Zusammenfassung

 

Auf einen Blick:

Ein freiwilliges Trinkgeld ist steuerfrei. Aber was gehört alles zum Trinkgeld? Die Analyse der Praxisfälle zeigt die Grenzen zu besteuerbaren Einnahmen und Möglichkeiten für Gestaltungen.

A. Einführung

I. Überblick

 

Rz. 1

Stand: EL 111 – ET: 01/2017

Als "Trinkgeld" wird eine von einem Leistungsempfänger gezahlte Zusatzvergütung bezeichnet, die grundsätzlich zu den besteuerbaren Einnahmen gehört (> Rz 10). Es gibt sie nicht nur bei ArbN, sondern auch bei den Beziehern anderer Einkünfte.

 

Beispiel 1:

A ist selbständiger Taxiunternehmer. Er erhält von einem Fahrgast an Stelle der geforderten Taxigebühr von 14,20 EUR eine Vergütung von 15 EUR. Die Differenz von 0,80 EUR ist begrifflich Trinkgeld, gehört aber zu den Einnahmen aus Gewerbebetrieb.

 

Beispiel 2:

Die F hat sich als Friseurin selbständig gemacht, arbeitet aber ohne Mitarbeiter. Die zufriedene Kundin steckt ihr 1 EUR in die ‚Kaffeekasse’. Der ‚Tip’ gehört zu den Einnahmen aus Gewerbebetrieb, die Aufwendungen für den der Kundin angebotenen Kaffee gehören zu den BA.

 

Rz. 1/1

Stand: EL 111 – ET: 01/2017

Nur für ArbN stellt § 3 Nr 51 EStG seit 2002 bestimmte Trinkgelder steuerfrei. Die Steuerbefreiung betrifft nur Trinkgelder, die ein anderer als der ArbG (Dritter/Kunde/Gast) dem ArbN anlässlich einer Arbeitsleistung freiwillig zusätzlich zu dem ihm vom ArbG/Unternehmer für diese Arbeitsleistung in Rechnung gestellten Betrag gibt; zu Einzelheiten > Rz 13 ff.

 

Beispiel 3:

B ist als Kellner für einen Restaurationsbetrieb tätig. Von einem Gast erhält er statt der in Rechnung gestellten 23,20 EUR einen aufgerundeten Betrag von 25 EUR. Der Betrag von 1,80 EUR ist ein Trinkgeld, das unbesteuert bleibt.

 

Rz. 2

Stand: EL 111 – ET: 01/2017

Ein vom ArbG/Kunden vertraglich geschuldetes – unechtes – Trinkgeld (> Rz 12) gehört bei ArbN zum stpfl Arbeitslohn und unterliegt dem LSt-Abzug (§ 38 Abs 1 Satz 1 EStG). Einen Freibetrag gibt es nicht.

 

Beispiel 4:

B ist als Kellner für einen Restaurationsbetrieb tätig. Im Preisaushang/der Speise- und Getränkekarte wird ein Zuschlag von 15 % auf den Preis der Speisen und Getränke verlangt. Dem Gast G wird ein Verzehr in Höhe von 23,20 EUR zuzüglich 15 % (= 3,48 EUR), also insgesamt 26,68 EUR in Rechnung gestellt. G rundet seine Zahlung auf 27,00 EUR auf. Der Betrag von 3,48 EUR ist ein vertraglich geschuldetes Trinkgeld, das dem LSt-Abzug unterliegt; 0,32 EUR (= 27,00 EUR – 26,68 EUR) bleiben unbesteuert.

 

Rz. 3

Stand: EL 111 – ET: 01/2017

Trinkgelder werden mit regionalen Abweichungen mit unterschiedlichen Bezeichnungen gezahlt, zB das "Metergeld" im Speditionsgewerbe (vgl BFH 82, 497 = BStBl 1965 II, 426), die "Remunerationen" im > Bankgewerbe Rz 5, das "Neujährchen" bei der Müllabfuhr oder ein "Tip" in der Gastronomie. Wie die obigen Beispiele zeigen, handelt es sich häufig schlicht um einen Abrundungsbetrag. Dies und die Abgrenzung etwa zu > Schmiergelder sowie von einer mit einem Dritten vereinbarten zusätzlich erbrachten und entsprechend vergüteten Dienstleistung (> Rz 20) geben Veranlassung zu einer näheren Bestimmung des Begriffs "Trinkgeld" (> Rz 22 ff). Zu den Grenzen der Verpflichtung zum LSt-Abzug > Rz 27 ff.

 

Rz. 4

Stand: EL 111 – ET: 01/2017

Trinkgelder mögen gelegentlich unerheblich und für die steuerliche Leistungsfähigkeit des Stpfl nicht bestimmend sein, sodass der Besteuerungsaufwand in keinem angemessenen Verhältnis zum Steueraufkommen steht. In einer Reihe von Berufen, vor allem im Hotel- und Gaststättengewerbe, im Friseur- und Taxigewerbe hat das Trinkgeld aber eine nicht zu vernachlässigende Höhe und kann ggf arbeitsrechtlich als Vergütungsbestandteil behandelt werden (vgl § 107 Abs 3 GewO).

Dass ein Trinkgeld bei Behörden, Krankenhäusern oder dem TÜV pflichtwidrig ist, ändert nichts an der Steuerbefreiung. Zu weiteren Einzelheiten vgl Küttner/Griese/Seidel, Personalbuch 2016 Stichwort Trinkgeld Rz 1, 2.

II. Rechtsentwicklung – Verfassungsmäßigkeit

 

Rz. 5

Stand: EL 111 – ET: 01/2017

Die Besteuerung der freiwilligen Trinkgelder führt zu praktischen Schwierigkeiten bei der Erfassung der BMG. Angesichts einer verbreiteten Meinung, es handele sich dabei um ein "Geschenk" des Kunden – das sind sie allenfalls aus dessen Sicht –, ist die Verpflichtung, solche Einnahmen dem FA gegenüber zu erklären, den Betroffenen offenkundig nur schwer zu vermitteln. Einem Vollzugsdefizit konnte auch § 3 Nr 51 EStG aF nicht abhelfen, der einen Jahresfreibetrag von 2 400 DM (1991 bis 2001) enthielt und die "Trinkgeldberufe" in einer uE nicht nachvollziehbaren Erwägung mit den Empfängern von Belegschaftsrabatten (§ 8 Abs 3 EStG) gleichstellte (BT-Drs 11/2157 S 138). Ungeachtet fortbestehender Vollzugsdefizite war die Besteuerung verfassungsgemäß (BFH 188, 65 = BStBl 1999 II, 361).

 

Rz. 6

Stand: EL 111 – ET: 01/2017

§ 38 Abs 1 Satz 2 EStG idF ab 1975 sollte eine Regelungslücke schließen (vgl Einzelbegründung zum 3. StRefG, BR-Drs 700/73 S 303), indem er den ArbG zum LSt-Abzug für den von einem Dritten "üblicherweise" gezahlten Arbeitslohn verpflichtete. Das stieß auf Kritik, weil offen bleibe, auf welche Weise de...

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