I. Kinder

 

Rz. 10

Stand: EL 119 – ET: 10/2019

Ein minderjähriges Kind kann ebenfalls grundsätzlich unabhängig vom Willen seines gesetzlichen Vertreters außerhalb der Wohnung der Eltern einen eigenen Wohnsitz haben (BFH 174, 523; 525 = BStBl 1994 II, 887; 889). Es teilt also nicht zwingend jeden Wohnsitz seiner Eltern (BFH/NV 2012, 1477). IdR aber teilt ein Kind den Wohnsitz der Eltern bzw des zur Personensorge berechtigten Elternteils (EFG 1999, 179), weil es über die Haushaltszugehörigkeit eine abgeleitete Nutzungsmöglichkeit besitzt und damit regelmäßig zugleich die elterliche Wohnung iSv § 8 AO innehat (vgl AEAO zu § 8 Nr 5.4). Bei grenzüberschreitender > Doppelte Haushaltsführung ist aber die Wohnung des ArbN am Beschäftigungsort im Inland nicht auch Wohnsitz des Kindes (BFH/NV 2009, 1630; 2010, 2272). Ein Kind begründet einen Wohnsitz ebenfalls erst dann, wenn es eine Wohnung unter Umständen innehat, die auf das Beibehalten und Nutzen schließen lassen (BFH/NV 2011, 1351). Wird ein Kind im > Ausland Rz 1 geboren, begründet es ausnahmsweise einen Wohnsitz im > Inland bzw teilt den inländischen (Familien-)Wohnsitz bereits ab seiner Geburt, sofern sich die Mutter nur kurzfristig, lediglich vorübergehend zum Zeitpunkt der Geburt bzw zur Entbindung im Ausland aufgehalten hat und das Kind alsbald bzw innerhalb einer angemessenen Zeit nach Deutschland gebracht wird. Kann das Kind den Wohnsitz der Eltern im Inland indes aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht nur kurzfristig nicht aufsuchen, kann es dort (zunächst) auch keinen eigenen Wohnsitz begründen (vgl AEAO zu § 8 Nr 6.2.1). Ein Kind, das während eines längerfristigen Auslandsaufenthalts der Eltern geboren wird und sich zunächst längere Zeit in der elterlichen Wohnung im Ausland aufhält, begründet seinen Wohnsitz im Inland erst mit dem erstmaligen Zuzug in die inländische Wohnung (FG Nürnberg vom 28.09.2005, BeckRS 2005, 26 018 814). Ein im Ausland lebender Angehöriger kann im Inland grundsätzlich keinen Wohnsitz begründen, ohne sich hier aufgehalten zu haben. Das "Beibehalten" eines bereits vorhandenen (Familien-)Wohnsitzes kann hingegen durch einen Familienangehörigen vermittelt werden (BFH/NV 2011, 1351; > Rz 11).

 

Rz. 11

Stand: EL 119 – ET: 10/2019

Bei einem Auslandsaufenthalt von minderjährigen Kindern – hier geht es meist um die Fortzahlung von > Kindergeld – wird der Inlandswohnsitz nur dann beibehalten, wenn das Kind entweder seinen Lebensmittelpunkt weiterhin am bisherigen Wohnort hat (keine Wohnsitzbegründung im Ausland) oder es zwar keinen einheitlichen Lebensmittelpunkt mehr hat, es aber über zwei Schwerpunkte der Lebensverhältnisse (zwei Wohnsitze) verfügt, von denen einer am bisherigen Wohnort liegt (EFG 2004, 1228; BFH 193, 558 = BStBl 2001 II, 294; BFH/NV 2019, 104). Vom Beibehalten eines Schwerpunktes der Lebensverhältnisse im Inland wird umso eher ausgegangen werden können, je länger das Kind schon im Inland lebte und je stärker es am bisherigen Wohnsitz verwurzelt ist (vgl FG HE vom 30.08.2005, BeckRS 2005, 26 019 036). Kein ausschlaggebendes Kriterium ist regelmäßig die Herkunft der Eltern oder die des Kindes. Aus den familiären und kulturellen Umständen am Aufenthaltsort können sich jedoch Hinweise für das Entstehen neuer Beziehungen und die Lockerung der bisher bestehenden Bindungen ergeben (vgl AEAO zu § 8 Nr 6.2.4). Im Allgemeinen haben Kinder, die im Heimatland der Eltern bei Verwandten untergebracht sind und dort für mehrere Jahre die Schule besuchen, ihren Wohnsitz auch dann im Ausland, wenn sie die Schulferien bei den Eltern im Inland verbringen (BFH 193, 569 = BStBl 2001 II, 279 mwN; BFH/NV 2012, 555); erst recht, wenn nur der Vater im Inland verbleibt, um hier zu arbeiten (EFG 2012, 421). Davon ist bereits bei einem einjährigen Aufenthalt zum Schulbesuch im Ausland auszugehen (FG München vom 15.10.2003 – 9 K 4230/02, Haufe-Index 1 053 106; ähnlich EFG 2008, 309). Das FG München vom 16.10.2002 geht aber von der Beibehaltung des inländischen Wohnsitzes aus, wenn ein Kind während des mehrjährigen Schulaufenthalts im Ausland ausschließlich im Internat lebt, aber seine gesamten Schulferien von mehr als drei Monaten bei den Eltern im Inland verbringt (BeckRS 2002, 21 012 075; ergänzend > Rz 7).

 

Rz. 11/1

Stand: EL 119 – ET: 10/2019

Zieht ein Kind mit einem Elternteil ins Ausland, weil sich die Eltern getrennt haben, behält es seinen inländischen Wohnsitz auch dann nicht bei, wenn es sich mehrere Wochen im Jahr bei dem im Inland verbliebenen Elternteil zu Besuch aufhält (EFG 1999, 1189). Entführt ein Elternteil sein Kind in sein Heimatland oder hält er es dort gegen den Willen des sorgeberechtigten Elternteils fest, hat das Kind seinen bisherigen inländischen Wohnsitz im Inland nur dann aufgegeben, wenn die Umstände darauf schließen lassen, dass das Kind nicht zurückkehren wird (BFH/NV 2002, 1146; 2003, 464). Das gilt auch dann, wenn der sorgeberechtigte Elternteil die bisherige Familienwohnung gegen eine kleinere Wohnung eintauscht (BFH/NV ...

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