Entscheidungsstichwort (Thema)

Unrichtige Rechtsbehelfsbelehrung bei fehlendem Hinweis auf elektronische Einspruchseinreichung - einjährige Einspruchsfrist

 

Leitsatz (amtlich)

Weist die Rechtsbehelfsbelehrung entgegen dem Wortlaut des § 357 Abs. 1 Satz 1 AO nicht auf die Möglichkeit der elektronischen Einreichung des Einspruchs hin, ist die Rechtsbehelfsbelehrung unrichtig im Sinne des § 356 Abs. 2 FGO. Die Einspruchsfrist beträgt sodann ein Jahr.

 

Normenkette

EStG § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2a; AO § 355 Abs. 1, § 356 Abs. 1-2, § 357 Abs. 1

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist der Bescheid vom 8. Juli 2015 streitig, mit welchem die Beklagte die Kindergeldfestsetzung für die Tochter der Klägerin, A, ab März 2012 aufgehoben und das Kindergeld in Höhe von insgesamt 7.790,00 € zurückgefordert hat.

A schloss im Januar 2011 mit der C GmbH einen Berufsausbildungsvertrag als Kraftfahrzeugmechatronikerin mit einer Ausbildungsdauer vom 8. August 2011 bis 7. Februar 2015 und bekam am 24. Februar 2015 das Abschlusszeugnis der Berufsschule und am 30. Januar 2015 das Prüfungszeugnis der Handwerkskammer erteilt.

Die Beklagte setzte mit Bescheid vom 16. April 2012 für A ab März 2012 Kindergeld fest. Vor Ausbildungsende bat die Beklagte um Übersendung von Nachweisen hinsichtlich des Vorliegens der anspruchsbegründenden Voraussetzungen. Die Klägerin wurde mit Schreiben vom 13. April 2015 nochmals erinnert. Sodann wurde die Klägerin mit Schreiben vom 11. Juni 2015 nach § 91 AO angehört und erneut aufgefordert, anspruchsbegründende Unterlagen vorzulegen. Die beabsichtigte Aufhebung der Kindergeldfestsetzung für A ab März 2012 wurde mitgeteilt.

Mit Bescheid vom 8. Juli 2015 hob die Beklagte die Kindergeldfestsetzung für A ab März 2012 auf und forderte Kindergeld in Höhe von insgesamt 7.790 € zurück. Die Beklagte gab in dem von ihr verwendeten Kopfbogen eine E-Mail-Adresse an.

Die dem Bescheid beigefügte Rechtsmittelbelehrung lautet:

Dieser Bescheid kann mit dem Einspruch angefochten werden. Der Einspruch ist bei der vorbezeichneten Familienkasse schriftlich einzureichen oder zur Niederschrift zu erklären. (...)

Die Aktenausfertigung des Bescheides trägt den Postaufgabevermerk 14. Juli 2015.

Mit Schreiben vom 26. August 2015 wandte sich die Behörde für Schule und Berufsbildung der Stadt E an die Klägerin und wies darauf hin, dass die Familienkasse festgestellt habe, dass der Klägerin das Kindergeld sowie die kinderbezogenen Bezügebestandteile für A ab März 2012 nicht mehr zustünden. Am 26. August 2015 wandte sich die Klägerin an die Behörde für Schule und Berufsbildung der Stadt E und fügte als Nachweise das Abschlusszeugnis der Berufsschule und das Prüfungszeugnis der Handwerkskammer bei. In dem Schreiben führte die Klägerin u.a. aus, dass sie dienstlich seit geraumer Zeit derart eingespannt sei, dass sie sich einfach nicht die Zeit genommen habe, sich um das Kindergeld zu kümmern.

Mit Schreiben vom 28. August 2015 übersandte die Behörde für Schule und Berufsbildung der Stadt E der Beklagten das Schreiben der Klägerin vom 26. August 2015 nebst entsprechenden Anlagen.

Die Beklagte legte das Schreiben der Klägerin vom 28. August 2015 als Einspruch gegen den Bescheid vom 8. Juli 2015 aus und teilte der Klägerin mit Schreiben vom 15. September 2015 außerdem mit, dass der Einspruch nicht innerhalb der Einspruchsfrist eingegangen sei, weil der Bescheid vom 8. Juli 2015 am 14. Juli 2015 versandt worden sei, am 17. Juli 2015 als bekanntgegeben gelte und die Einspruchsfrist demzufolge am 17. August 2015 ende.

Nach weiterem Schriftverkehr lehnte die Beklagte den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 11. Dezember 2015 als unzulässig und den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand als unbegründet ab.

Die Klägerin legte eine Bescheinigung der Stadt E Behörde für Schule und Berufsbildung zu ihrer unerwarteten außergewöhnlichen Belastungssituation bzgl. der Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand vom 6. April 2016 vor. Danach wird u. a. darauf hingewiesen, dass die Anträge auf Jahrgangswiederholung und Schulwechsel im Vergleich zum Vorjahr in dem von der Klägerin geleiteten Bereich von insgesamt 4.295 Anträgen auf 4.459 Anträge gestiegen seien. Dies sei vorher nicht absehbar gewesen und habe mit dem gleichen Personalstand wie im Vorjahr bearbeitet werden müssen. Die Klägerin habe als Leiterin dieses Arbeitsbereichs die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unterstützen müssen. Die Unterstützung beinhalte auch unvorhergesehene Beratungsgespräche bis in die Abendstunden, da die Sorgeberechtigten in dieser Zeit häufig unangemeldet in den Büros erschienen und eine Auskunft verlangten. Die Klägerin habe als Leitungskraft auch die Steuerung weiterer zeitlich unvorhergesehener Aufträge übernehmen müssen.

In ihrer Klage führt die Klägerin unter anderem aus, dass mit Schreiben vom 9. Oktober 2015 ausführlich die Gründe für die Fristversäumnis mitgeteilt worden seien. Der Zeitraum um den Zugang des streitgegenständlichen Bescheides sei derjenige mit der höchste...

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