a) Allgemeines

 

Rz. 190

Stand: EL 126 – ET: 04/2021

Grundlage für die Verwirklichung des Haftungsanspruchs ist (außer in den Fällen des § 42d Abs 4 EStG; > Rz 227 ff) ein schriftlicher Haftungsbescheid (§ 191 Abs 1, § 218 Abs 1 AO). Mit diesem Bescheid werden Ansprüche gegen den Haftungsschuldner festgesetzt, die sich daraus ergeben, dass er den Haftungstatbestand erfüllt (> Rz 33 ff, > Rz 150, 155 ff). Unterschiedliche Sachverhalte führen zu Haftungsansprüchen, die nicht voneinander abhängen (vgl BFH 128, 158 = BStBl 1979 II, 655; BFH 147, 323 = BStBl 1986 II, 921). Der Haftungsbescheid ist sachverhaltsbezogen und berichtigt deshalb aus dem Komplex der > Lohnsteuer-Anmeldung Rz 2 nur einen bestimmten Sachverhalt (BFH/NV 2009, 904 = HFR 2009, 674). Diese unterschiedlichen Haftungsansprüche könnte das FA an sich auch in Einzelhaftungsbescheiden festsetzen. In der Praxis werden sie äußerlich zu einem (Sammel-) Haftungsbescheid zusammengefasst, ohne dass sich an der rechtlichen Selbständigkeit der einzelnen Haftungsansprüche etwas ändert (vgl Buciek, BB 1987, 800; BFH/NV 2013, 1540). Zur Anfechtung eines solchen Sammelhaftungsbescheids > Rz 215. Ein weiterer Haftungsbescheid, der ergänzend zu einem bestandskräftig gewordenen Haftungsbescheid zum selben Sachverhalt und zur selben Steuerart ergeht, ist rechtswidrig; der zuerst ergangene Haftungsbescheid kann jedoch nach den Vorschriften der §§ 129, 130 und 131 AO korrigiert werden (BFH 205, 539 = BStBl 2005 II, 3). Dagegen entfaltet ein bestandskräftiger Haftungsbescheid keine Sperrwirkung für den Erlass eines weiteren Haftungsbescheids für einen demselben Kalenderjahr zuzuordnenden anderen Sachverhalt (BFH 209, 473 = BStBl 2006 II, 530; BFH 232, 313 = BStBl 2011 II, 534). Ergeht ein Haftungsbescheid aufgrund einer > Außenprüfung der LSt, ist die Änderungssperre des § 173 Abs 2 AO zu beachten; zu Einzelheiten > Rz 211.

 

Rz. 191

Stand: EL 126 – ET: 04/2021

Der Haftungsbescheid ist kein Steuerbescheid (§ 155 AO), sondern ein sonstiger > Verwaltungsakt iSd § 118 AO. Form und Inhalt bestimmen sich nach §§ 119ff AO; zu Einzelheiten > Rz 195 ff.

 

Rz. 192–194

Stand: EL 126 – ET: 04/2021

Randziffern einstweilen frei.

b) Hinreichende Bestimmtheit

 

Rz. 195

Stand: EL 126 – ET: 04/2021

Ein Haftungsbescheid muss den Haftungsschuldner eindeutig erkennen lassen. Er ist nichtig, wenn die Identität des Adressaten zweifelhaft ist. Zu Einzelheiten > Bekanntgabe von Steuerverwaltungsakten Rz 9 ff sowie AEAO zu § 122.

 

Rz. 196

Stand: EL 126 – ET: 04/2021

Der Haftungsbescheid muss inhaltlich hinreichend bestimmt sein (§ 119 Abs 1 AO). Der Haftungsschuldner muss ihm eindeutig entnehmen können, was das FA von ihm verlangt. Im verfügenden Teil des > Verwaltungsakt, also im Entscheidungssatz des Haftungsbescheids, muss deshalb die einzelne Haftungsschuld – also LSt, KiSt nach Konfessionszugehörigkeit, der ggf (noch) anfallende SolZ sowie andere Beträge (> Rz 5) – gesondert ausgewiesen sein (BFH 138, 188 = BStBl 1983 II, 472; BFH 145, 7 = BStBl 1986 II, 42). Für die inhaltliche Bestimmtheit eines Haftungsbescheids muss grundsätzlich der einzelne Sachkomplex bezeichnet werden, für den der LSt-Abzug fehlerhaft ist (vgl BFH 174, 89 = BStBl 1994 II, 536; BFH/NV 2009, 904 = HFR 2009, 674). Es reicht aus, wenn die konkreten Sachverhalte, die zu Lohnzuflüssen geführt haben, und der Zeitraum der Lohnzuflüsse bezeichnet werden (BFH/NV 1991, 665). Aus dem Haftungsbescheid muss nicht hervorgehen, in welcher Höhe die nachgeforderte LSt jeweils einem konkreten ArbN zuzuordnen ist; dies gehört zur materiell-rechtlichen Rechtmäßigkeit des Haftungsbescheids. Deshalb macht auch die Anwendung eines durchschnittlichen Steuersatzes den Haftungsbescheid nicht etwa inhaltlich unbestimmt mit der Folge, dass er gemäß §§ 124 Abs 3, 125 Abs 1 AO nichtig und zur Klarstellung aufzuheben wäre (BFH 174, 89 = BStBl 1994 II, 536). Es reicht allerdings aus, wenn im Haftungsbescheid auf den als Anlage beigefügten oder dem ArbG bereits übersandten Prüfungsbericht Bezug genommen wird und wenn die für eine inhaltliche Bestimmtheit erforderlichen Angaben aus diesem Bericht ersichtlich sind (BFH/NV 2009, 1964 mwN). Zur inhaltlichen Bestimmtheit einer den LSt-Haftungsbescheid ändernden Einspruchsentscheidung (> Rechtsbehelfe Rz 28) genügt es, dass die erforderlichen Angaben aus einem dort in Bezug genommenen Schreiben des Haftungsschuldners hervorgehen (BFH/NV 1991, 600).

Der Haftungsbetrag muss – zumindest nach Ablauf des Kalenderjahres – nicht nach einzelnen Monaten aufgegliedert werden. Es genügt eine Aufteilung nach Kalenderjahren, denn die LSt für abgelaufene Kalenderjahre ist eine Jahressteuer (vgl § 38a EStG; BFH 145, 29 = BStBl 1986 II, 152); ebenso bei Haftung nach § 69 AO (> Rz 155 ff; BFH 152, 418 = BStBl 1988 II, 480). Ist der Haftungsbetrag für das laufende Kalenderjahr nicht nach den einzelnen Monaten aufgegliedert, so führt dies nicht zur Nichtigkeit des Bescheids; dieser Mangel macht den Haftungsbescheid nur rechtswidrig und anfechtbar (BFH 155, 24 = BStBl 1989 II, 220).

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