einmalige Anwendung der 1 %-Regelung, wenn die Nutzung der Fahrzeuge durch andere zur Privatsphäre des Arbeitnehmers gehörende Personen zu gut wie ausgeschlossen ist), wäre die LSt korrekt abgeführt und die Haftungsinanspruchnahme ermessensfehlerhaft. Denn auch Billigkeitsvorschriften sind beim Erlass eines Haftungsbescheids zu beachten.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 13.6.2013 – VI R 17/12

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