I. Allgemeines zur Besteuerung nach der Steuerklasse IV mit Faktor

 

Rz. 110

Stand: EL 106 – ET: 06/2015

Ausgangslage: Unbeschränkt steuerpflichtige Eheleute, die nicht dauernd getrennt leben und beide Arbeitslohn beziehen, haben zunächst die Möglichkeit, zwischen den Steuerklassenkombinationen III/V und IV/IV zu wählen (> Steuerklassenwahl). Die Steuerklasse IV führt allerdings zu gleichen Steuerabzügen wie die für Ledige geltende Steuerklasse I. Mit den Steuerklassen IV/IV werden Eheleute deshalb wie zwei Ledige besteuert; das steuermindernde > Splitting wirkt sich beim LSt-Abzug nicht aus. Nachteilig ist dies besonders, wenn sie Arbeitslohn in unterschiedlicher Höhe beziehen. Die Steuerklassenkombination III/V hat dagegen den Nachteil, dass die ehebezogenen Entlastungen, besonders der doppelte Grundfreibetrag (> Existenzminimum), ausschließlich bei dem Ehegatten mit der Steuerklasse III berücksichtigt werden, so dass sich bei dem anderen Ehegatten mit der Steuerklasse V eine unverhältnismäßig hohe Lohnsteuer ergibt. Diese Nachteile bestehen allerdings nur während des laufenden Kalenderjahres; sie werden bei einer Zusammenveranlagung der Eheleute ausgeglichen. Entsprechendes gilt für > Lebenspartner.

 

Rz. 111

Stand: EL 106 – ET: 06/2015

Diese besonders bei geringem Arbeitslohn als unverhältnismäßig wahrgenommenen Steuerabzüge können ArbN von der Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen Tätigkeit abhalten. Deshalb wurde § 39f EStG eingeführt (> Rz 20). Das Faktorverfahren gibt unbeschränkt steuerpflichtigen Eheleuten (ebenso > Lebenspartner), die beide Arbeitslohn beziehen, ab 2010 zusätzlich die Möglichkeit, die Steuerklasse IV mit Faktor zu wählen. Damit wird nicht nur der eigene Grundfreibetrag ausgeschöpft, sondern auch die steuermindernde Wirkung des > Splitting bei beiden Ehegatten berücksichtigt. Die Summe der Steuerabzüge beider Ehegatten entspricht dann nahezu der bei der Veranlagung festzusetzenden ESt. Das gilt allerdings nur, soweit bei der Ermittlung des Faktors (> Rz 115) die Arbeitslöhne in zutreffender Höhe zu Grunde gelegt worden sind und die Ehegatten keine anderen Einkünfte beziehen. Außerdem erhöhen sich die Steuerabzüge des Höherverdienenden in gleichem Maße, wie der Geringerverdienende entlastet wird. Es bleibt abzuwarten, ob tatsächlich der politisch hochgehängte praktische Bedarf für eine weitere Sonderregelung besteht, die das Massenverfahren für ArbN weiter verkompliziert. Skeptisch Sell/Sommer, DStR 2008, 1953, und Beyer-Petz/Ende, DStR 2009, 2583.

II. Feststellung durch das Finanzamt

1. Verfahrensgrundlagen

 

Rz. 112

Stand: EL 106 – ET: 06/2015

Der Faktor in Verbindung mit der Steuerklasse IV gehört zu den persönlichen > Lohnsteuerabzugsmerkmale des ArbN (ELStAM), für die keine Bindung an eine Antragsgrenze besteht (> Rz 60 ff). Für seine gesonderte Feststellung gilt kein besonderes Verfahren; die Einfügung als letzten der §§ 39ff kennzeichnet § 39f EStG als integralen Bestandteil des LSt-Ermäßigungsverfahrens. § 39f EStG erweitert die Fälle des > Steuerklassenwechsel (§ 39f Abs 3 Satz 1 iVm § 39 Abs 6 Satz 3 und 5 EStG; > Rz 82) um das der sachlichen Zuständigkeit des FA vorbehaltene Faktorverfahren. Wie für andere LSt-Abzugsmerkmale gilt auch hierfür, dass es sich um die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen iSv § 179 Abs 1 AO handelt, die unter dem Vorbehalt der Nachprüfung steht, für die auch § 39 Abs 1 Satz 4 EStG anwendbar ist (> Rz 25). Auch andere Einzelheiten des Verfahrens wie örtliche Zuständigkeit (> Rz 85), die Art und Weise der Bekanntgabe der Feststellung des FA (> Rz 26 ff) an den ArbN und die Bereitstellung des Faktors durch das BZSt für Zwecke des LSt-Abzugs durch den ArbG (> Rz 1) sind anwendbar. Einige Besonderheiten sind hervorzuheben:

2. Gemeinsamer Antrag beider Ehegatten

 

Rz. 113

Stand: EL 106 – ET: 06/2015

Vom Faktorverfahren ist der LSt-Abzug bei beiden ArbN-Ehegatten betroffen. Deshalb setzt die Einreihung in die Steuerklasse IV mit Faktor einen gemeinsamen Antrag beider Ehegatten beim FA voraus. Der Antrag muss bis zum 30.11. des Kalenderjahres beim FA eingegangen sein, für das die Steuerklasse angewandt werden soll.

Unmaßgeblich ist, ob die Ehegatten bisher bereits die Steuerklassenkombination IV/IV oder III/V hatten. Wird lediglich die Feststellung eines Faktors gewünscht, kann der Antrag formlos gestellt werden. Sollen zugleich Freibeträge (§ 39a Abs 1 Satz 1 Nr 1 – 6 EStG; > Rz 35 ff) vom FA festgestellt werden, ist auch für den Antrag auf Steuerklasse IV mit Faktor der amtlich vorgeschriebene Vordruck für das Ermäßigungsverfahren (vgl § 51 Abs 4 Nr 1 Buchst c EStG) zu verwenden (§ 39f Abs 3 Satz 2 iVm § 39a Abs 2 EStG). Im Antrag ist die Höhe des voraussichtlichen Arbeitslohns aus dem ersten Dienstverhältnis für jeden Ehegatten anzugeben. Zusätzlich benötigt das FA folgende Angaben: Weil das FA zur Ermittlung des Faktors die für den LSt-Abzug maßgebliche >  Vorsorgepauschale berücksichtigen muss, ist außerdem für jeden Ehegatten anzugeben, ob eine Pflichtversicherung in der GRV oder eine solche bei > Berufsständische Versorgungseinrichtungen und eine Mitgliedschaft in der GKV/GPflV besteht. Privat Krankenvers...

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