a) Territorialitätsprinzip mit Ausnahmen
Rz. 12
Stand: EL 108 – ET: 01/2016
Das Territorialitätsprinzip verweist nicht unbeschränkt steuerpflichtige Ausländer auf das KiG oder eine vergleichbare Leistung in ihrem Wohnsitzland. Deshalb hat ein Ausländer, der sich lediglich im Rahmen einer ausländerrechtlichen Duldung im Inland aufhält, keinen Anspruch auf KiG (BFH 217, 443 = BStBl 2009 II, 905; BFH 220, 45 = BStBl 2009 II, 913).
Ausländer ist eine natürliche Person ohne deutsche Staatsangehörigkeit iSd Art 116 Abs 1 GG (vgl Hildesheim, DStZ 2000, 25). Ein Statusdeutscher iSd BVFG ist aber kein Ausländer (vgl EFG 2000, 573).
Diese grundsätzliche Beschränkung des KiG-Anspruchs auf im Inland auf Dauer bleibeberechtigte Ausländer und damit an ihre Integration in § 62 Abs 2 Satz 1 EStG ist verfassungsgemäß (vgl BFH 220, 45 = BStBl 2009 II, 913; BFH 229, 262 = BStBl 2010 II, 980; BFH/NV 2011, 248; 2013, 1417; 2014, 517; aA FG NI, das in diversen Beschlüssen diese Frage dem BVerfG – 2 BvL 9 bis 14/14 – vorgelegt hat). Zum Territorialitätsprinzip in Bezug auf das Kind > Rz 16 ff.
Rz. 12/1
Stand: EL 108 – ET: 01/2016
Zu den vielfältigen Ausnahmen vom Territorialitätsprinzip im Einzelnen > Rz 12/2 – 14ff. Zu weiteren KiG-Berechtigten nach dem BKGG > Rz 95 ff [97]. Für eine > Juristische Person, die den Unterhalt des Kindes trägt, kommt eine Abzweigung oder Erstattung iSv § 74 EStG in Betracht (> Rz 80 ff).
b) Freizügigkeitsberechtigte
Rz. 12/2
Stand: EL 108 – ET: 01/2016
Anspruch auf KiG haben in Deutschland lebende freizügigkeitsberechtigte Staatsangehörige eines anderen EU- oder EWR-Mitgliedstaats (zu den EU/EWR-Staaten > Europäische Union) sowie der Schweiz (vgl § 62 Abs 2 iVm Abs 1 EStG). Weitere Hinweise zur Schweiz > Rz 33. Sie benötigen keine Aufenthalts- oder Niederlassungserlaubnis (> Rz 13), sondern haben, wenn sie im Inland wohnen, grundsätzlich unter denselben Voraussetzungen Anspruch auf KiG wie Deutsche (> Europäische Union Rz 5 ff). Einzelheiten ergeben sich aus den Verordnungen (EG) Nr 883/2004 und 987/2009 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit. Darüber hinaus gilt das Gleichbehandlungsgebot gemäß den Verträgen über die EU (> Rz 8). Das gilt auch, wenn das Kind nicht in Deutschland lebt (> Rz 23). Zur Identifizierung des Kindes > Rz 19.
Rz. 12/3
Stand: EL 108 – ET: 01/2016
Die Freizügigkeitsberechtigung gilt grundsätzlich für alle, die einer Beschäftigung nachgehen sowie für Personen, die in der Lage sind, sich selbst zu unterhalten. Sie beruht in Deutschland auf dem FreizügG/EU vom 30.07.2004 (BGBl 2004 I, 1950 [1986]). Zur Berechtigung von Unionsbürgern während der Geltung von Übergangsbestimmungen, die die Aufnahme einer Beschäftigung einschränken, vgl BFH 248, 519 = BFH/NV 2015, 1303. Die Freizügigkeitsberechtigung muss mit einer Bescheinigung des ausländischen Versicherungsträgers darüber nachgewiesen werden, dass der Betroffene in irgendeinem Zweig der sozialen Sicherheit in einem EU-Mitgliedstaat versichert ist (vgl BFH/NV 2012, 85; andernfalls kein Anspruch – BFH/NV 2015, 405). Die Zuständigkeit nur eines Mitgliedstaates soll einheitlich für alle Systeme der sozialen Sicherheit getroffen werden und gilt deshalb auch hinsichtlich des KiG (BFH 200, 205 und 211 = BStBl 2002 II, 869; BFH/NV 2002, 1584; 2003, 29). Derartige Bescheinigungen aus einem anderen Staat sind für die Familienkassen bindend (BFH 234, 316 = BStBl 2013 II, 619; BFH 237, 412 = BStBl 2013 II, 623; BFH/NV 2012, 1765); auch wenn sie in ausländischer Sprache vorgelegt werden (BFH/NV 2014, 681). Zur Prüfungskompetenz des FG für die Freizügigkeitsberechtigung vgl EFG 2015, 1457 – Rev, BFH VI R 35/15.
Rz. 12/4
Stand: EL 108 – ET: 01/2016
Das schließt aber eine Doppelberechtigung nicht aus. Denn für einen in Deutschland tätigen ArbN aus dem EU-Ausland gelten inländische Vorschriften wie §§ 62ff EStG; die Kollisionsregeln der EU – wie zB die Zuständigkeitsregelungen der VO (EG) Nr 883/2004 (> Rz 8) – haben keine Sperrwirkung gegenüber dem nationalen Recht (BFH/NV 2015, 1083 mwN). Erhält ein ArbN nicht nur in dem nach EU-Recht eigentlich zuständigen Mitgliedstaat der EU, sondern auch in Deutschland KiG, darf das KiG in Deutschland um den Betrag gekürzt werden, der dem ArbN in dem anderen Staat zusteht (Differenz-KiG; ergänzend > Rz 33/2).
Beispiel:
Der polnische ArbN ist mit Familie in Polen ansässig. Sein polnischer ArbG entsandte ihn wiederholt mehrere Monate lang zur Ausführung von Handwerkerarbeiten ins Inland. Während dieser Zeit war er ausschließlich in Polen sozialversichert und hatte dort Anspruch auf Leistungen für seine Kinder. Die ausschließliche Rechtszuständigkeit Polens nach EU-Recht schließt aber nicht aus, dass in Deutschland nach innerstaatlichem Recht ein Anspruch auf KiG besteht. Dann kann aber die in Polen gewährte Familienleistung auf das KiG anzurechnen sein. Vgl ergänzend BFH/NV 2015, 331.
Zum polnischen Saisonarbeiter: BFH 241, 511 = BStBl 2013 II, 1040; BFH/NV 2014, 306; 506; 1205; in Deutschland wohnender, in Polen beschäftigter ArbN: BFH/NV 2014, 683; polnischer Selbständiger:...
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