Rz. 179

Stand: EL 126 – ET: 04/2021

Übereignet der ArbG sein Unternehmen oder einen in der Gliederung gesondert geführten Betrieb im Ganzen, so haftet der Erwerber für LSt, die seit Beginn des letzten, vor der Übereignung liegenden Kalenderjahres entstanden ist und bis zum Ablauf eines Jahres nach der Betriebsanmeldung beim FA durch den Erwerber (§ 138 Abs 1 AO) angemeldet oder festgesetzt wird (AEAO zu § 75 Tz 3.1; zu solchen Fällen vgl BFH 99, 425 = BStBl 1970 II, 676; BFH 111, 17 = BStBl 1974 II, 145; BFH 112, 110 = BStBl 1974 II, 434; Teilbetrieb EFG 2004, 1268). Das gilt auch, wenn ein Investor das Unternehmen nicht selbst fortführt, sondern wenige Monate später weiterveräußert (EFG 2002, 734). Die Jahresfrist beginnt frühestens mit dem Zeitpunkt der Betriebsübernahme, die Fälligkeit der Ansprüche ist unerheblich (AEAO zu § 75 Tz 4.2). Die Haftung beschränkt sich auf den Bestand des übernommenen Vermögens einschließlich der Surrogate (AEAO zu § 75 Tz 4.3; BFH/NV 2008, 333; BFH/NV 2013, 1905 = HFR 2013, 1077); zur erforderlichen Begründung (EFG 2003, 662). Sie entfällt bei Erwerb aus einer Insolvenzmasse (§ 35 InsO) und aus Erwerben im Vollstreckungsverfahren (vgl AEAO zu § 75 Tz 3.4).

 

Rz. 180

Stand: EL 126 – ET: 04/2021

Für den Umfang der Haftung des Erwerbers ist der Zeitpunkt der Entstehung des LSt-Anspruchs maßgebend (> Entstehung und Fälligkeit der Lohnsteuer Rz 2). Der Erwerber haftet deshalb nicht für die nachgeforderte LSt aus früheren Kalenderjahren, die vor Beginn des Kalenderjahres, das der Veräußerung voranging, entstanden ist. Er haftet dagegen für LSt, die der Veräußerer seit Beginn des Haftungszeitraums hätte einbehalten müssen, aber nicht einbehalten hat.

 

Beispiel:

A veräußert am 01.07.2020 sein Unternehmen an B. Der Erwerber haftet für die LSt, die auf die ab 01.01.2019 gezahlten Löhne entfällt. Voraussetzung ist aber, dass die Steuer innerhalb eines Jahres nach der Betriebsanmeldung beim FA (angenommen: 15.07.2020, also bis zum 15.07.2021) angemeldet oder festgesetzt worden ist.

 

Rz. 181

Stand: EL 126 – ET: 04/2021

Eine Haftung des Betriebsübernehmers nach § 75 AO kommt auch in Betracht, wenn der Erwerber im fremden Sicherungseigentum stehendes Betriebsvermögen übernimmt. Überträgt zB der Inhaber eines Unternehmens sein einer Bank sicherungsübereignetes Anlagevermögen mit deren Einverständnis auf seine Ehefrau, welche das Unternehmen mit einem Betriebsmittelkredit der Bank und unter Mitarbeit des früheren Inhabers fortführt, haftet die Erwerberin nach § 75 AO für betriebliche Steuern des früheren Unternehmens (EFG 1995, 146). Zwischen den Haftungstatbeständen des § 69 AO (> Rz 155 ff) und des § 75 AO besteht im Übrigen keine Rangordnung in der Weise, dass grundsätzlich der Haftende nach § 69 AO vor dem Haftenden nach § 75 AO in Anspruch zu nehmen ist (BFH/NV 1993, 215).

 

Rz. 182

Stand: EL 126 – ET: 04/2021

Die Haftung erstreckt sich nicht auf Nebenansprüche wie zB einen > Verspätungszuschlag wegen verspäteter Abgabe der > Lohnsteuer-Anmeldung, einen > Säumniszuschlag bei verspäteter Zahlung der festgesetzten LSt sowie Beitreibungskosten; steuerliche Nebenleistungen (§ 3 Abs 4 AO) sind von der Haftung ausgenommen. (BFH 62, 176 = BStBl 1956 III, 66; AEAO zu § 75 Tz 4.1).

Ferner zur sachlichen, zeitlichen und gegenständlichen Beschränkung der Haftung des Betriebsübernehmers nach § 75 AO vgl AEAO zu § 75 Tz 4. Bei der Ermessensentscheidung über die Haftungsinanspruchnahme sind die Pfändbarkeit der übertragenen Vermögensgegenstände beim Betriebsübernehmer (§ 295 AO, § 811 Abs 1 Nr 5 ZPO) nicht zu berücksichtigen. Diese ist erst zu prüfen, wenn der Betriebsübernehmer die Haftungssumme nicht entrichtet (vgl BFH/NV 2013, 1905 = HFR 2013, 1077).

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