Entscheidungsstichwort (Thema)

Außerbetriebliches Berufsfortbildungswerk als (weitere) regelmäßige Ausbildungsstätte eines in Berufsausbildung befindlichen Kindes

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Ein außerbetriebliches Berufsfortbildungswerk, das das Kind im Rahmen seiner Berufsausbildung nach den Regelungen des Ausbildungsvertrags regelmäßig an insgesamt rund der Hälfte der planmäßigen Arbeitstage im Rahmen jeweils mehrwöchiger Ausbildungsabschnitte aufzusuchen hat, stellt – neben dem Ausbildungsbetrieb – eine weitere regelmäßige Ausbildungsstätte dar.

2. Fahrtkosten zu dieser weiteren regelmäßigen Ausbildungsstätte sind im Rahmen der Prüfung, ob der Jahresgrenzbetrag des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG überschritten ist, wie Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte als Werbungskosten zu berücksichtigen.

 

Normenkette

EStG § 32 Abs. 4 S. 2, § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 18.09.2012; Aktenzeichen VI R 65/11)

BFH (Urteil vom 18.09.2012; Aktenzeichen VI R 65/11)

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob die Einkünfte und Bezüge des Kindes der Klägerin im Streitjahr über dem Grenzbetrag nach § 32 Abs. 4 Satz des Einkommensteuergesetzes (EStG) in Höhe von 7.680 EUR bis 2009 lagen.

Der am 7. April 1987 geborene Sohn der Klägerin (kurz: C) schloss am 27. April 2007 einen Berufsausbildungsvertrag (Blatt 22 der Gerichtsakte) mit dem S-Werk (kurz: Ausbilder). Die Ausbildung sollte 42 Monate vom 1. September 2007 bis 28. Februar 2011 dauern. Buchstabe C des Formblattvertrages, der den Ort der Ausbildung umschreiben sollte, war nicht ausgefüllt. Nach Buchstabe D des Vertrages sollten Ausbildungsmaßnahmen außerhalb der Ausbildungsstätte im Berufsfortbildungswerk (bfw) GmbH Saalfeld stattfinden. Unter Buchstabe E war die Ausbildungsvergütung für die vier Ausbildungsjahre geregelt. Wegen der Einzelheiten wird auf den Ausbildungsvertrag Bezug genommen. Die Klägerin hat eine vom Ausbildungsbetrieb bestätigte, farblich gekennzeichnete chronologische Auflistung der Verteilung der Einsatzzeiten auf die einzelnen Ausbildungsstätten und -einrichtungen (Blatt 56 und 57 der Gerichtsakte) vorgelegt, die von der Beklagten nicht mehr bestritten wird. Danach ergibt sich folgende zeitliche Verteilung der tatsächlich aufgesuchten Ausbildungsorte:

Kalenderjahr

Ausbildungsbetrieb

Berufsfortbildungswerkstatt

Berufsschule

IHK

2007

2

51

19

0

2008

9

137

77

0

2009

42

120

60

1

2010

99

81

57

1

2011

0

41

0

0

Für den streitigen Zeitraum Januar bis Dezember 2009 hat C nach übereinstimmender Auffassung aller Beteiligter aus diesem Ausbildungsverhältnis ein Bruttoeinkommen in Höhe von 11.456,12 abzüglich der gesetzlichen Sozialabgaben in Höhe von 2.392,26 EUR, also Einnahmen in Höhe von 9.063,86 EUR erzielt. Im Rahmen der Überprüfung seiner Einkünfte durch die Beklagte machte die Klägerin folgende Werbungskosten des C geltend:

– Gewerkschaftsbeiträge

76,08 EUR

– Arbeitskleidung und deren Reinigung (geschätzt)

100,00 EUR

– Kontoführungsgebühren (Pauschale)

16,00 EUR

– Schulbedarf (geschätzt)

50,00 EUR

– Fahrtkosten für Fahrten zur überbetrieblichen Berufsschule (einfache Entfernung 7 km, aufgesucht an 65 Tagen, 14 km × 65 × 0,30 EUR/km)

273,00 EUR

– Fahrtkosten für Fahrten zum überbetrieblichen Berufsfortbildungswerk (einfache Entfernung 14 km, aufgesucht an 160 Tagen, 28 km × 160 × 0,30 EUR/km)

1.344,00 EUR

– Fahrtkosten für Fahrt zur Zwischenprüfung (einfache Entfernung 57,5 km, aufgesucht an einem Tag, 115 km × 0,30 EUR/km)

34,50 EUR

1.893,58 EUR

Mit Bescheid vom 04.06.2010 wurde die Kindergeldfestsetzung für C für den Zeitraum Januar bis Dezember 2009 aufgehoben und das für diese Monate gezahlte Kindergeld in Höhe von 2.068 EUR zurückgefordert, weil die Einkünfte und Bezüge des C den Grenzbetrag nach § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG überstiegen hätten. Dabei setzte die Beklagte folgende Werbungskosten in Höhe von 1.171,58 EUR mindernd an:

– Gewerkschaftsbeiträge

0,00 EUR

– Arbeitskleidung und deren Reinigung (geschätzt)

100,00 EUR

– Kontoführungsgebühren (Pauschale)

16,00 EUR

– Schulbedarf (geschätzt)

50,00 EUR

– Fahrtkosten für Fahrten zur überbetrieblichen Berufsschule (einfache Entfernung 7 km, aufgesucht an 65 Tagen, 14 km × 65 × 0,30 EUR/km)

273,00 EUR

– Fahrtkosten für Fahrten zum überbetrieblichen Berufsfortbildungswerk (einf. Entfernung 14 km, aufgesucht an 160 Tagen, 14 km × 160 × 0,30 EUR/km)

672,00 EUR

– Fahrtkosten für Fahrt zur Zwischenprüfung (einfache Entfernung 57,5 km, aufgesucht an einem Tag, 115 km × 0,30 EUR/km)

34,50 EUR

1.171.58 EUR

Der Einspruch dagegen wurde mit Einspruchsentscheidung vom 28.08.2010 als unbegründet zurückgewiesen. Voraussetzung der Kindergeldfestsetzung sei gemäß § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG, dass die Einkünfte des Kindes und seine Bezüge, die zur Bestreitung des Unterhalts oder der Berufsausbildung bestimmt oder geeignet seien, den gesetzlich festgelegten Grenzbetrag von 7.680 EUR für das jeweilige K...

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