vorläufig nicht rechtskräftig

Revision zugelassen durch das FG

Revision eingelegt (Aktenzeichen des BFH [VI R 28/16)]

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Kosten für den behindertengerechten Umbau eines Kleinbusses als außergewöhnliche Belastung

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Gehbehinderte Steuerpflichtige, die sich außerhalb des Hauses nur mithilfe eines Kraftfahrzeugs bewegen können neben dem Pauschbeträgen für Behinderte alle Kraftfahrzeugkosten als außergewöhnliche Belastungen geltend machen, sofern es sich nicht um Werbungskosten oder Betriebsausgaben handelt. Dabei sind die Aufwendungen für Fahrten nur bis zur Höhe einkommensteuerlichen Kilometer Pauschbeträgen für Werbungskosten und bis zu einem Umfang von 15.000 km im Jahr angemessen.
  2. Außergewöhnliche Umstände, die ausnahmsweise eine Überschreitung der Pauschsätze zulassen liegen vor, wenn ein an Multipler Sklerose erkrankter Steuerpflichtiger aufgrund seiner Behinderung nachweislich keinen normalen Pkw benutzen kann und selbst die Beförderung sitzend im Rollstuhl krankheitsbedingt nur in ausgesuchten Fahrzeugen möglich ist.
  3. Die entstandenen Kosten sind im Jahr der Verausgabung abzugsfähig; eine Verteilung auf mehrere Jahre scheidet aus.
  4. Eine entsprechende Anwendung der Rundverfügung der OFD Frankfurt vom 13.11.2008 Az. 11 2284 A-46-St 216 (ersetzt durch Verfügung vom 19.1.2011 S 2284 A-46-StT 221), die eine Verteilung der Kosten für den behindertengerechten Umbau eines Pkws auf die Restnutzungsdauer des Pkws neben den Fahrtkosten als außergewöhnliche Belastungen zulässt, ist nicht geboten.
 

Normenkette

EStG § 33 Abs. 1-2, § 11 Abs. 2 S. 1, § 7

 

Streitjahr(e)

2011

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 21.11.2018; Aktenzeichen VI R 28/16)

BFH (Urteil vom 21.11.2018; Aktenzeichen VI R 28/16)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darum, ob verschiedene Aufwendungen, welche durch eine schwere Erkrankung des Klägers veranlasst sind, als außergewöhnliche Belastungen steuerlich zu berücksichtigen sind.

Die Kläger sind Eheleute und wurden im Streitjahr gemeinsam zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger erkrankte im Jahr 1983 an Multipler Sklerose. Nachdem er bereits viele Jahre auf die Benutzung eines Rollstuhls angewiesen war, wurde im Jahr 2005 eine hierdurch verursachte fortgeschrittene Osteoporose festgestellt. Für den Kläger war im Streitjahr ein Schwerbehindertenausweis mit den Merkzeichen G, aG, H und RF ausgestellt. Ferner war er der

Pflegestufe III im Sinne von § 15 Abs. 1 Nr. 3 Sozialgesetzbuch-Elftes Buch (SGB XI) zugeordnet.

Für Aufenthalte außerhalb seiner Wohnung über Nacht benötigt der Kläger im Kraftfahrzeug einen erheblichen Platzbedarf für verschiedenste Hilfsmittel sowie für einen mobilen Lifter zum Transfer ins Bett und einen Dusch-/Toilettenstuhl.

Im Jahr 2007 erwarb der Kläger für insgesamt XXXX € einen Kleinbus X. Auf den behindertengerechten Umbau entfielen davon XXXX €. Dieser Umbau ermöglichte es dem Kläger, in seinem Rollstuhl sitzend, der dabei zwischen Vorder- und Hinterachse befestigt ist, mitzufahren. Ergänzend wird auf Fotos von dem umgebauten Fahrzeug verwiesen, welche sich auf Bl. 114 bis 116 der Einkommensteuerakten befinden.

Eine derartige Beförderung war nach einem Attest von Herrn Dr. A aus B vom 18.04.2012 die einzig mögliche:

Für Herrn X. ist es aus medizinischer Sicht unumgänglich, ihn sitzend im Rollstuhl zu befördern. Herr X kann aufgrund seiner fortgeschrittenen MS keine öffentlichen Verkehrsmittel oder Taxen benützen. Beim Transport durch spezielle Behindertenfahrdienste oder das eigene KFZ müssen Erschütterungen, wie sie z.B. bei der Befestigung des Rollstuhls oberhalb der Hinterachse entstehen, vermieden werden. Daraus folgt: Herr X. muss wegen der notwendigen Fixierung des Oberkörpers im Rollstuhl sitzend in einem ausreichend großen Fahrzeug transportiert werden, welches einen von Erschütterungen gedämpften Platz bietet, wie z.B. zwischen den Fahrzeugachsen.

Wegen weiterer Einzelheiten zum Inhalt des ärztlichen Attests wird auf Bl. 30 der Verfahrensakten Bezug genommen.

Zu dem Typ des angeschafften Kraftfahrzeugs und den dadurch verursachten Aufwendungen führt die D, ein auf den behindertengerechten Umbau von Fahrzeugen spezialisiertes Unternehmen, in einem Schreiben vom 13.04.2012 aus:

Herr X muss auf Grund seiner bestehenden Erkrankung und Behinderung im Rollstuhl sitzend, zwischen Vorder- und Hinterachse transportiert werden. Durch den Transport im Rollstuhl muss das Fahrzeug über eine bestimmte Mindestinnenhöhe (Herr X misst sitzend im Rollstuhl 130 cm) und eine erforderliche Innenlänge zwischen beiden Achsen aufweisen. Beides ist im Kleinbus X gewährleistet, zumal dieser vom Hersteller über eine Zulassung für 8 mögliche Sitzplätze und 3 Sitzreihen verfügt.

(…)

Des Weiteren ist das Angebot von Fahrzeugen, die diese Notwendigkeit erfüllen sehr begrenzt. Vans werden meist mit 5-7 und nur in selteneren Fällen mit bis zu 9 Sitzen angeboten. Als alternatives, für den Umbau geeignetes Fahrzeug, ist uns nur der von den Kosten her vergleichbare XX...

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