Rz. 1

Stand: EL 120 – ET: 12/2019

In drei Entscheidungen vom 07.07.2010 hat das BVerfG folgende Grundsätze erarbeitet (vgl zB BVerfG 127, 1 = BGBl 2010 I, 1296 = BStBl 2011 II, 76):

Ein Gesetz darf nicht ohne weiteres im Nachhinein für den Einzelnen stärker belastende Rechtsfolgen vorschreiben, als sie zum Zeitpunkt seines rechtserheblichen Verhaltens galten. Eine solche den Bürger rückwirkend benachteiligende Änderung bedarf einer besonderen Rechtfertigung vor dem > Rechtsstaatsprinzip und den Grundrechten des GG. Eine Rechtsnorm mit echter Rückwirkung ist grundsätzlich verfassungsrechtlich unzulässig. Das ist sie, wenn ihre Rechtsfolge mit belastender Wirkung schon vor dem Zeitpunkt ihrer Verkündung für bereits abgeschlossene Tatbestände gelten soll. Nicht grundsätzlich unzulässig ist hingegen eine unechte Rückwirkung. Das gilt für eine Norm, deren belastende Rechtsfolgen erst nach ihrer Verkündung eintreten, tatbestandlich aber von einem bereits verwirklichten Sachverhalt ausgelöst werden. Soweit nicht besondere Momente der Schutzwürdigkeit hinzutreten, genießt die bloß allgemeine Erwartung, das geltende Recht werde zukünftig unverändert fortbestehen, keinen besonderen verfassungsrechtlichen Schutz. Eine unechte Rückwirkung ist deshalb dann verfassungsgemäß, wenn sie zur Förderung des Gesetzeszwecks erforderlich ist und wenn bei einer Gesamtabwägung zwischen dem Gewicht des enttäuschten Vertrauens und dem Gewicht und der Dringlichkeit der die Rechtsänderung rechtfertigenden Gründe die Grenze der Zumutbarkeit gewahrt bleibt. Im Steuerrecht ist eine echte Rückwirkung von Rechtsfolgen nur gegeben, wenn der Gesetzgeber eine bereits entstandene Steuerschuld nachträglich abändert. Das bedeutet, dass die Änderung von Normen mit Wirkung für den laufenden VZ zur unechten Rückwirkung gehört; denn die ESt entsteht erst mit dem Ablauf des VZ (vgl § 36 Abs 1 EStG, § 25 Abs 1 EStG iVm § 38 AO). Die vielfach geäußerte Kritik, dass eine Gesetzesänderung – zumal belastendes Eingriffsrecht – erst dann gelte, wenn sie im Gesetzblatt steht und nicht bereits vorher geltendes Recht verdrängen kann (vgl zB Offerhaus, DB 2012, Gastkommentar in Heft 22), hat das BVerfG nicht überzeugt.

 

Rz. 2

Stand: EL 120 – ET: 12/2019

Zum StEntlG 1999/2000/2002 vgl BVerfG 127, 61 = BStBl 2011 II, 86 sowie BVerfG 127, 31 = BGBl 2010 I, 1297 = BFH/NV 2010, 1968. Zur Verfassungsmäßigkeit der Neuregelung zur Besteuerung der > Alterseinkünfte durch das AltEinkG vgl zB > Renteneinkünfte Rz 4 und BFH/NV 2010, 1253 (VerfB nicht zur Entscheidung angenommen, vgl BVerfG-Beschluss vom 30.09.2015 – 2 BvR 1066/10). Dass § 9 Abs 6 EStG idF des BeitrRLUmsG bereits seit VZ 2004 (vgl hierzu BT-Drs 17/7524 S 20) ua Aufwendungen für ein Erststudium nach dem Abitur vom WK-Abzug ausschließt, ist nach EFG 2012, 612 verfassungsgemäß; dies wurde vom BFH jedoch dem BVerfG zur Entscheidung vorgelegt (BFH 247, 64 = BFH/NV 2014, 1970; Az beim BVerfG 2 BvL 24/14).

 

Rz. 3

Stand: EL 120 – ET: 12/2019

Schließt ein Stpfl einen Vertrag mit rückwirkender Kraft ab, so wird die Rückwirkung vom FA grundsätzlich nicht anerkannt (vgl Barandt, BB 1983, 1293). Das gilt besonders für Verträge zwischen Personen mit gleichlaufenden Interessen wie zB Angehörigen (> Arbeitnehmer Rz 80 ff) oder für einen > Gesellschafter-Geschäftsführer von Kapitalgesellschaften Rz 26, aber auch allgemein zB bei einer > Gehaltsumwandlung Rz 3. In bestimmten Fällen macht die FinVerw aber aus Gründen der > Billigkeit hiervon Ausnahmen; so zB für eine rückwirkende Gehaltsumwandlung für die > Betriebliche Altersversorgung.

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