Rz. 37

Stand: EL 126 – ET: 04/2021

Hat der ArbG die LSt zwar zutreffend einbehalten, aber vorschriftswidrig nicht abgeführt, ist der Haftungstatbestand nach allgemeiner Meinung stets gegeben (vgl Schmidt/Krüger zu § 42d EStG Rz 3 aE; L/B/P/Nacke zu § 42d EStG Rz 8; Blümich/Wagner zu § 42d EStG Rz 52; Kirchhof/Eisgruber zu § 42d EStG Rz 14; das geht offenbar zurück auf BFH 78, 268 = BStBl 1964 III, 106). Damit wird § 42d Abs 1 Nr 1 EStG aber abweichend von seinem Wortlaut interpretiert: Das "und" wird als "oder" gelesen und die Nichtabführung der einbehaltenen LSt als Alternative zur Nichteinbehaltung. UE ist diese erweiternde Auslegung aber alles andere als selbstverständlich. Vielmehr gebietet die Rechtsentwicklung seit 1964 eine differenzierte Betrachtung wie folgt:

  • Solange die einbehaltenen Steuerabzüge noch nicht beim FA angemeldet worden sind, ist § 42d Abs 1 Nr 1 EStG uE nicht – zumindest nach dem Wortlaut des Gesetzes "und" – tatbestandsmäßig, weil zu dem ‚Nichtabführen’ das ‚Nichteinbehalten’ hinzukommen muss. Hat der ArbG nämlich die Steuer einbehalten, ist die LSt-Schuld des ArbN erloschen (> Abführung der Lohnsteuer Rz 5). Insoweit fehlt es an einer für die Haftungsschuld akzessorischen Steuerschuld (> Rz 16–16/1). Das führt allerdings nicht zu einer ‚Lücke im Gesetz’. Das Risiko für die Abführung der einbehaltenen Steuerabzüge bleibt weiterhin beim ArbG. Wenn eine Haftung in diesen Fällen nicht tatbestandsmäßig ist, kann das FA die später aufgedeckten nicht angemeldeten Steuerabzüge von Amts wegen im Verfahren der LSt-Anmeldung festsetzen oder eine bestehende Festsetzung ändern. Eine zeitliche Begrenzung setzen die Änderungssperre nach LStAp (> Außenprüfung Rz 82 ff) sowie die Festsetzungsfrist (> Verjährung). Zu Einzelheiten > Lohnsteuer-Anmeldung Rz 20 ff.
  • Sind die einbehaltenen Steuerabzüge hingegen bereits beim FA angemeldet worden (vgl § 41a EStG), werden sie idR kraft Gesetzes (vgl § 168 AO) festgesetzt und vom FA zum Soll gestellt. Nur auf dieser Steuerfestsetzung beruht die Forderung des FA gegen den ArbG; sie ist Grundlage für die Erhebung der LSt gegenüber dem ArbG. Einer Haftung bedarf es nicht; sie wird durch die vorgehende Steuerfestsetzung obsolet. Übrigens kann erst auf diese durch Festsetzung iSv § 168 AO begründete Steuerschuld der § 224 AO entnommene Grundsatz angewendet werden, dass Steuerschulden Bringschulden sind, für die der ArbG das Verlustrisiko trägt.

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